Eichhörnchen

Sciurus vulgaris LINNAEUS, 1758

von Ernst-Otto Pieper

Eichhörnchen im Starenkasten; Foto: E.-O. Pieper

Ordnung:           Nagetiere (Rodentia)
Unterordnung: Hörnchenverwandte (Sciuromorpha)
Familie:              Hörnchen (Sciuridae)
Unterfamilie:    Baum- und Gleithörnchen (Sciurinae)

Auch:                 Eichkatze, Eichkätzchen, Eichkatzl, Immenaffe, Tannenaffe, Eicher, Eichhorn, Katteker (niederdeutsch)

Kennzeichen:

  • Eichhörnchen gehören zu den klügsten Nagetieren
  • Sie bewegen sich lebhaft und schnell
  • Sehr gewandte Kletterer
  • Die Rute ist sehr buschig und zweizeilig; sie wird zum Steuern und Ausbalancieren benutzt; bei der Paarung dient sie als optisches Signal
  • Die Hinterläufe sind deutlich größer und kräftiger als die Vorderläufe (guter Springer)
  • Fußsohlen nackt
  • Alle Finger sind als Greifzehen entwickelt (an den Hinterläufen 5, an den Vorderläufen 4)
  • Stammabwärts klettert es immer mit dem Kopf nach unten
  • Auf der Erde hüpft es stets schnell in großen oder kleinen Sprüngen
  • Es geht ungern ins Wasser, kann aber ausgezeichnet schwimmen
  • Eine eindeutige Geschlechtsbestimmung ist nur aus unmittelbarer Nähe anhand des Abstandes zwischen Genitalöffnung und After möglich; bei Männchen lassen sich über den größten Teil des Jahres deutlich die Hoden erkennen

Fell:

  • Färbung: rotbraun bis dunkelbraun, in manchen Gebieten kommen fast schwarze vor (in einem Wurf können mehrere Farbschläge vorkommen); die Unterseite ist bei allen Farbvarianten fast weiß
  • Schwarzes Fell ist länger und dichter als rotes und bietet vermutlich eine bessere thermische Isolation
  • Im Frühjahr beginnt der Haarwechsel am Kopf und schließt im Laufe von 6 Wochen nacheinander Rücke, Körperseiten, Extremitäten und Bauchseite und schließlich Rute und Ohrbüschel mit ein. Der herbstliche Fellwechsel beginnt an der Rutenwurzel und verläuft in Richtung Kopf. Die Ohrbüschel wachsen von Herbst bis Januar; dann dünnen sie aus und fehlen im Sommerfell erwachsener Tiere
  • In Russland werden Eichhörnchen zum Zweck der Pelzgewinnung bejagt. Solche Pelze werden als Feh, Blacktail, Sobalsky, Talentka oder Teleutka bezeichnet (für einen Pelzmantel sind ca. 110 Felle notwendig)

Größe:

  • Kopf-Rumpf-Länge: 20 – 34 cm
  • Rutenlänge: 20 cm
  • Gewicht: 280 bis 480 g

Natürliches Vorkommen:

  • Fast alle Waldgebiete Eurasiens
  • Bis 2000 m Höhe
  • In Südengland wurde es inzwischen vom ausgewilderten nordamerikanischen Grauhörnchen nahezu verdrängt

Zähne:                         

  • Die Unterkieferhälften sind beweglich miteinander verbunden, wodurch die unteren Schneidezähne stark gespreizt werden können
  • Mit ca. 41 Tagen sind die oberen und unteren Schneidezähne durchgebrochen
  • Oberkiefer:  1 0 2 3 x 2
    Unterkiefer: 1 0 1 3 x 2    = 22 Zähne im Dauergebiss

Sinne:

