Esche

Fraxinus exelsior L.

Von Ernst-Otto Pieper

 

Gemeine Esche, Foto: E.-O. Pieper

Ordnung:    Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie:      Ölbaumgewächse (Oleaceae)

Die Gattung Fraxinus umfasst 70 Arten.

Sommergrüne Bäume oder Sträucher vor allem in Ostasien und Nordamerika. In Europa sind 4 Arten heimisch, davon 2 Arten in Mitteleuropa.

Auch:          Hohe Esche, Gewöhnliche Esche.

 

Kennzeichen:

  • Sommergrüner Baum.
  • Mit 40 m Wuchshöhe zählt sie zu den höchsten Laubbäumen Europas.
  • Ausgeprägtes Längenwachstum bis zum 50. Lebensjahr. Längenwachstum mit 100 Jahren meist abgeschlossen; das Dickenwachstum hingegen geht weiter.
  • Die Stämme können bis zu 15 m astfrei sein.
  • Ovale bis kugelförmige Krone.
  • Rinde bis etwa 30. Lebensjahr glatt und grünlichgrau; im Alter längsrissig und auf dunkelgrau bis schwarzbraun umfärbend.
  • Junge Zweige abgeflacht und gerieft.
  • Korkwarzen deutlich sichtbar.
  • Winterknospen bis 6 mm groß, rund, auffällig schwarzbraun.
  • Laubblätter gegenständig, unpaarig gefiedert, mit 4 – 6 Fiederpaaren, 20 – 40 cm lang. Fiederblättchen sitzend, nur die Endfieder lang gestielt, lanzettlich, 5 – 12 cm lang, 1,5 – 4,5 cm breit, oberseits kahl, unterseits an den stärkeren Nerven wollig rotbraun behaart oder verkahlend.
  • Freistehende Eschen werden mit 20 bis 30 Jahren mannbar, in Gruppen stehende nach 30 bis 35 Jahren.
  • Blüten unscheinbar, zwittrig, weiblich oder männlich in seitenständigen Rispen. Weibliche Blüten mit einer 2-lappigen Narbe und 2 sterilen spatelförmigen Staubbeuteln, in dichten Büscheln, weniger zahlreich als männliche Blüten, erst rötlich dann hellgrün; männliche Blüten mit 2 purpurroten Staubbeuteln, in dicht-kugeligen Büscheln. Bei den Blüten fehlen die Kelch- und Kronblätter. Die Staubbeutel öffnen sich erst 2 – 4 Tage nach der Ausreifung der Narben.
  • Meistens sind die Bäume zweihäusig.

    Borke der Esche; Foto: E.-O. Pieper
  • Trotz ihrer Windblütigkeit wird die Esche von Bienen besucht, die den Pollen sammeln.
  • Eschen blühen und fruchten erstmals zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr.
  • Blütezeit: Mai; blühen vor dem Laubaustrieb.
  • Nussfrüchte 1,9 – 3,5 cm lang, 4 – 6 mm breit, schmal länglich, geflügelt, braun.
  • Fruchtreife: September / Oktober.
  • Die Früchte werden von Oktober bis November reif und fallen während des ganzen Winters ab. Mitunter verbleiben sie bis zum Herbst des folgenden Jahres am Baum.
  • Fruchtbildung zumeist im zweijährigen Rhythmus.
  • Die Flügelnüsse gehören zu den sogenannten Drehschraubenfliegern: Im freien Fall drehen sie sich um ihre Längsachse und gleichzeitig noch in einer schraubenförmigen Flugbahn.
  • Das Holz ist wertvoll und lässt sich gut bearbeiten. Als Furnier findet es Verwendung beim Bau von Schlafzimmer- und Küchenmöbeln. Dank seiner großen Elastizität wird es auch für Sportgeräte, Fruchtpressen, Jalousien, Leitersprossen und Axtstielen verwendet. Früher für Speere, Lanzen, Jagdspieße und Bögen.
  • Das Kernholz ist ringporig, sehr tragfähig, mit geradfaseriger Struktur und im gedämpften Zustand gut biegbar.
  • Das Raumgewicht des luftgetrockneten Schnittholzes beträgt 700 – 800 kg/Kubikmeter. Die Trocknung vollzieht sich im Allgemeinen gut. Erfolgt die Trocknung auf technischem Wege, empfiehlt es sich, den Trocknungsvorgang nicht zu schnell durchzuführen, da sonst Risse entstehen können.
  • Senkerwurzelsystem mit kräftigen, nahe der Oberfläche verlaufenden Seitenwurzeln.

