Von Wildmeister Günter Claußen †
Die verschiedenen Maßnahmen der Biotopverbesserung sind im Rahmen der Reviergestaltung zu einem wichtigen Bestandteil der Hege geworden. Dem Wild fehlt es neben verschiedenen anderen Lebensgrundlagen vor allem an artgerechter Äsung. Ausgelöst durch die fortlaufende Technisierung und eine totale Umstrukturierung in Land-
und Forstwirtschaft haben die verschlechterten Lebensbedingungen zu einer immer bedrohlicher werdenden Entwicklung, insbesondere in Bezug auf die Wildschäden geführt.
Die ökologischen Ansprüche der heimischen Tier- und Pflanzenwelt sind durch Schaffung der bäuerlichen Großflächenwirtschaft und forstlicher Monokulturen fast überall stark gefährdet. Allein die Verarmung der heimischen Flora durch den allenthalben praktizierten Pflanzenschutz hat nicht selten katastrophale Engpässe beim Nahrungsangebot zur Folge.
Eine gewisse Berechtigung haben Hoffnungen, dass die zum dringend notwendigen Abbau der Überproduktion in der Land- und Forstwirtschaft angestrebten Maßnahmen, wie intensive bzw. naturnahe Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wirtschaftswälder einen Wandel einleiten können. Doch bevor die angestrebten Regelungen greifen, ist der Jäger gefordert, zur Erhaltung gesunder Wildbestände etwas zu tun.
Rot- und Damwild
Wo es auf gutenBöden reichlich Brom- und Himbeeren und viel Wildwuchs in Form von Weiden, Aspen und ähnlichen Weichhölzern als gern angenommene Proßholzäsung gibt, sollte man sich bei der Schaffung eines zusätzlichen Äsungsangebotes für das Hochwild in erster Linie auf die Anlage von Dauergrünlandäsungsflächen beschränken.
Wenn es zugleich gelingt, den für das Wachstum dieser mehrjährigen Pflanzen notwendigen pH-Wert des Bodens durch eine eventuell notwendige Kalkung (normalerweise reichen 20 Doppelzentner kohlensauren Kalk pro Hektar) auf die pH-Zahl 6 bis 7 anzuheben und den Pflanzen zugleich lebenswichtige Mineralien wie Phosphorsäure und Kali in Form von 6 bis 8 Dezitonnen/ha pro Thomaskali anzubieten, werden die Äsungflächen garantiert und gerne vom Wild angenommen.
Seit Jahren gut bewährt haben sich als Wildwiesenmischung die nach dem Rezept vom Bonnemann zusammengestellte Dauergrünlandmischung und das von der Revierberatungsstelle Wolmersdorf entwickelte Waldwiesen – Kleegemisch. Bei normaler Hochwilddichte reicht pro 100 ha Revierfläche eine Wildwiese in der Größe eines halben Hektars.
Allein, wenn das forstlich ohnehin zwingend notwendige Läutern der bekanntlich schnell aus dem Dickungsalter herauswachsenden Stangenhölzer rechtzeitig im Frühwinter durchgeführt wird, bietet die Spiegelrinde des liegenden Holzes dem Rot-, Dam- und Muffelwild hervorragende Proßholz- und Rindenäsung an. Dass diese waldbaulichen Maßnahmen sogar das Schälen am stehenden Holz stark unterbinden, ist in Fachkreisen hinlänglich bekannt. Es liegt im Grunde nur am Jagdpächter, solche zusätzlichen Äsungsbeschaffungsmaßnahmen, zu denen auch das das Fällen minderwertiger Weichhölzer zählt, nach Absprache mit dem zuständigen Forstmann oder Waldbesitzer in eigener Regie durchzuführen.
