Äsung für Hirsche und Rehe

Von Wildmeister Günter Claußen †

 .

Die verschiedenen Maßnahmen der Biotopverbesserung sind im Rahmen der Reviergestaltung zu einem wichtigen Bestandteil der Hege geworden. Dem Wild fehlt es neben verschiedenen anderen Lebensgrundlagen vor allem an artgerechter Äsung. Ausgelöst durch die fortlaufende Technisierung und eine totale Umstrukturierung in Land-

und Forstwirtschaft haben die verschlechterten Lebensbedingungen zu einer immer bedrohlicher werdenden Entwicklung, insbesondere in Bezug auf die Wildschäden geführt.

Die ökologischen Ansprüche der heimischen Tier- und Pflanzenwelt sind durch Schaffung der bäuerlichen Großflächenwirtschaft und forstlicher Monokulturen fast überall stark gefährdet. Allein die Verarmung der heimischen Flora durch den allenthalben praktizierten Pflanzenschutz hat nicht selten katastrophale Engpässe beim Nahrungsangebot zur Folge.

Innerhalb der Waldgebiete kommt es als Folge einer vielerorts zur Holzfabrik entwickelten Forstwirtschaft zu einer dramatischen Verknappung der ursprünglichen Proßholzäsung. In den von Monokulturen beherrschten Nadelwaldungen sind Weichhölzer, Beerensträucher und eine nährstoffreiche Kräuterflora kaum noch zu finden. Das Wild wird also förmlich gezwungen, seinen Nahrungsbedarf über die Forstpflanzen aufzunehmen, der zwar dem Wilde und zu Recht auch den oft überhöhten Beständen angelastet wird, dessen tatsächliche Ursachen aber in dem von großen Fehleinschätzungen begleiteten Profitdenken des Menschen liegen. Heute hat man glücklicherweise eingesehen, dass viele der von einer wirtschaftlichen Entwicklung getragenen und von der jeweiligen Administration geförderten Maßnahmen falsch waren und ist bestrebt, Abhilfe zu schaffen.

Eine gewisse Berechtigung haben Hoffnungen, dass die zum dringend notwendigen Abbau der Überproduktion in der Land- und Forstwirtschaft angestrebten Maßnahmen, wie intensive bzw. naturnahe Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wirtschaftswälder einen Wandel einleiten können. Doch bevor die angestrebten Regelungen greifen, ist der Jäger gefordert, zur Erhaltung gesunder Wildbestände etwas zu tun.

Rot- und Damwild

Pauschal lässt sich eine Größenordnung der benötigten Äsungsflächen nicht festlegen. Der Nahrungsbedarf richtet sich nach der Dichte des vorkommenden Wildes und dem natürlichen Äsungsangebot. Dabei muss der Anteil der angrenzenden Felder und Wiesen, die Baumartenverteilung und das von der BodenKraft abhängige Vorkommen einer Strauch-, Kraut- und Grasschicht als wichtige Bewertungsgrundlage angesetzt werden.
Dass der Bedarf auf den armen Sandböden der Kieferstandorte wesentlich höher einzustufen ist als in den Mischwäldern der fruchtbaren Auelandschaft, gilt von vornherein als selbstverständlich.

Wo es auf gutenBöden reichlich Brom- und Himbeeren und viel Wildwuchs in Form von Weiden, Aspen und ähnlichen Weichhölzern als gern angenommene Proßholzäsung gibt, sollte man sich bei der Schaffung eines zusätzlichen Äsungsangebotes für das Hochwild in erster Linie auf die Anlage von Dauergrünlandäsungsflächen beschränken.

Dabei wird z. B. Beispiel in Hessen und Rheinland-Pfalz zugleich auch der neuen gesetzlichen Vorschriften entsprochen, wo statt Wildäcker im herkömmlichen Sinne nur Wildwiesen erlaubt sind. Solches Dauergrünland muss auch nicht unbedingt in riesiger Größenordnung geschaffen werden, sondern nach dem Motto Qualität vor Quantität kommt es im Besonderen darauf an, mit einem attraktiven Pflanzenangebot den gewünschten Ablenkeffekt zu erzielen. Das erreicht man am besten durch Aussaat von Mischungen mit einem ausgewogenen Anteil an Süßgräsern, Kleearten und Kräutern.

Wenn es zugleich gelingt, den für das Wachstum dieser mehrjährigen Pflanzen notwendigen pH-Wert des Bodens durch eine eventuell notwendige Kalkung (normalerweise reichen 20 Doppelzentner kohlensauren Kalk pro Hektar) auf die pH-Zahl 6 bis 7 anzuheben und den Pflanzen zugleich lebenswichtige Mineralien wie Phosphorsäure und Kali in Form von 6 bis 8 Dezitonnen/ha pro Thomaskali anzubieten, werden die Äsungflächen garantiert und gerne vom Wild angenommen.

