Bisam

Ondatra zibethica (LINNAEUS, 1766)

Von Ernst-Otto Pieper

Ordnung:    Nagetiere (Rodentia)
Familie:     Wühlmausartige (Microtidae)

Auch: Bisamratte, Zibetratte, Moschusratte

Geschichte:

  • Urheimat ist Nordamerika
  • Fürst Josef Colloredo Mansfeld brachte im Frühjahr 1905 drei Weibchen und zwei Männchen von einer Jagdreise aus Alaska mit. Diese setzte er in seinem Gut Dobuis (Dobrich) in der Nähe von Prag aus.
  • Einigen Bisamen gelang später der Ausbruch aus einer Pelztierfarm ostwärts von Prag. Sie gelangten in einen Nebenfluss der Moldau
  • 1910 im Fichtelgebirge (200 km entfernt)
  • 1914 in Bayern
  • 1928 zusätzliche Einwanderung aus Frankreich
  • 1928 Einbürgerung in der damaligen Sowjetunion
  • Inzwischen flächendeckend in Deutschland verbreitet
  • Bisam ist die hebräische Bezeichnung für Moschus

Kennzeichen:

  • Größte und am besten an das Schwimmen angepasste Wühlmaus
  • Plumpwirkender, kaninchengroßer Körper
  • Kopf dick und kurz; Schädel flach und breit
  • Bis 7 cm lange Vibrissen (Tasthaare)
  • Die kleinen runden Ohren, die den Balg nur wenig überragen, können mit einer Hautfalte im Inneren des Gehörganges verschlossen werden; die Fähigkeit des Vernehmens wird dadurch nicht beeinträchtig
  • Die Nase ist mit dem Nasenknorpel verschließbar
  • Vorderläufe relativ kurz; Hinterläufe groß
  • Vorderläufe mit 4 Zehen und einem rudimentären Daumen; Hinterläufe mit 5 Zehen
  • Zehen mit kräftigen, stark gekrümmten, 5 bis 7 mm langen Krallen
  • Die weit spreizbaren Füße haben kleine Schwimmhäute und an den Zehen seitlich dicht Borstensäume
  • Ruderschwanz mit kleinen Hautschuppen und Borsten bedeckt; lateral abgeplattet; etwa 150 Schwanzringe

Balg:

  • Rücken dunkel- bis kastanienbraun; Seiten heller; Unterseite grau bis fast weiß mit leichtem Braunton. Je nach Jahreszeit färbt sich der Balg heller oder dunkler. Albinos und Schwärzlinge sind selten
  • Die Unterwolle ist schiefergrau
  • In der Unterkieferregion befindet sich ein unverwechselbarer dunkler Fleck
  • Der Pelz hat bei in Deutschland lebenden Tieren nicht die Qualität wie in Amerika
  • Der Balg ist ganzjährig nutzbar

Größe / Gewicht:

  • Kopf-Rumpf-Länge: 25 bis 35 cm.
  • Schwanzlänge: 20 bis 25 cm
  • Gewicht: bis 2,3 kg

Lebensraum:

  • Anpassung an jeden nur einigermaßen mit Gewässern versehenen Lebensraum
  • Der eigentliche Lebensraum ist das Wasser. Er besiedelt deshalb Teiche, Flachseen, Sümpfe, Bäche, Gräben, Flussränder und Kanäle
Foto: E.-O. Pieper

Lebensweise:

  • Der Bisam ist im Wasser sehr beweglich und kann bis 20 Minuten tauchen (normalerweise 2 Minuten)
  • Beim Schwimmen werden die Vorderfüße in die Halsgrube gedrückt und der Körper sowohl durch abwechselndes treten mit den Hinterfüßen als auch durch Ruderbewegungen des Schwanzes vorangetrieben
  • Er kann unter Wasser Nahrung aufnehmen
  • Dämmerungs- und nachtaktiv
  • Starker Regen und kalter Wind senken die Aktivität
  • Bisame leben in Erdbauen, die sie in den Uferböschungen anlegen
  • Durch die stete Unterhöhlung von Ufern und Dämmen richten die Tiere enorme Schäden an
  • Die zu den Kesseln führenden Röhren liegen stets unterhalb der Wasseroberfläche und haben einen Durchmesser von ca. 10 cm. Bei sinkenden Wasserstand werden die trocken gefallenen Eingänge mit Schlamm und Pflanzenteilen verstopft und neue tiefer gelegene Röhren angelegt
  • Die Kessel haben eine Höhe von ca. 20 cm, einen Durchmesser von ca. 40 cm und sind mit Pflanzenteilen ausgepolstert
  • Ein Familienbau besteht aus mehreren Kesseln und Röhren
  • Sind die Lebensräume zum Graben ungeeignet (Sümpfe / Seen mit Verlandungsgürteln), baut der Bisam Burgen
  • Etwa ab September werden große Winterburgen aus Pflanzenteilen mit zwei bis drei Kammern angelegt. Auch hier enden die Röhren stets unter Wasser.
  • Burgen können einen Sohlendurchmesser von über 4 m und eine Höhe von 1,20 m erreichen
  • Während der Winterruhe erwachen die Bisame etwa einmal pro Woche, um Nahrung aufzunehmen
  • Frieren die Gewässer zu, so brechen Bisame ein Loch in die Eisdecke und halten damit den Ein- und Ausgang zum Gewässer offen
  • Bisame sind außerordentlich scheu und tauchen bei der geringsten Störung sofort ab
  • Bei Gefahr wird auch der Mensch angegriffen

Aktionsraum:

