Dasselfliegen

Von Ernst-Otto Pieper

 

Ordnung:           Zweiflügler (Diptera)
Unterordnung:   Fliegen (Brachycera) mit etwa 33 Familien
Familie:             Dasselfliegen (Oestridae)

 

Dasselfliegen (auch Biesfliegen) kommen weltweit mit weit über 100 Arten vor. In Mitteleuropa kommen etwa 10 Arten vor.

Bisweilen werden Dasselfliegen auch Bremsen oder Brämen genannt. Diese Namen sind aber für eine andere Zweiflüglerfamilie zu verwenden. Dennoch sind die Namen Schafbremse (Oestrus ovis) und Pferdemagenbremse (Gasterophilus intestinalis) weit verbreitet.

Alle bekannten Dasselfliegenarten sind Säugetierparasiten, insbesondere bei Paarhufern und Unpaarhufern. Nur sehr wenige Arten befallen Nagetiere und Hasenartige. Am Känguruh und am Afrikanischen Elefanten wurde bisher je eine Art gefunden.

Meist treffen sich die geschlechtsreifen Tiere über erhöhten Plätzen zur Gipfelbalz mit anschließender Paarung.

Die mitteleuropäischen Dasselfliegenarten werden vier Unterfamilien zugeordnet:

  • Rachendasseln (Cephenemyiinae)
    Gattung Cephenmyia bei Hirschen; besonders beim Reh
    Pharyngomyia picta bei Hirschen; besonders beim Elch
  • Nasendasseln (Oestrinae)
  • Schafbremse (Oestrus ovis) bei Schafen
    Rhinoestrus purpureus bei Pferden und beim Esel
  • Hautdasseln (Hypodermatinae)
    Gattung Oestromyia bei Nagetieren
    Gattung Hypoderma bei Huftieren und beim Menschen
    Crivellia silenus bei Hausziegen; selten beim Schaf und Mufflon
  • Magendasseln (Gasterophilinae)
    Gattung Gasterophilus bei Pferden

Wichtigste Kennzeichen:

  • Dasselfliegen sind meist mittelgroß und meist pelzig behaart
  • Die geschlechtsreifen Tiere haben weitgehend zurückgebildete Mundwerkzeuge und können deshalb keine Nahrung aufnehmen.
  • Sie sind gute Flieger. Besonders die Weibchen der Nasendasseln und der Rachendasseln müssen beim „Abschuss“ der Eier bzw. Larven extrem schnell reagieren und manövrieren, da sie diese im Flug in die Nasenlöcher der Wirte einschießen.

Geschichte:

  • Der Befall nur einzelner Säugetiergruppen durch Dasselfliegen lässt den Schluss zu, dass die Evolution der Dasselfliegen relativ spät einsetzte. Wahrscheinlich spalteten sie sich erst nach der Ausbildung der einzelnen Säugetierordnungen und -familien von schmeißfliegenähnlichen Vorfahren ab.
  • Die Dasselfliegen besitzen eine hohe Wirtsspezifität und charakteristische morphologische Eigenschaften, die einmal durch die beschleunigte Evolution, wie sie alle hochentwickelten Insekten besitzen, erklärt werden kann, zum anderen in der Anpassung der Tiere an ihre Wirte begründet ist.

Rachendasseln:      