  • Gehör-, Geruchs- und Gesichtssinn sind stark ausgeprägt
  • Eichhörnchen orientieren sich überwiegend optisch
  • Knistern oder Knacken sind Schlüsselreize für eine sofortige Flucht
  • Vibrissen für eine tastende Wahrnehmung gibt es in größerer Zahl in einem Vibrissenfeld rechts und links der Schnauze; in geringerer Zahl auch über und unter den Augen sowie in der Kinnregion, am Ellenbogengelenk, an den Unterarmen, an der Rutenbasis und am Bauch

Duftdrüsen:

  • An der seitlichen Kinnregion auf jeder Kopfseite ein Drüsenpaket
  • In allen Fußballen Drüsen
  • An der Sohle der Hinterläufe befinden sich stark vergrößerte Talgdrüsen
  • In den Baumkronen werden „Pässe“ angelegt, die mit Hilfe von Duftmarken gekennzeichnet sind (nicht endgültig geklärt)

Lautäußerungen:

  • Schrecklaut: ein lautes „duck, duck“
  • Bei Wohlbehagen ein „Murksen“
  • Bei besonderer Freude oder Erregung pfeift es
  • Zur Verständigung der Jungen zur Mutter dienen Quieklaute unterschiedlichster Lautstärke, wenn sie sich aus den Augen verlieren

Lebensraum:

  • Sein Lebensraum sind lichte Nadel- und Laubwälder, Parks, und Stadtgärten mit reichem Baumbestand (alte Mischbaumbestände werden bevorzugt)
  • Der Aktionsraum ist sehr stark vom Nahrungsangebot abhängig und schwankt zwischen 1,7 ha bis 27 ha für Weibchen und 1,9 ha bis 88 ha für Männchen

Lebensweise:

  • Einzelgänger; mehrere Tiere zusammen nur in der Paarungszeit oder an reichen Futterplätzen
  • tagaktiv
  • Baut ein mit Haaren, Gras, Laub und Moos ausgepolstertes Kugelnest (Kobel) weit oben in den obersten Ästen eines Baumes (Kobel werden von Baummardern gerne als Unterschlupf genutzt); die 1 bis 2 Ein-/Ausgänge zeigen meist nach unten und sind schwer erkennbar. Das Tier verschließt diese, wenn es im Kobel ist
  • Es werden 3 bis 5 Nebennester (Schattenkobel) gebaut
  • Bisweilen werden auch Nisthilfen oder Baumhöhlen angenommen
  • Bei Einbruch der Dunkelheit zieht es sich in den Kobel zurück und schläft zusammengerollt bis Ende der Dunkelheit
  • Da sie häufig von Ektoparasiten befallen werde, putzen sie sich häufig; auch Staub- und Grasbäder sind beliebt
  • Kein Winterschlaf (nur längere Schlaf- bzw. Ruhepausen)
  • Eichhörnchen können sehr zutraulich werden

Ernährung:

  • Allesfresser
  • Baumsamen und -früchte, Pilzen, Vogeleier, Jungvögel und sonstige Kleintiere
  • Die Hauptnahrungssuche liegt in den frühen Morgen- und Abendstunden
  • Vom Nahrungsangebot ist die Populationsdichte abhängig
  • Da es keinen Winterschlaf hält, betreibt es Vorratswirtschaft, indem es in Spalten und Löchern hohler Bäume und Baumwurzeln oder in einem seiner Kobel Nüsse, Körner, Eicheln, Bucheckern usw. versteckt. Es handelt sich um eine typische Instinkthandlung, wobei immer wieder derselbe Handlungsablauf (freischarren – ablegen – stupsen – Erde raufscharren – Erde festdrücken) durchgeführt wird
  • Da viele Vorratslager nicht wiedergefunden werden, dienen Eichhörnchen der natürlichen Waldverjüngung
  • Nahrungsbedarf pro Tag: 80 – 100 g
  • Anders als andere Hörnchen benötigt das Eichhörnchen Wasser zur Flüssigkeitszufuhr
  • Natürliche Feinde: Baummarder, Haus- und Wildkatzen, Wiesel, Luchs,
  • Habicht, Uhu und Rabenkrähen