Solche Wildwiesen müssen allerdings ein – bis zweimal, am besten Mitte Juli und Ende August gemäht werden, damit stets junges, zartes Grün zur Verfügung steht. Das Mähgut wird, richtig gelagert, in Form von Wildheu oder Silage für die Winterfütterung reserviert. Andernfalls besteht natürlich die Möglichkeit, einem Landwirt oder Pferdehalter die Nutzung als Mähwiese zu überlassen, wobei der Jagdpächter selbstverständlich den Zeitpunkt der Mahd festlegen sollte.

Seit Jahren gut bewährt haben sich als Wildwiesenmischung die nach dem Rezept vom Bonnemann zusammengestellte Dauergrünlandmischung und das von der Revierberatungsstelle Wolmersdorf entwickelte Waldwiesen – Kleegemisch. Bei normaler Hochwilddichte reicht pro 100 ha Revierfläche eine Wildwiese in der Größe eines halben Hektars.

Zwar kommen zentral im Einstandsbereich gelegene Flächen dem Sozialverhalten des meist in Rudeln auftretenden Rot- und Damwildes sehr entgegen und sind arbeitstechnisch auch leichter zu bewirtschaften, doch bietet sich in Ermangelung größerer Parzellen auch die Möglichkeit an, die Äsung über das 100 Hektar große Areal verteilt, auf Streifen und Kleinwildäckern wie Schneisen, Holzlagerplätzen, Blößen usw. bereitzustellen. In Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern lassen sich in jedem Waldgebiet eine Vielzahl forstlich nicht genutzter Flächen finden, wobei es unter Umständen auch durchaus zweckmäßig sein kann, unrentable oder wertlose Waldstücke zu roden, zumal Freiflächen mit einem entsprechenden Pflanzenangebot auch ökologisch sehr wertvoll sind. In reinen Kiefernrevieren kann man zu bestimmten Zeiten auch mit der Axt viel für das Wild tun.

Allein, wenn das forstlich ohnehin zwingend notwendige Läutern der bekanntlich schnell aus dem Dickungsalter herauswachsenden Stangenhölzer rechtzeitig im Frühwinter durchgeführt wird, bietet die Spiegelrinde des liegenden Holzes dem Rot-, Dam- und Muffelwild hervorragende Proßholz- und Rindenäsung an. Dass diese waldbaulichen Maßnahmen sogar das Schälen am stehenden Holz stark unterbinden, ist in Fachkreisen hinlänglich bekannt. Es liegt im Grunde nur am Jagdpächter, solche zusätzlichen Äsungsbeschaffungsmaßnahmen, zu denen auch das das Fällen minderwertiger Weichhölzer zählt, nach Absprache mit dem zuständigen Forstmann oder Waldbesitzer in eigener Regie durchzuführen.

Dennoch ist die Anlage von zusätzlichen Äsungsflächen gerade in den von Nadelhölzern geprägten Wirtschaftswäldern eine dringende Notwendigkeit. Die armen und meist stark sauren Standorte bieten für die Einsaat von Gras-Mischungen als Daueräsungsflächen allerdings denkbar schlechte Voraussetzungen.
Sinnvoller und effektiver erweisen sich auf diesen Böden Wildäsungsmischungen mit säureresistenten Pflanzen. Diese speziellen Arten bringen selbst auf den von Natur aus sehr trockenen Standorten auch bei geringen Niederschlägen noch eine optimale Wachstumsleistung. Neben den klassischen Pionierpflanzen wie Buchweizen, Öllein, Hafer, Waldstaudenroggen und Ölrettich gedeihen auf Sand auch Westfälischer Furchenkohl und Stoppelrüben und selbst hochwertige Leguminosen wie Süßlupinen, Seradella, Erbsen und Wicken. In ausgewogener Zusammensetzung sorgen sie in Gemengen dafür, dass Wildackermischungen wie zum Beispiel das Sommeräsungsgemisch und das Herbst- und Winteräsungsgemisch hervorragend den Ansprüchen aller Wildarten gerecht werden.

Wenn es zusätzlich zu diesen speziellen Schalenwildmischungen auch noch gelingt, einen Teil der jeweiligen Äsungsflächen oder Streifen mit Topinambur und Speisekartoffeln, insbesondere der Sorten „Hansa“ und „Linda“ zu bestellen, so lässt sich mit dem lukrativen Angebot an reichlicher Blatt- und Knollenäsung sogar die aufwendige Winterfütterung weitgehend ersetzen.

Das Geheimnis zur Schaffung eines optimalen Äsungsangebotes auf Wildäckern besteht in erster Linie in der ausreichenden Nährstoffversorgung mit 6 – 8 Dezitonnen/ha Volldünger (Blaukorn) und der Kunst, die Pflanzen in der Aufwuchsphase vor Verbiss zu sichern.

Dieser Schutz lässt sich mit zwei, an einem Weidezaun angeschlossenen und in Höhe von 50 und 110 cm
gespannten Drähten ohne große Mühe garantieren. Den einfachen Zaun kann man bereits nach sechs Wochen wieder entfernen, denn dann sind Kartoffeln und Topinambur so hoch gewachsen, dass sie dem, zunächst
ohnehin nur mäßigen Verbiss, ohne Schaden überstehen.