Wenn es zusätzlich zu diesen speziellen Schalenwildmischungen auch noch gelingt, einen Teil der jeweiligen Äsungsflächen oder Streifen mit Topinambur und Speisekartoffeln, insbesondere der Sorten „Hansa“ und „Linda“ zu bestellen, so lässt sich mit dem lukrativen Angebot an reichlicher Blatt- und Knollenäsung sogar die aufwendige Winterfütterung weitgehend ersetzen.
Das Geheimnis zur Schaffung eines optimalen Äsungsangebotes auf Wildäckern besteht in erster Linie in der ausreichenden Nährstoffversorgung mit 6 – 8 Dezitonnen/ha Volldünger (Blaukorn) und der Kunst, die Pflanzen in der Aufwuchsphase vor Verbiss zu sichern.
Wählt man für die Fläche eine Kombination aus, Teil 1 Herbst- und Winteräsungsgemisch, Teil 2 Sommeräsungsgemisch, Teil 3 Kartoffeln und Teil 4 Topinambur, so bietet man nicht nur Äsung für das ganze Jahr, sondern hat auch die Gewähr, dass die Teile 1 und 4 im zweiten Jahr nicht wieder neu bestellt werden müssen. Während auf Teil 1 im Folgejahr der Waldstaudenroggen mit den überwinternden Untersaaten zum Tragen kommt, sorgen auf Teil 4 die wint erharten Knollen des Topinambur für die natürliche Wiederbegrünung.
Diese Schalenwildmischung beispielsweise verlangt keine frühe Aussaat, sondern kann notfalls, wenn Flächen misslungen oder restlos abgeäst sind, auch zwischen August und Oktober noch ausgebracht werden. Das Wild findet im Herbst und Winter eiweißreiche Grünäsung und im zweiten Jahr hochwertiges Körnerfutter.
Insbesondere die beiden letztgenannten Pflanzen sind zwar vorübergehend sehr attraktiv, doch ist die anziehende Wirkung nur von sehr kurzer Dauer.
Meist werden sie schon im Milchreifestadium innerhalb weniger Tage vom Wild abgeäst oder restlos heruntergetrampelt, wobei das Gros der am Boden liegenden Körner auswächst oder schnell verfault. Allein schon die Beimischung oder Untersaat mit Klee oder Seradella hätte die Anziehungskraft auf Rehe, Hirsche und Sauen um Monate, bei Rotklee sogar um ein ganzes weiteres Jahr verlängert.
Rehwild
Bei Rehen, die als Konzentratselektierer bekannt sind, müssen bei Äsungsbeschaffungsmaßnahmen besondere
Maßstäbe angelegt werden. Zum einen wird der tägliche Nahrungsbedarf meist völlig überschätzt, zum anderen geht man bei der Beurteilung der Futterqualität häufig von völlig falschen Voraussetzungen aus. In der Tat liegt der tägliche Nahrungsbedarf eines ausgewachsenen Rehes bei maximal 4 kg Frischmasse, die sich aus 0,8 kg Trockensubstanz, 40 g Eiweiß und 250 g Stärkeeinheiten zusammensetzt.
Wer also dem Rehwild etwas gutes tun will, sollte Leckerbissen anbieten. Dafür gibt es für jede Jahreszeit eine reiche Auswahl an Pflanzen. Rehe sind auf eiweißreiche und leicht verdauliche Äsung angewiesen.
Sie besitzen im Gegensatz zum Raufutterfresser Rotwild nur einen verhältnismäßig kleinen Pansen und sind daher nicht in der Lage, in großen Mengen rohfaserreiches Futter, wie z. B. Gras zu verarbeiten. Mit dem jahreszeitlich wechselnden natürlichen Äsungsangebot ändert sich beim Rehwild zugleich auch das Äsungsverhalten. Während im Sommer schnell vergärbare Pflanzenkost in Form zarter und leicht verdaulicher Triebspitzen und Blattäsung bevorzugt wird, verlangt die im Winter veränderte Pansenoberfläche mit stark zurückgebildeten Zotten nach grobstrukturierter Äsung.