Fortpflanzung:

  • Paarungen sind ab Ende Dezember / Anfang Januar, letzte Würfe bis etwa Ende August zu beobachten
  • Junge Eichhörnchen können noch vor dem ersten Lebensjahr geschlechtsreif werden
  • Ob ein Weibchen eine Östrus bekommt, wird stark von seiner Körpermasse bestimmt; dieses muss mindestens 300 g betragen
  • Männchen riechen ein östrisches Weibchen schon ab ca. 1,5 km Entfernung
  • Bei den Paarungsjagden wird – anders als oft dargestellt – das Weibchen nicht von den Männchen gejagt. Vielmehr bestimmt das Weibchen den Verlauf des Geschehens; bleibt sie zur Nahrungsaufnahme sitzen, so warten auch die Männchen; bleiben die Männchen zurück, wartet das Weibchen
  • Die Männchen tragen in dieser Zeit bisweilen heftige Kämpfe aus
  • Das Weibchen bestimmt hauptsächlich, welches Männchen nach 4 bis 10 Tagen Werbung zum Zuge kommt. Paarungen mit mehreren Männchen sind möglich
  • Tragzeit: 38 Tage
  • Noch vor der Geburt der Jungen werden die Männchen vom Nest vertrieben
  • 1 bis 2 Würfe pro Jahr in einem Wurfkobel; jüngere Weibchen meist nur einmal
  • Pro Wurf 2 bis 5 Junge (in Ausnahmefällen bis 8)
  • Aufzucht der Jungen ausschließlich von der Mutter
  • Weibchen haben 8 Zitzen
  • Die Jungen wiegen bei der Geburt ca. 10 g
  • Die Jungen werden nackt und blind geboren; nach ca. 8 Tagen erster Haarflaum, am 19. Tag sind sie voll behaart; am 32. Tag öffnen sie die Augen
  • Bei Gefahr reagieren die Mütter sehr schnell und tragen die Jungen in ein Ausweichnest, dabei werden die Jungen nicht im Nacken sondern an der Bauchfalte gepackt
  • Ab 42. Tag verlassen die Jungen gelegentlich den Kobel
  • Ab ca. 50. Tag werden die Jungen von ihrer Mutter auch geführt, wobei sie ihr Nahrungsbrocken abnehmen und dadurch fressbare Dinge kennen lernen
  • Mit ca. 180 g Körpergewicht verlassen die Jungen den Nestbereich
  • Gegen Ende der Säugezeit können die Weibchen schon wieder befruchtet werden
  • Nur ca. 20% der Jungtiere überleben das erste Jahr

Alter:

  • In freier Wildbahn 6 bis 7 Jahre, in Gefangenschaft bis 12 Jahre

Fährte:

  • Beim Laufen wird der Fuß mit der ganzen Sohle aufgesetzt

Namensherkunft:

  • Der wissenschaftliche Gattungsname Sciurus verbindet die beiden griechischen Worte „skia“ und „oura“, die so viel bedeuten wie „Schatten“ und „Schwanz“
  • Der deutsche Name Eichhörnchen ist die Verkleinerungsbildung zu Eichhorn (aus dem althochdeutschen „aig“, was so viel wie „sich schnell bewegen“ bedeutet)

Parasiten und Krankheiten:

  • Eichhörnchen werden sehr stark vom Hörnchenfloh Monopsyllus sciurorum befallen (springt zwar auf den Menschen über, sticht ihn aber nicht)
  • gelegentlich Zeckenbefall
  • Milben- und Läusebefall ist sehr selten
  • Häufigste Krankheit bei Eichhörnchen ist Kokzidiose (einzelliger Darmparasit Eimeria sciurorum)

Besonderheiten:

  • Eichhörnchen stehen nach der BArtSchV unter besonderem Schutz