Der Vilm

Von Ernst-Otto Pieper

Wer die Insel Rügen besuchen will um die herrliche Natur zu bewundern, der sollte nicht versäumen, einen Abstecher auf den Vilm (altslawisch „Ulme“) zu machen.
Diese kleine Insel im Schatten ihrer großen Schwester Rügen, war schon immer ein besonderer Ort, ob zu Zeiten der slawischen Rügenfürsten, als Lebensort für mittelalterliche Mönche, als Kindheitsort des Wilhelm Malte Fürsten zu Putbus, ob als Naturschutzgebiet oder Gästeheim für Staatfunktionäre der DDR.
Die Unzugänglichkeit der Insel hat uns über Jahrhunderte hinweg eine einzigartige und ursprüngliche Natur hinterlassen.

Geografie

Vilm ist eine Insel im Rügischen Bodden, rund 2 Kilometer südöstlich von Lauterbach auf Rügen. Sie hat eine Größe von 0,94 km² und eine Länge von 2,5 km. Der nordöstliche Teil der Insel mit einer höchsten Erhebung von 37,7 m wird „Großer Vilm“, und der südwestliche Teil mit nur bis zu 21 m Höhe wird „Kleiner Vilm“ genannt. Diese beiden Inselkerne sind durch den „Mittel-Vilm“ eine schmale, nehrungsartige Strandwallbildung mit eingeschlossenem Moränenkern, miteinander verbunden. Nahezu alle Küstenformen der südlichen Ostsee kommen auf dieser kleinen Insel vor. Aktive Kliffs sowie junge Haken und Sandriffe zeigen, dass die Küstenausgleichsprozesse – Abtragung einerseits und Anspülung andererseits – hier bis heute als aktuelles Geschehen in Aktion sind.

Geschichte

Vor rund 3000 Jahren wurde Vilm von der Insel Rügen getrennt. Es gibt Hinweise, dass Vilm zu dieser Zeit bereits besiedelt war. Für die Slawen war Vilm ein heiliger Ort.
1249 wurde die Insel erstmals urkundlich erwähnt und ist im Besitz des Hauses zu Putbus. 
1336 lebten drei Einsiedler aus dem Rügischen Fürstenhaus auf der Insel. Sie hatten hier einen Hof und eine Kapelle errichtet.
Am 22. September 1494 wurde der Altar einer neu erbauten Kapelle geweiht.
Bis Anfang des 16. Jahrhunderts nutzte man den Inselwald zur Holzgewinnung, 1527 fand jedoch der letzte große Holzeinschlag statt und seit 1812 wurde die Holznutzung gänzlich eingestellt.
1886 wurde ein Logierhaus errichtet, da der Badetourismus aus Putbus auf Rügen inzwischen sehr rege war. 
Durch die große Besucherzahl ist die Natur auf der Insel stark beschädigt worden weshalb man sie am 2. Dezember 1936 nach den Vorschriften des 1935 erlassenen Reichsnaturschutzgesetzes unter Naturschutz stellte. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Insel wieder einen verstärkten Besucherverkehr. Wochentags besuchten bis zu 400 Personen die Insel und am Wochenende waren es sogar über 1000 Personen.
1959 wurde Vilm für die öffentliche Nutzung gesperrt und als Urlaubsdomizil für den Ministerrat der DDR genutzt. Aus dieser Zeit stammen die heute noch vorhandenen 11 Gebäude im Stil einer Fischersiedlung.
Ab 1990 wurde Vilm beschränkt wieder für die Öffentlichkeit zugelassen: täglich dürfen bis zu 30 Personen unter autorisierter Führung die Insel betreten.
Seit dem 6. Oktober 1990 gibt es auf Vilm die Internationale Naturschutzakademie, die Tagungen und Seminare auf der Insel durchführt. Sie arbeitet seit 1991 als Außenstelle des Bundesamtes für Naturschutz.
Seit Herbst 1990 gehört Vilm zum Biosphärenreservat Südost-Rügen.
Vilm ist gleichzeitig Europäisches Vogelschutzgebiet und FFH-Gebiet nach EU-Recht.

 Flora und Fauna

Insel Vilm Foto: E.-O. Pieper

Der Dresdner Arzt und Maler Carl Gustav Carus (1789 – 1869) schwärmte nach einem Besuch auf der Insel Vilm von diesem „kleinen Eilande“. „Ungestört und ehrwürdig“ seien hier „Eichen und Buchen zu ungewöhnlichem Umfange aufgewachsen“.

Damals war die Insel noch von Bauern bewirtschaftet worden und diente der Versorgung der Rügen-Urlauber. Aber schon in der Vorzeit wurde der Natur besondere Rücksicht erteilt, so hat sich die Natur in einer Unberührtheit wie nur an wenigen Orten in Deutschland entwickeln können. Der Wald aus sehr alten und stattliche Eichen und Buchen gehört zu den eindrucksvollsten Waldbildern ganz Norddeutschlands.

Auf dem Vilm findet ein Prozess der Umformung vom Hutewald zum Naturwald statt. Oft können zwei Schichten beobachtet werden, eine obere, die überwiegend aus urwüchsigen Eichen und Buchen besteht und eine untere, die von Hainbuchen und Bergahorn gebildet wird.