Bisambau; Foto: E.-O. Pieper
  • Bisame halten sich zumeist im Wasser auf, unternehmen aber auch oft kilometerweite Wanderung über Land
  • Während der Fortpflanzungszeit bilden Bisame Reviere, die paarweise gegen Artgenossen verteidigt werden. Diese Reviere haben, je nach Nahrungsangebot, eine Größe von 10 bis 120 Ar
  • Die Reviere sind relativ klein und überschneiden sich nicht mit Nachbarrevieren
  • Aktionsräume sind größer als die Reviere. Sie werden regelmäßig belaufen. Hier können sich auch benachbarte Bisame treffen, ohne dass es zu Streitigkeiten kommt
  • Tiere, die keinen Partner gefunden haben, werden in Randbereiche gedrängt. Dieses führt im Frühjahr zu einer ersten Abwanderung.
  • Zu einer zweiten Abwanderung kommt es im Herbst, wenn sich die Tiere um die Winterbaue streiten

Ernährung:

  • Pflanzenfresser
  • Hauptsächlich Wasserpflanzen und Kräuter, die am Ufer des Gewässers wachsen. Bisame nehmen aber auch Kulturpflanzen wie Mais, Getreide, Rüben und Gemüse auf
  • Im Winter werden häufig Muscheln (Teich- und Flussmuscheln) aufgenommen

Alter:

  • Bisame können bis zu 3 Jahre alt werden
  • Das Alter wird im Wesentlichen durch die Art der Nahrung und den damit verbundenen Reibedruck der Kaumuskulatur bestimmt. Die Abnutzung der Backenzähne kann daher das Lebensalter begrenzen
  • Gründung und Verteidigung der Reviere hat bei den Männchen eine größere Sterblichkeit zur Folge als bei den Weibchen

Zähne:

  • Zahnformel: 1 0 0 3 x 2
                        1 0 0 3 x 2        = 16 Zähne im Dauergebiss
  • Bisame werden mit nachwachsenden Backenzähne geboren; diese beenden jedoch ihr Wachstum bereits nach 2,5 Monaten
  • Der erste Backenzahn hat die Größe wie die beiden folgenden zusammen
  • Die beiden Schneidezähne sind wurzellos und wachsen entsprechend ihrer Abnutzung nach. Sie sind sehr stark gebogen und von meißelartiger Form. Außen sind sie mit orangerotem, harten Schmelz überzogen

Drüsen:

  • Das Männchen sondert während der Paarungszeit permanent aus paarigen Drüsen, die sich in der Nähe der Hoden befinden, eine nach Moschus riechende Flüssigkeit ab, die der Geschlechtsfindung dient

Fortpflanzung:

  • Weibchen sind mit 5 Monaten geschlechtsreif
  • Die Paarungszeit ist stark von der Witterung abhängig und beginnt zumeist im März und dauert bis September (Höhepunkt: Mai)
  • Die Tragzeit dauert etwa 30 Tage
  • Die Jungen sind bei der Geburt nackt und blind („Nesthocker“)
  • Geburtsgewicht: ca. 20 g
  • Die Jungen öffnen nach 9 bis 14 Tagen die Seher
  • Die Jungen werden etwa 2 Wochen gesäugt
  • Nach 14 bis 18 Tagen hat sich ein Nestlingsfell gebildet. Dieses wird im Alter von ca. 4 Wochen durch ein dichteres, graublaues Jugendkleid abgelöst. Nach weiteren 3 Monaten wächst das Erwachsenenkleid
  • Nach 2 bis 3 Wochen wird erstmals der Bau verlassen
  • Nach 4 Wochen sind sie unabhängig. Junge des ersten Jahreswurfs gründen im Alter von 5 Monaten eigene Reviere. Die Jungen der folgenden Würfe bleiben bis zum kommenden Frühjahr bei den Eltern
  • Jährlich erfolgen 2 bis 5 Würfe mit jeweils 5 bis 15 Jungen
  • Die Jungtiere des ersten Wurfes können noch im Herbst des ersten Lebensjahres selbst einen Wurf bringen

Losung:

  • 1 bis 1,5 cm lang und etwa 0,5 cm dick; sie ähnelt der Rehlosung, ist jedoch wesentlich kleiner
  • Wird zumeist im Wasser abgesetzt
  • Während der Fortpflanzungszeit werden von den Männchen an den Reviergrenzen Kotplätze angelegt. Diese werden mit Drüsensekret markiert und dienen als optisches und olfaktorisches Signal

Spur:

  • Trittsiegel des Vorderlaufes: ca. 7 cm lang und 5 cm breit
  • Der Schwanz hinterlässt auf weichem Untergrund eine Schleifspur

Krankheiten / Verluste:

  • Ektoparasiten wie Läuse und Blut saugende Milben sind meist zahlreich
  • Jeder zweite Bisam ist von mindestens einem Bandwurm befallen. Bei den Bandwurmarten handelt es sich um solche, die normalerweise in Katzen, Hunden, Mardern und Füchsen leben. Bisame gewährleisten einen lückenlosen Entwicklungszyklus des für den Menschen gefährlichen Fuchsbandwurmes
  • Die natürliche Sterblichkeit der Bisame ist relativ hoch
  • Obwohl äußerst wehrhaft, werden sie von großen Raubfischen, Eulen, Greifvögeln, Graureiher und Weißstörchen, vor allem aber vom Fuchs, Iltis und Fischotter gefressen
  • Durch den Menschen erfolgt eine intensive Bejagung (Bisamfänger)

Besonderheiten:

  • Das Fleisch soll wohlschmeckend sein (Sumpfkaninchen, Wasserkaninchen)
  • Das Fleisch ist als Fuchsköder beliebt
  • Die Haltung und Durchfuhr lebender Bisame ist in Deutschland verboten