Der Königsweih

Von Ernst-Otto Pieper

 

Roter Milan; Foto: E.-O. Pieper

 „Wie im Reich der Lüfte König ist der Weih, durch Gebirg` und Klüfte herrscht der Schütze frei….“ Lautet die zweite Strophe des bekannten Liedes „Mit dem Pfeil, dem Bogen…“ von Friedrich Schiller. Mit diesen Zeilen ist der „Königsweih“, der Rotmilan, Milvus milvus, gemeint. Und in der Tat, der leichte Segelflug dieses Vogels ist ein bemerkenswertes Bild in der Landschaft und eine Zierde der Gegenden, in welcher er brütet. Bis in die 1920er Jahre gehörte er in Deutschland zu den eher seltenen Vogelarten und erst in den 1950er Jahren wurde er wieder häufiger und besiedelte auch wieder Lebensräume, in denen er zuvor durch eifriges Nachstellen ausgerottet wurde.

An dieser Stelle soll einiges zur Historie über diesen Vogel Platz finden, denn in früheren Zeiten boten ihm die Umstände in einer anderen Umwelt als heute oft Chancen einer für jetzige Verhältnisse unmöglichen Dichte.

Etwa um 1500, in den Tagen Heinrichs des VIII. (28.06.1491 bis 28.01.1547), sagt Thomas Pennant (1726 bis 1798), „schwärmten über der britischen Hauptstadt viele Milane umher, welche von den verschiedenen Auswurfstoffen lebten und so furchtlos waren, dass sie ihre Beute inmitten des größten Getümmels aufhoben. Es war verboten, sie zu töten.“ Im Verein mit Raben haben sie in den Straßen Londons die Rolle einer Art Gesundheitspolizei gespielt wie der „Alimosch“, der Schmutzgeier heute noch im Orient. Die Milane waren damals so vertraut, dass sie Kindern das Butterbrot aus der Hand fraßen und sich mit Hunden und Katzen um die Abfälle stritten. Noch im 17. Jahrhundert gab es zahlreiche Milane im Süden der britischen Insel, doch dann ließ eine starke Verfolgung die Art zusammenschmelzen, und heute leben nur noch wenige Brutpaare in Wales.

Damals brüteten die Milane auch im Stadtbereich Londons – wie z.B. heute die Schmarotzermilane in Kairo oder Neu-Dehli. Bei Baummangel wurden häufig auch Gebäude für den Horstbau genutzt.

Als teilweiser Abfallverwerter, wie das Londoner Beispiel zeigt, kann der Rotmilan in Volieren zeitweise von Milch und Brötchen leben und sich dabei wohl befinden. Sie gehören aber auch zu den „Selbstversorgern“ und greifen Kleinnager und unachtsame Stare oder Sperlinge, indem sie aus dem flachen Überflug nach unten schwenken und ihre Beute dabei überrumpeln.