Die Insel ist Standort von über 500, oftmals seltener Farn- und Blütenpflanzen wie z.B. Leberblümchen, Lerchensporn, Bärlauch, Schwalbenwurz, Steinbrechgewächse, Natternzungengewächse, Stranddreizack und Milchkraut.

Der 4. Geo-Tag (8. Juni 2002) der Artenvielfalt, den die Zeitschrift GEO gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz auf der Insel Vilm durchführte und an der sich rund 100 Experten beteiligten, brachte erstaunliche Ergebnisse. Alleine auf dem Vilm wurden 1312 Tier- und Pflanzenarten; so wurden alleine 49 Arten der Alt- und Totholzkäfer gefunden.

„Die Insel Vilm ist eine Perle unter den deutschen Schutzgebieten. Wir haben für einen Tag das Naturschatzkästchen „Insel Vilm“ geöffnet und damit gezeigt, wie wichtig konsequenter Naturschutz ist. Der Schutz der biologischen Vielfalt ist jedoch nur im gesellschaftlichen Konsens möglich. Das bedeutet, Naturschutz kann nur erfolgreich sein, wenn er im öffentlichen Bewusstsein präsent und als positiver Begriff besetzt ist“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Naturschutz, Prof. Dr. Hartmut Vogtmann.

Kunst

Die inspirative Kraft der Insel-Natur wird in der Malerei am deutlichsten: in den vergangenen 200 Jahren wurde Vilm von über 350 Malern nahezu aller Phasen und Strömungen deutscher Landschaftsmalerei seit Caspar David Friedrich aufgesucht. Deshalb nannte man die Insel in dieser Zeit auch „Malerinsel“.
Von Caspar David Friedrich stammen die Inselmotive „Blick zur Insel Vilm“ (1809) und „Landschaft mit Regenbogen“ (1810).
Friedrich Preller schuf um 1840 das Aquarell „Insel Vilm“.
Von Carl Gustav Carus stammt das Ölgemälde „Erinnerung an eine bewaldete Ostseeinsel“.

Exkursion auf der Insel

Die Naturschutzakademie des BfN Foto: E.-O. Pieper

Wie schon erwähnt, ist heute ein Teil der Insel für den öffentlichen Besucherverkehr wieder zugänglich. Auf der Grundlage der Schutzverordnung für das Biosphärenreservat Südost-Rügen bietet die Stadt Putbus im Auftrage des Landes Mecklenburg-Vorpommern Führungen an.
Wer eine solche Führung mitmachen möchte, muss sich einigen grundsätzlichen Regeln unterwerfen. Der Besuch der Insel ist in der Zeit von März bis Oktober täglich für maximal 30 Personen gestattet. Wegen der begrenzten Teilnehmerzahl ist eine Voranmeldung (Telefon: 038301-61896) zur Exkursion notwendig. 
Informationen über Führungen usw. finden sie im Internet. Die Führung führt streckenweise durch wegloses Gelände und für den etwa drei Kilometer langen Fußmarsch sind 2,5 Stunden einzuplanen. Zu beachten ist, dass das eigenmächtige Betreten der Insel und die Mitnahme von Tieren strengstens verboten ist.

Ab Hafen Lauterbach geht die Fahrt mit MS „Julchen“ zur Insel Vilm. Die Exkursion führt auf einem Wanderweg einmal um den „Großen Vilm“. Es gilt strengster Naturschutz, d.h. einzig der Rundweg darf betreten werden. Durch diese strengen Reglementierungen hofft man, die einzigartige Natur für viele Generationen erhalten zu können. Ein illegales Betreten oder Anlanden auf der Insel dürfte einige Konsequenzen haben (der südliche Teil der Insel darf von Menschen grundsätzlich nicht betreten werden).
Der sehr sachkundige Führer beginnt mit der Exkursion am Anleger der Insel Vilm. Vorbei geht es an der einzigen bebauten Stelle, den Häusern der Naturschutzakademie mit seiner Solaranlage. Wenn nicht gerade eine Tagung oder ein Seminar stattfindet, ist diese Siedlung unbewohnt. 

An der ostwärtigen Küste des Großen Vilm Foto: E.-O. Pieper

Schon nach wenigen hundert Metern steht man an der Steilküste, von der von Zeit zu Zeit Brocken aus Geschiebemergel abbrechen und samt Bewuchs ins Meer rutschen. In dem völlig unberührten Teil der Insel schlängelt sich der Weg durch einen Urwald. Da muss man auch schon mal über alte Baumriesen klettern, die hier vor Jahren zu Boden gingen. Bizarr geformte, mächtige Buchen und Eichen säumen den Weg. Nähert man sich der nördlichen Spitze der Insel, so wird der Wald lichter und urplötzlich steht man vor dem sichelförmig nach Osten gekrümmten Großen Haken. Hier werden die Auswirkungen der am Meeresboden ablaufenden Umlagerungsprozesse auch oberhalb des Meeresspiegels sichtbar: Abtragung und Anspülung von Sand bewirken eine ständige Umbildung des vegetationsfreien Hakens. Hier ist ein beliebter Vogelrastplatz. Vorbei an einigen Wildbirnen und niedrigen Gehölzen ist man bald wieder im Altholz.
Tief beeindruckt verabschieden sich die Besucher von der Insel und überlassen die Natur wieder sich selbst.