100 Jahre nach seinem Fund
Von Ernst-Otto Pieper
Mehr als 600 Millionen Jahre taumelte der aus dem Asteroidengürtel zwischen Jupiter und Mars stammende Eisenbrocken durch das All, bis seine lange Reise schließlich am 3. April 1916 um 15:25 Uhr mit Donner und Rauch in der Nähe von Treysa (heute ein Ortsteil von Schwalmstadt) niederging.
Die Geschichte des Meteoriten beginnt schon sehr früh, denn der Eisenklumpen mit 36 Zentimeter Durchmesser, ist bereits 4,56 Milliarden Jahre alt und damit etwa so alt wie unser Sonnensystem. Fast 90 % seiner Masse sind bei seinem Flug durch die Erdatmosphäre durch die Reibungshitze verdampft – 63,28 kg blieben übrig. Es ist der größte Meteorit, dessen Fall in Deutschland beobachtet wurde.
Der bleigraue Himmelsbote liegt heute in einer Vitrine im Mineralogischen Museum in Marburg. Für wissenschaftliche Untersuchungen war es allerdings notwendig, ihn um einiges zu erleichtern, es wurde mehrere Stücke abgeschnitten, um einen Einblick in sein Inneres zu ermöglichen.
Die zahlreichen Berichte über seinen Niedergang weckten insbesondere das Interesse des Meteorologen sowie Polar- und Geowissenschaftlers Alfred Wegener (1880 bis 1930). Durch Aufrufe in mehreren Tageszeitungen bat er die Augenzeugen, ihre Beobachtungen aufzuschreiben und ihm zukommen zu lassen. Beobachtet wurde der Niedergang des Meteoriten als Feuerball bei wolkenlosem Himmel auf einem kreisförmigen Gebiet, dessen Radius etwa 135 km betrug. Wegener berechnete anhand der ihm zugesandten Beobachtungen (Licht- und Schallerscheinungen) den ungefähren Einschlagsort.
Er schreibt hierzu in „Astronomische Nachrichten“ Band 207, Nr. 4961 unter anderem folgendes:
„Auf einer engeren Kreisfläche, deren Radius 50-60 km beträgt, wurde die Detonation einige Minuten nach der Lichterscheinung gehört (außerdem auch in einigen mehr als 100 km entfernten Punkten, welche der äußeren Hörbarkeitszone jenseits der Zone des Schweigens entsprechen dürften). Die Beobachtungen hierüber wurden von mir durch Zeitungsaufrufe gesammelt und mit der Richtung des Niedergehens in eine Karte eingetragen. Als Fallort ergab sich hiernach ungefähr die Gegend von Treysa und Ziegenhain in Hessen. Nun machte ich selbst mehrere Ausflüge in die Fallgegend und zog, von Dorf zu Dorf wandernd, weitere Erkundigungen ein in der Hoffnung, auf eine Nachricht zu stoßen, dass der Einschlag des Meteoriten beobachtet sei. Auch wurden in ähnlicher Weise Beobachtungen gesammelt von dem Landesbaumeister in Treysa, Herrn Vespermann, und Herrn Dr. Fritsche. Vom Meteoriten zeigte sich aber keine Spur.“
Wegeners Hoffnung, dass ein Landwirt im Herbst 1916 während oder nach der Ernte den Einschlagsort findet, wurde nicht von Erfolg gekrönt. Hierdurch wurde es wahrscheinlich, dass der Fall nicht auf einem Feld, sondern in einem Wald stattgefunden hatte. Auf Wegeners Vorschlag wurde noch ein letzter Versuch gemacht, und schreibt weiterhin: „Es wurde im Januar 1917 ein Preis von 300 Mark ausgesetzt und ein Aufruf gedruckt, der an die Oberförster und Förster des Fallgebietes zur Verteilung und in den dortigen Zeitungen zum Ausdruck gelangte. Dieser Versuch war von Erfolg gekrönt. Es meldete sich (am 6.März 1917) ein Förster, der ein Einschlagloch der beschriebenen Größe und Form im Walde bereits seit dem Sommer 1916 kannte. Die Nachgrabung ergab in 1,60 m Tiefe einen noch vollkommen gut erhaltenen Eisenmeteoriten von 63 kg Gewicht“.
Der Meteorit ging in die deutsche astronomische Geschichte als einer der bedeutendsten nachweisbar beobachteten Meteoriteneinschläge in der Neuzeit ein. Er wird als mittlerer Oktaedrit der chemischen Gruppe IIIB klassifiziert und zeigt die Widmanstätten-Strukturen.
An das kosmische Ereignis erinnert seit 1986 ein vom Knüllgebirgsverein aufgestellter Gedenkstein am Einschlagsort. Wegweiser zum Meteoritenfundort sind am Weg (Ringstraße) im Rommershäuser Wald aufgestellt.