Des alten Rammlers vierte Treibjagd

Des alten Rammlers vierte Treibjagd

schon uralt und immer wieder überarbeitet.

Von Ernst-Otto Pieper

 

Der Herbst ist da, die Nebel steigen,

verlassen liegt das kahle Feld.

Nur Krähenschrei durchbricht das Schweigen,

dahin die sommerliche Welt.

 

In Scheunen ruht der Ernte Fülle,

wohl dem, der sich noch nähren kann.

Gevatter Fuchs schnürt durch die Stille

und warnend gockert der Fasan.

 

Man hört sie schon Begrüßung blasen,

landauf, landab und weit und breit,

und lüsternd schnuppern Hundenasen;

es ist der Jäger hohe Zeit.

 

Auch Meister Lampe ist zuwider

das abgeräumte Feldrevier,

am Ackerrain drückt er sich nieder,

noch liegt er gut und sicher hier.

 

Er weiß, bald werden Flinten knallen,

es wird so sein wie jedes Jahr.

Und dabei gilt es ihm vor allem,

sein Kopf und Balg sind in Gefahr.

 

Er kennt auch schon die Jagdsignale,

der alte Treibjagd-Veteran.

Manch Jäger hört sie nur im Saale,

doch ihn geh` n sie persönlich an.

 

Und dann ganz früh, noch glänzen Sterne

am Himmel zwischen Traum und Tag,

vernimmt ein Horn er aus der Ferne,

das ist ihm wie Gewitterschlag.

 

Potz Blitz, er weiß, was sie bezwecken,

die hellen Töne rütteln auf;

es ist der Jäger Hohes wecken –

Auch Hasen fährt es in den Lauf.

Und er versammelt rasch die Masse

der Jugend von der eignen Flur.

Sie fahren gähnend aus der Sasse:

„Der Alte übertreibt doch nur.“

 

Denn er belehrt sie schon seit Wochen

mit der Erfahrung List und Schliff,

hat immer wieder durchgesprochen

die Hasenflucht mit Trick und Kniff.

 

„Wer hier nicht hört, der wird bald schmoren

in einer Pfanne, knusprig braun,

oder im Kühlschrank – steifgefroren

recht komisch aus dem Balge schaun.“

 

So mahnt er letztmals seine Mannen:

„Wer Haken schlägt, der hat’s geschafft,

es will doch keiner in die Pfannen;

erst drücken – und dann volle Kraft!

 

Ach je, ich hör es schon erklingen,

der Jäger Horn – und jedes mal

will es durch Lauf und Löffel dringen;

Aufbruch zur Jagd, ihr erst Signal.

Ein Jagdtag heut mit klarem Wetter,

der Boden fest, es rennt sich gut,

doch keine Nebelbank als Retter,

euch hilft nur Schnelligkeit und Mut.

 

Jetzt ab, und dann still liegen bleiben,

wenn wir im Kern des Kessels sind.

Hört ihr? Das Ganze – langsam treiben.

Das heißt, dass jetzt die Jagd beginnt.“

Und näher kommt die Treiberkette,

das Horn ermahnt sie; treibt voran!

Wenn Lärm die Kraft zum Töten hätte,

dann wären Hasen grauslich dran.

Den Jüngsten wird es bang und bänger,

mag sein, des Alten Rat ist gut,

doch wird der freie Raum jetzt enger;

flieht! – pocht ihr Herz und schreit ihr Blut.

 

Da fährt der Alte aus der Sasse,

denn dies Signal heißt – Treiber rein!

er sucht den Seinen eine Gasse,

rennt zu den Treibern, die so schrein.

Da flitzen sie, wie er geheißen,

als sei die Sasse Schleudersitz,

die Löffel ran und trommelnd reißen

die Läufe sie durch Knall und Blitz.

Sie schlagen Haken, Schrote zischen –

und los, dem Alten hinterher –

wobei die meisten auch entwischen,

doch alle schaffen es nicht mehr.

 

Der Rammler kannte ja den Rummel,

trotzdem lag doch ein Schuss recht dicht,

und von der Blume blieb ein Stummel

doch damit rammelt er ja nicht.

 

Durch ist er, und auch andre kommen –

Hubertus Dank, die Häsin lebt,

hat einen Treiber angenommen,

der immer noch vor Schrecken bebt.

 

Für heuer ist die Schlacht geschlagen,

von ferne hört man – Hahn In Ruh,

und bald darauf ruft man den Wagen;

die beiden Alten schauen zu.

„Ein Jahr lang sind wir ohne Sorgen,“

freut sich die alte Häsin dann,

„Ach Mann, wir fangen gleich schon morgen

in aller Früh mit Rammeln an,“

 

Was mag da hinten vor sich gehen?

Die Jäger ruft man, Hunde auch,

will die versprengten Treiber sehen

Die Strecke legt man, wie es Brauch.

So mancher rannte in` s Verderben;

Das Jagdhorn bläst ihm letzte Ehr‘.

Das ist es! Nicht wie Vieh zu sterben,

macht Freien ihren Tod nicht schwer.

 

„Ein seltsam Volk sind diese Jäger,“

sinniert des Rammlers kluge Frau;

„ein Tag im Jahr, sonst sind sie Heger,

dann aber auf uns mit Radau.“

 

Der Rammler lauscht der Totsignale,

gedenket derer die erlegt.

Sogar dem Fuchs gilt dies Finale,

das hat ihn immer sehr bewegt.

 

Der Fuchs, der jagt doch nicht nur heute,

der streift doch täglich durch‘ s Revier.

Ach Jäger, wie wär eure Beute,

läg, was er reißt, auch noch mit hier.

 

„Horch Alte, man bläst uns zu ehren –

wir schmecken gut, was jeder weiß,

auch loben sie wohl dein Gebären

 

und unser beider Rammelfleiß.“

So lang sie auch die Räuber jagen,

sei einmal Treiben gern verziehn.

Das gleiche auch die andern sagen,

Fasanen, Schnepfen und Kanin

Doch jetzt lass uns zum Dorfrand hoppeln

sie blasen schon das Halali,

hier fehlt uns Äsung, fehlen Stoppeln,

wir wollen schlemmen heut wie sie.

„Hinein in eines Jägers Garten.

Wo Grün- und Weißkohl auf uns warten,

Zum Essen, ist ihr letzt Signal.

schallt es herüber aus dem Saal.“

Und dort, im Saale, wird erzählt,

wer, wo und wann das Wild gefehlt,

im Treibensack manch Has entschwand,

man nur ein Blumenspitzchen fand.

Der Obertreiber lacht verschmitzt;

der mich gerempelt war gewitzt,

ich glaub es läuft auf unserer Flur

manch` Hase rum mit Abitur.

Quark, sagt ein junges Jägerlein,

was ihr erzählt ist doch Latein!