  • Die besonders an Reh-, Rot-, Sika-, Elch-, Stein- und Muffelwild und Rentieren parasitierenden Cephenemyia– und Pharyngomyia-Arten kommen nur in den nördlich Breiten vor. Da sie sich vorwiegend im Rachenraum ihrer Wirtstiere entwickeln, werden sie Rachendasseln oder auch Rachenbremsen genannt.
  • In den Vormittagsstunden sonniger Sommertage kann man gelegentlich die etwa 1,2 bis 1,5 cm langen, plumpen, stark behaarten erwachsenen Fliegen bei ihrem Paarungsflug schwärmend beobachten. Die höchstens zwei bis drei Wochen lebenden Weibchen sind lebendgebärend. In den Blindsäcken des Genitaltraktes befinden sich bis zu 500 Junglarven, die von dem Weibchen während des Fluges in die Nasenöffnungen der Wirtstiere gespritzt werden. Die zum Teil heftigen Abwehrbewegungen der Wirtstiere sind meist erfolglos.
  • Die nur 1 mm langen Larven wandern in die Nasenhöhlen und leben bis zum März des folgenden Jahres auf der Schleimhaut der Riechmuscheln, ohne bedeutend an Größe zuzunehmen. Die zunächst weißen Larven verfärben sich über gelb zu hellbraun.
  • Gelangen sie mit dem Luftstrom in die Lunge, was gelegentlich geschieht, so kommt es zumeist zu größeren Schädigungen und Sekundärinfektionen.
  • Den eigentlichen Schaden rufen jedoch die in der Rachenhöhle und am Zungengrund parasitierenden Larven des zweiten und dritten Stadiums, die eine Länge von 2,5 bis 4 cm erreichen können, hervor. Die verursachten Atem- und Schluckbeschwerden, in deren Folge verminderte Wachstumsfähigkeit, Absinken des Körpergewichtes und erhöhte Anfälligkeit gegen Infektionskrankheiten zu beobachten sind. Ein „schlechtes“ Gehörn oder Geweih ist oft ein Anzeichen von Rachendasselbefall.
  • Die verpuppungsreifen, nunmehr dunkelbraunen und ziemlich unbeweglichen Larven werden ausgeniest oder ausgehustet. Sie bohren sich in den Boden ein, und nach einer Puppenruhe von drei bis sechs Wochen schlüpfen die erwachsenen Fliegen. Die Fliegen sind unmittelbar nach dem Schlupf geschlechtsreif.
  • Die befallenen Wirtstiere fallen erst im Frühjahr bzw. Frühsommer durch Husten, Niesen, Schnarchlaute und Hauptschütteln auf. Infolge der Atem- und Schluckbeschwerden haben die Wirtstiere eine gestörte Nahrungsaufnahme und kümmern, verfärben später, haben oft deutlich weniger Wildbret als gesunde Stücke und sind oft anfällig gegen andere Krankheiten. Werden junge oder schon geschwächte Stücke massenhaft befallen, kommt es bisweilen auch zu Todesfällen durch ersticken, selten auch durch Erschöpfung. Todesfälle können auch durch Einatmen der Larven in die Lunge mit nachfolgender Lungenentzündung verursacht werden. Die Krankheitserscheinungen sind vom Grad des Befalls abhängig und stellen in manchen Revieren ein großes Problem dar.
  • Muffelwild zeigt gelegentlich Erscheinungen wie bei der „Drehkrankheit“ infolge Befalls mit dem Gehirnblasenwurm Coenurus cerebralis(Finne vom Quesen-Bandwurm Taenia multiceps).
  • Kranke Tiere sollten geschossen werden. Die Larven müssen durch Überbrühen oder verbrennen getötet werden.
  • Eine medikamentöse Behandlung ist möglich, jedoch bei Wild äußerst schwierig und darüber hinaus auch in einigen Bundesländern verboten.
  • Das Wildbret ist nach Entfernung der Parasiten genusstauglich.
  • Rachendasselfliegen sind weit verbreitet und relativ häufig. In vielen Revieren sind mehr als 50 Prozent des Rehwildes durch die Art Cephenemyia stimulator

Nasendasselfliegen:

  • Die Larven der Nasendasselfliegen (= Nasendasseln, = Nasenbremsen) leben in den Nasen- und Stirnhöhlen von Paar- und Unpaarhufern. Eine Ausnahme macht lediglich die australische Tracheomyia macropi, die in der Luftröhre verschiedener Känguruharten lebt.
  • Die häufigste Nasendasselfliege ist Oestrus ovis. Sie kam ursprünglich nur in den paläarktischen Breiten vor, hat sich aber inzwischen, zusammen mit ihrem Wirt, dem Schaf, über die ganze Erde verbreitet.
  • Die 10 bis 12 mm großen Fliegen haben eine grauweiße bis schwarze Fleckung auf gelblichbraunem bis dunklem Untergrund.
  • Ihre Flugzeit hängt sehr stark von den jeweiligen klimatischen Verhältnissen ab und liegt in Europa hauptsächlich im Spätsommer.
  • Die trächtigen Weibchen setzen die Larven in einem Flüssigkeitstropfen in der Nähe der Nasenöffnungen oder an den Augenschleimhäuten der Schafe und des Muffelwildes ab. Dabei ist häufig zu beobachten, dass die Wirtstiere durch Schütteln der Häupter oder deren Verbergen zwischen den Vorderläufen und festes Andrücken an den Boden der Eiablage zu entgehen versuchen.
  • Mit dem Heranwachsen der Larven sind im folgenden Frühjahr zumeist katarrhähnliche Erscheinungen sowie Niesen und eitriger Ausfluss verbunden. Dringen Larven in das Gehirn, führt dieses fast immer zu zentralnervösen Störungen (Falsche Drehkrankheit) und dann innerhalb weniger Tage zum Tod.
  • Die verpuppungsreifen Larven sind etwa 3 cm lang und werden ausgeniest oder ausgehustet.
  • In Ausnahmefällen können auch Menschen von Oestrus ovisbefallen werden. Die anfänglich starken Kopfschmerzen, verbunden mit Schlaflosigkeit, klingen nach einigen Tagen oder Wochen ab, da die Larven außerhalb ihrer Hauptwirte (Schafartige) nicht zu einer vollständigen Entwicklung fähig sind.
  • Ein weiterer Parasit ist Rhinoestrus purpureus, der Pferde und Esel befällt. Gelegentlich schießen die Fliegen die Larven auch Menschen in die Augen. Eine Entwicklung der Larven findet hier jedoch nicht statt, sondern es kommt zu starken Entzündungen

Hautdasseln:

