Von Andrea Dahlhaus
Der Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus)gehört zur Ordnung der Schwalmvögel und zur Familie der Nachtschwalben. Deren besondere Merkmale sind eine fast ausschließliche Dämmerungs- und Nachtaktivität. Sie sind in der Lage mit ihrem tiefgespaltenen und breiten Rachen, Insekten wie mit einem Kescher zu fangen. Ihre Augen sind dementsprechend groß und lichtempfindlich und liegen seitlich am Kopf.
Etwas unheimlich sieht er schon aus, der kleine, gut getarnte Vogel. Seinen Namen hat der Ziegenmelker dem Naturkundler und römischen Gelehrten „Plinius dem Älteren“ zu verdanken. Dieser schrieb, dass der Vogel nachts den Ziegen die Milch aussaugen und sie dadurch vergiften würde. Höchstwahrscheinlich nahmen die Römer das an, weil der Vogel nachts in der Nähe des Viehs Insekten jagte.
Der Ziegenmelker ist etwa drosselgroß, der Kopf ist breit und flach, seine Augen tiefschwarz und schlitzförmig. Die großen Augen schließt er tagsüber, bis auf einen schmalen Spalt. Er ist ein schlanker und langflügeliger Vogel mit einer rindenfarbigen Gefiederzeichnung. Sein Gefieder tarnt ihn so gut, dass man ihn, am Boden sitzend, kaum erkennen kann. Er ruht tagsüber auch auf Baumstümpfen oder in Längsrichtung auf Ästen. Bei Störungen erstarrt er zunächst, fliegt dann nur kurz auf.
Der breite Schnabel kann weit geöffnet werden und ist von Borsten umgeben. Diese erleichtern ihm in der Dunkelheit seine Beute zu fassen. Die Männchen besitzen weiße Makel an den Handschwingen und den äußeren Schwanzfedern, die aber erst im Flug sichtbar werden.
Er fliegt während der Jagd lautlos mit Seitwärtswendungen und kurzen Rüttelphasen, sonst eher schaukelnd und langsam. Die Flugbewegung des Ziegenmelkers erinnert an einen Schmetterling, trotzdem bewegt er sich sehr zielstrebig mit anspruchsvollen Flugmanövern. Seine Beute ist hauptsächlich Nachtfalter, Junikäfer oder andere fliegende Insekten.
Er jagt an Orten mit großem Insektenreichtum, z. B. Ufergehölzen, Waldrändern oder auch an Straßen, wo Insekten durch Lichtquellen angelockt werden. Auf Grund seiner guten Tarnung entgeht er vielen Fressfeinden, wie Käuzchen oder Eulen. Sein Gelege ist aber am stärksten durch Fuchs, Marder, Dachs oder Schwarzwild gefährdet. Man bekommt den Ziegenmelker selten zu sehen, er nutzt gern in der Dämmerung freistehende Einzelbäume, um von dort seinen schnurrenden, langanhaltenden Balzgesang vorzutragen. Dieser kann eine Stunde anhalten und wechselt in Tonhöhe und Lautstärke.
Dauerhaftes, regelmäßiges Rufen und Balzflüge lassen auf ein besetztes Brutrevier schließen. Zwischen Ende Mai und Juli werden meistens 2 Eier gelegt, die Brut dauert ca. 16 – 21 Tage. Gelegentlich kommt es zu Schachtelbruten. Der Ziegenmelker geht eine Saisonehe ein und ist ein Bodenbrüter. Das Nest wird vegetationsfrei und weitgehend im Schatten angelegt. So sind Fressfeinde besser zu erkennen und die Jungen können schneller die Flucht ergreifen.
Zur Kotabgabe entfernen sich die Vögel rückwärts vom Nestzentrum und halten dadurch den engeren Nestbereich sauber. Der Ziegenmelker ist ein Langstreckenzieher und überwintert im tropischen Afrika, sein Bestand ist starken jährlichen Schwankungen unterworfen. Er bevorzugt warm-trockene, offene Landschaften. Am liebsten Moore und Heiden, aber auch Kiefernwälder mit großer Freifläche, also Sandböden, die die tagsüber gespeicherte Wärme nachts an die unteren Luftschichten abgeben.
Leider steht der Ziegenmelker in Deutschland auf der roten Liste.
Die Bestände der Fluginsektenjäger gingen in weiten Teilen Europas seit ca. 50 Jahren stark zurück. Die verstärkte Verwendung von Pestiziden in den Brut-, und Überwinterungsgebieten, sowie die Habitatzerstörung sind dafür hauptsächlich verantwortlich.
Wichtige Maßnahmen zum Erhalt des Ziegenmelkers sind:
- frühzeitiges Auslichten von Sandheide-Kiefernwäldern,
- Aufforstungsstop in Binnendünengebieten,
- Zurückdrängung der Verbuschung in Sandheiden,
- Erhalt von freistehenden Einzelbäumen an offenen Biotopstellen als Singwarten,
- Schutz der Brutreviere vor ausufernder touristischer Nutzung, Wegegebote und Anleinpflicht für Hunde und
- Einstellung der Bejagung in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten.
Die “Üfter Mark“, ein Gebiet im Naturpark Hohe Mark-Westmünsterland, ist noch Heimat dieses seltenen Vogels. Sie ist Teil eines geschlossenen Waldgebietes und weist Reste bodensaurer Eichenwälder, sowie trockene Calluna-Heiden und Sandmagerrasen Fragmente auf. Die Üfter Mark gehört zu den FFH-Arten und Vogelschutzgebieten Natura 2000 in NRW. Sie wurde nach EU-weit einheitlichen Standards ausgewählt und unter Schutz gestellt. Schön, dass dieses, relativ kleine Gebiet für viele seltene Pflanzen- und Tierarten, wie z. B. Schwarzspecht, Heidelerche und Ziegenmelker einen Lebensraum bietet. Ich hoffe, dass ich diesen interessanten, dämmerungs- und nachtaktiven Flugjäger einmal selbst hören oder beobachten kann.