Der ideale Wildacker für Feld und Wald
Von Wildmeister Günter Claussen
In ein gepflegtes Revier gehören Wildäcker. Sie dienen dazu, dem Wild mehr natürliche Äsung zu bieten, die in allen von moderner Land- und Forstwirtschaft beherrschten Revieren immer knapper wird; außerdem lassen sich Wildschäden vermindern. Der Zweck eines Wildackers kommt allerdings erst dann zur Geltung, wenn er mit Pflanzen bestellt wird, die Äsung sowie auch Deckung über einen langen Zeitraum, möglichst während der ganzen Zeit der Vegetationsruhe, zur Verfügung stehen.
Diese Ertragsfähigkeit und eine hohe anziehende Wirkung auf alle Wildarten erfüllt der nachfolgend beschriebene Standardwildacker, der, von staunassen Flächen abgesehen, auf allen Böden bis zu einer Höhe von 600 Metern angelegt werden kann. Benötigt wird für eine Revierfläche von 100 Hektar ein bearbeitungsfähiges Stück Ackerland in der Größe von einem Morgen (2500 qm), das nach Möglichkeit im Einstandsgebiet der vorkommenden Wildarten, egal ob im Feld oder Wald, liegen sollte.
Diese Fläche, die zunächst gepflügt, abgeeggt und mit Grunddünger Thomaskali und gegebenenfalls Kalk abgedüngt wird, teilen wir in vier gleichgroße Teile. Die Bestellung erfolgt je nach Temperatur und Feuchtigkeit im April/Mai. Auf Teil l kommt Topinambur der Sorte Bianka, die nach Art der Kartoffel gepflanzt wird. Teil II wird breitwürfig eingesät mit Westfälischem Furchenkohl oder Blattstammkohl. Wurde das Pflanzgut im Saatbeet herangezogen, so können die Kohlpflanzen im Juni in Reihen gepflanzt werden. Auf Teil III kommt Mais, der entweder breitwürfig ausgesät und eingeeggt oder mittels eines in der Landwirtschaft üblichen Einzelkornsägerätes in den Boden gebracht wird. In gut besetzten Schwarzwildrevieren, wo die Maisfläche oftmals schon wenige Tage nach der im August/September beginnenden Reife von den Sauen zerstört wird empfiehlt es sich, auf diesen Teil des Wildackers Zucker- oder Runkelrüben auszusäen, deren Wert als Äsungspflanzen vielfach unterschätzt wird. Teil IV des Wildackers dient ais Sommeräsungsfläche und wird mit einem Gemisch aus 15 kg/ha Rotklee und 20 kg/ha Buchweizen breitwürtig eingesät und anschließend leicht abgeeggt.
Nach dem Auflaufen der Pflanzen werden die Teile l bis III mit 2 dt/ha Kalkammonsalpeter abgedüngt. Bei Teil IV verzichten wir auf diese Düngung, denn Klee als Leguminosenpflanze verträgt keinen zusätzlichen Stickstoff.
Der so angelegte Wildacker bietet dem Wild Äsung und Deckung vom Frühsommer über den Herbst und Winter bis ins Frühjahr hinein.
Zunächst ist es der Buchweizen, der ab Juni Äsung spendet. Es folgen Klee und Laub der
schnell hochwachsenden Topinamburpflanzen.
Ab September locken die reifenden Maiskolben das Schalen- und Flugwild an, und nach dem ersten stärkeren Frost im Spätherbst findet das Wild Geschmack am eiweißreichen Kohl.
Ist schließlIch im Spätwinter alles abgeäst, stehen immer noch die in großer Menge in der Erde sitzenden Topinamburknollen zur Verfügung, die gegebenenfalls herausgepflügt oder -gegrubbert werden müssen. Doch auch danach gibt es keinen Leerlauf, denn bereits im März/April sprießt schon wieder der Klee, der bekanntlich zweijährig ist.
So erspart uns der Acker im zweiten Jahr Arbeit. denn neben der Kleefläche ist auch die Neubestellung des mehrjährigen Topinamburs überflüssig. Andererseits bringt die Methode, mehrere Pflanzen als Monokulturen nebeneinander anzubauen, den Vorteil mit, daß die so notwendige Fruchtfolge eingehalten werden kann. Wo im ersten Jahr Kohl war, wird in dem darauffolgenden Frühjahr Mais eingesät und umgekehrt. Im dritten Jahr kommt auf Teil IV, wo zwei Jahre lang Klee war, Kohl hin, der dort natürlich hervorragend gedeiht, denn der Klee hat ausreichenden Stickstoff im Boden angesammelt.