Wählt man für die Fläche eine Kombination aus, Teil 1 Herbst- und Winteräsungsgemisch, Teil 2 Sommeräsungsgemisch, Teil 3 Kartoffeln und Teil 4 Topinambur, so bietet man nicht nur Äsung für das ganze Jahr, sondern hat auch die Gewähr, dass die Teile 1 und 4 im zweiten Jahr nicht wieder neu bestellt werden müssen. Während auf Teil 1 im Folgejahr der Waldstaudenroggen mit den überwinternden Untersaaten zum Tragen kommt, sorgen auf Teil 4 die wint erharten Knollen des Topinambur für die natürliche Wiederbegrünung.

Bei etwas besseren Böden lässt sich auch mit einer Mischung aus Waldstaudenroggen, Dinkelweizen,
Ackerbohnen, Wintererbsen, Winterwicken, Westfälischer Furchenkohl, Herbstrüben, Winterraps, Rot- und
Schwedenklee, die unter der Bezeichnung Schalenwild-Spezialmischung angeboten wird, ebenfalls für zwei
Jahre Äsung bereitstellen.

Diese Schalenwildmischung beispielsweise verlangt keine frühe Aussaat, sondern kann notfalls, wenn Flächen misslungen oder restlos abgeäst sind, auch zwischen August und Oktober noch ausgebracht werden. Das Wild findet im Herbst und Winter eiweißreiche Grünäsung und im zweiten Jahr hochwertiges Körnerfutter.

Egal, in welchem Revier man auch immer Wildäcker anlegen will, der tatsächliche Erfolg wird sich nur dann
einstellen, wenn man entweder mehrere Pflanzen nebeneinander anbaut, oder verschiedene Pflanzenmischungen wählt. Ein Wildacker nur mit Topinambur bestellt wird im Grunde genauso wenig bringen, wie der einseitige Anbau von Mais oder Hafer.

Insbesondere die beiden letztgenannten Pflanzen sind zwar vorübergehend sehr attraktiv, doch ist die anziehende Wirkung nur von sehr kurzer Dauer.

Meist werden sie schon im Milchreifestadium innerhalb weniger Tage vom Wild abgeäst oder restlos heruntergetrampelt, wobei das Gros der am Boden liegenden Körner auswächst oder schnell verfault. Allein schon die Beimischung oder Untersaat mit Klee oder Seradella hätte die Anziehungskraft auf Rehe, Hirsche und Sauen um Monate, bei Rotklee sogar um ein ganzes weiteres Jahr verlängert.

Rehwild

Bei Rehen, die als Konzentratselektierer bekannt sind, müssen bei Äsungsbeschaffungsmaßnahmen besondere

Maßstäbe angelegt werden. Zum einen wird der tägliche Nahrungsbedarf meist völlig überschätzt, zum anderen geht man bei der Beurteilung der Futterqualität häufig von völlig falschen Voraussetzungen aus. In der Tat liegt der tägliche Nahrungsbedarf eines ausgewachsenen Rehes bei maximal 4 kg Frischmasse, die sich aus 0,8 kg Trockensubstanz, 40 g Eiweiß und 250 g Stärkeeinheiten zusammensetzt.

Wer also dem Rehwild etwas gutes tun will, sollte Leckerbissen anbieten. Dafür gibt es für jede Jahreszeit eine reiche Auswahl an Pflanzen. Rehe sind auf eiweißreiche und leicht verdauliche Äsung angewiesen.

Sie besitzen im Gegensatz zum Raufutterfresser Rotwild nur einen verhältnismäßig kleinen Pansen und sind daher nicht in der Lage, in großen Mengen rohfaserreiches Futter, wie z. B. Gras zu verarbeiten. Mit dem jahreszeitlich wechselnden natürlichen Äsungsangebot ändert sich beim Rehwild zugleich auch das Äsungsverhalten. Während im Sommer schnell vergärbare Pflanzenkost in Form zarter und leicht verdaulicher Triebspitzen und Blattäsung bevorzugt wird, verlangt die im Winter veränderte Pansenoberfläche mit stark zurückgebildeten Zotten nach grobstrukturierter Äsung.

Diesen speziellen Bedürfnissen muss bei der Zusammenstellung von Wildackermischungen Rechnung getragen werden, indem neben eiweißreicher Arten insbesondere Klee, Luzerne, Seradella und Waldstaudenroggen, auch Grobleguminosen wie Süßlupinen, Erbsen oder Bohnen und Buchweizen, Flachs, Raps, Westfälischer Furchenkohl im ausgewogenen Verhältnis angeboten werden.
Je abwechslungsreicher das Pflanzenangebot, umso besser die Annahme und Nutzung durch das Wild. Selbst auf Kleinflächen von nur wenigen 100 m², sollten nach Möglichkeit immer mehrere Mischungen nebeneinander angebaut werden. Bei einem maximalen Bestand von 10 Stück pro 100 Hektar gilt in reinen Rehwildrevieren eine Äsungsfläche von einem Morgen (2.500 m²) als ausreichend. In dieser Größenordnung wirken sich Hegeflächen mit einem ausgewogenen Pflanzenangebot in jedem Fall positiv auf die Qualität des Wildes aus.