  • Allen Hautdasselarten gemeinsam ist die Entwicklung der Larven in sogenannten Dasselbeulen unter der Haut der Wirtstiere. Die Lebensweise der Larven innerhalb der einzelnen Gattungen ist jedoch sehr unterschiedlich. Bei allen Arten, die in Nagetieren parasitieren, entfällt beispielsweise die Wanderung der Larven innerhalb des Körpers der Wirtstiere. Sie dringen an der Eiablagestelle in den Körper ein, wachsen in unmittelbarer Nähe der Einbohrstelle heran und verlassen meist nach einem Monat am gleichen Ort den Wirt.
  • Komplizierter ist die Entwicklung der an Paar- und Unpaarhufern parasitierenden Hautdasselfliegen.
  • Vier Arten sind von Bedeutung:
  • Rehdasselfliege (Hypoderma diana)
  • Hirschdasselfliege (Hypoderma acteon)
  • Rinderdasselfliege (Hypoderma bovis)
  • Kleine Rinderdasselfliege (Hypoderma lineatum)
    • Die genannten Arten kommen bei Hirschartigen und Rindern vor, selten bei Stein-, Gams- und Muffelwild.
    • Die Hypoderma-Arten sind etwa 10 bis 12 mm lang, grauschwarz, pelzig behaart und haben gelbbraune Beine. An heißen und sonnigen Tagen in der Zeit von Mai bis August fliegen die sehr zudringlichen Weibchen mit ausgestülpter Legeröhre die Wirtstiere an, um in Sekundenschnelle ihre Eier abzulegen. Dieses geschieht bevorzugt an Hinterläufen, Flanken und Unterbauch. Am unteren Ende des Eies befinden sich Lamellen, die im trockenen Zustand ringförmig den Haarschaft umgeben und somit fest im Fell des Wirtstieres anhaften. Der Flugton der Weibchen versetzt die Wirtstiere in einen Erregungszustand. In panischer Angst ergreifen sie dann oft die Flucht. Der Aufenthalt im Schatten, in der Nähe von Wasserstellen oder im Wasser vermag sie teilweise vor den legereifen Weibchen der Hautdasselfliegen zu schützen, da diese schattige und feuchte Standorte meiden.
    • Nach drei bis sechs Tagen schlüpfen aus den Eiern 0,5 mm große Larven, die sich nach wenigen Stunden, durch die Haut bohren und in den Körper eindringen. Im Laufe von sieben Monaten wandern sie entlang der peripheren Nervenbahnen bis zum Unterhautbindegewebe in der Rückenregion. Das Wirtstier wehrt sich gegen die unter der Haut liegenden Larven durch Bildung einer bindegewebigen Kapsel, die bis taubeneigroß werden kann. Hier wachsen die Larven in den folgenden drei Monaten zu einer Länge von 2,5 bis 3 cm und einer Dicke von ca. 1 cm heran.
  • Die reifen Larven verlassen von April bis August in den frühen Morgenstunden durch den Hautkanal ihren Wirt, fallen zu Boden und bohren sich dort in die obersten Erdschichten ein. Die letzte, dunkel pigmentierte Larvenhaut erstarrt zu einem schwarzbraunen Puparium, aus dem nach etwa 30 bis 40 Tagen die geschlechtsreifen Fliegen schlüpfen.
  • Schon eine Stunde nach der Begattung beginnen die Weibchen mit der Eiablage. Ein Weibchen kann 500 bis 600 Eier ablegen.
  • Wenngleich die Kleine Rinderdasselfliege (Hypoderma lineatum) in der Körpergestalt der Rinderdasselfliege sehr ähnlich ist, so bestehen in der Biologie doch erhebliche Abweichungen. Die Wirtstiere werden von ihr nicht direkt angeflogen, sondern sie erreichen sie über nur kurze Flugstrecken und die letzten Meter sogar nur laufend. Dadurch können sie völlig unbemerkt das Wirtstier erreichen um dann bis zu 20 Eier an einem einzigen Haar zu befestigen.
  • Nur selten bohren sich die geschlüpften Larven durch die Haut. Überwiegend werden sie vom Wirtstier abgeleckt und gelangen so in die Muskulatur der Speiseröhrenwand. Hier verbleiben sie sieben Monate. Danach wandern sie über das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskulatur in den Rückenbereich wo sie ebenfalls Dasselbeulen verursachen.
  • In den Rentierzuchten der nördlichen Gebiete Europas, Asiens und Nordamerika verursacht die Hautdasselfliege Oedemagena tarandierhebliche Schäden.
  • Geringer Befall durch Hautdasselfliegen ist bedeutungslos. Bei geschwächten, jungen oder auch überalten Stücken kommt es manchmal zu einem Massenbefall. Dieser beeinträchtigt das Allgemeinbefinden, und durch das Scheuern (Juckreiz) kommt es zu Haarabschürfungen. Diese Stücke krümmen häufig ihren Rücken, und gelegentlich kommen auch Todesfälle vor. Wild, das Dasselbeulen erkennen lässt, sollte geschossen werden. Die an der Decke haftenden Larven sollten durch Verbrennen oder Überbrühen vernichtet werden.
  • Das Wildbret ist nach Entfernung der Larven und des umliegenden Wildbrets genusstauglich.

Magendasseln:

  • Magendasselfliegen geben im Flug einen markanten Brummton von sich wodurch ihre potentiellen Wirte bereits stark verstört und Fluchtinstinkte ausgelöst werden.
  • Ihre Lebenszeit beträgt ein bis sieben Tage.
  • Die begatteten Weibchen legen die Eier in das Fell ihrer Opfer und verkleben sie dort. Je nach Art werden unterschiedliche Körperbereich bevorzugt.
  • Die Larven schlüpfen nach etwa einer Woche. Wandern dann in die Mundhöhle ihres Wirtes und setzen sich unter dem Kehldeckel fest, wo ihre Blutmahlzeit beginnt. Im Verlauf ihrer Entwicklung wandern sie dann in den Magen und zum Darm.
  • Verpuppungsreife Larven verlassen ihren Wirt über den After und verpuppen sich im Boden.
  • Sehr selten kommen Magendasseln auch bei Hunden und Menschen vor. Da sie sich bei diesen Wirten unter der Haut entlangfressen, werden sie als „Hautmaulwürfe“ bezeichnet. Ein Abschluss der Entwicklung findet bei diesen Fehlwirten nicht statt. Die Larven gehen im zweiten Larvenstadium zugrunde.