    Knospen der Esche; Foto: E.-O. Pieper

Geschichte:

  • Der Name Fraxinus findet sich bei Plinius; der Artname excelsior bedeutet höher, herausragend.
  • Aus dem althochdeutschen „asc“ wurde unser heutiges Esche.
  • Die Fütterung von Ziegen und Schafen scheint in einigen Ländern (Schweiz) sehr alt zu sein. Nach der germanischen Mythologie soll bereits die Ziege Fleidrun am Weltenbaum – der Weltesche Yggdrasil – geweidet haben.
  • In der älteren Edda (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts) wird von der Weltenesche Yggdrasil berichtet, deren Wurzeln in den Abgründen der Unterwelt verankert sind und von den Quellen der Weisheit und des Schicksals gespeist werden, deren Stamm die Erde trägt und deren Krone das Himmelsgewölbe stützt. Mythische Tiere bewohnen den Baum und erfüllen bestimmte Funktionen, die das Leben der Welt erhalten. Über die Brücke des Regenbogens kommen täglich die Götter, um in seinem Schatten Gericht zu halten.
  • Nach „Die Jüngere Edda“ schufen ODIN und seine Brüder WILI und WE die ersten beiden Menschen aus zwei Bäumen; den Mann aus Ask (Esche), die Frau aus Embla (Ulme oder Erle). ODIN hauchte den ersten Menschen Leben und Geist ein, WILI gab ihnen Verstand und Bewegung, während WE ihnen Antlitz, Sprache, Gehör und Gesicht schenkte. Die ersten Menschen hießen bei den Germanen Ask (= Esche), auch Askr und Embla (= Ulme).
  • Bei vielen slawischen Völkern ist der Glaube verbreitet, dass die Schlangen den sich immer wieder ändernden Schatten der Eschen fürchten. Ein Wanderer kann sich deshalb getrost unter dem Blätterdach einer Esche ausstrecken.
  • Zahlreiche Ortschaften tragen in ihrem Namen das Wort „Esche“. Als Beispiele: Aeschi, Aeschiried, Aeschlen, Esch, Eschach, Eschau, Eschbach, Eschborn, Eschbronn, Eschdorf, Esche, Escheburg, Eschede, Eschefeld, Eschelbronn, Eschenbach, Eschenbergen, Eschenburg, Eschenlohe, Eschenz, Eschershausen, Eschfeld, Eschikon, Eschl, Eschlkam, Escholzmatt, Eschwege, Eschweiler.

Natürliches Vorkommen:

  • Kann bereits in der Kreidezeit und im Tertiär auf der nördlichen Halbkugel nachgewiesen werden.
  • Mittel- und Osteuropa bis zur Wolga, Südskandinavien, Britische Inseln, Frankreich, Nordspanien, Balkan, Nordanatolien, Kaukasus bis Nordiran. In Mitteleuropa vor allem im westlichen und südlichen Teil.
  • In den Mittelgebirgen bis 700 m; im Schwarzwald bis 1230 m; in den Alpen bis 1400 m Höhe. Im Pulstertal (Tirol) werden noch auf 1700 m Eschen kultiviert.
  • Nur selten reine Bestände bildendes Gehölz in Auen-, Laubmisch- und Schluchtwäldern, an Bächen und Flüssen, steinigen Hängen, vor allem in feuchten Klimalagen.
  • Im Ahorn-Ulmen-Eschenwald kann sie bis zu 50% des Baumbestandes ausmachen. Diese Art Wälder kommt aber selten vor.
  • Aufgrund der späten Belaubung ist die Krautschicht meist sehr üppig.

Standort:

  • Auf lockeren, nährstoff- und basenreichen bis mäßig sauren, feuchten, bisweilen nur flachgründigen humosen Ton- und Lehmböden.
  • Besiedelt sowohl feuchte als auch zeitweise trockene Böden.

Hinweise für den Anbau:

  • Alter: bis 200 Jahre. Bei günstigen Umweltbedingungen können bis 300 Jahre erreicht werden.
  • Stammstärke: bis 80 cm, selten über 1 m.
  • Für ihr Wachstum wenig förderlich sind völlig trockene Hänge mit dünner Bodenkrume und mangelndem Grundwasser.
  • Das Lichtbedürfnis des Baumes ist sehr groß und entspricht ungefähr demjenigen der Eiche.
  • In Forstkulturen wird der Baum sehr oft in engerem Schlusse gezogen, um ein möglichst großes Höhenwachstum zu erzielen.
  • Unter natürlichen Bedingungen sind die Samen keimgehemmt und ruhen etwa zwei Winter, bevor sie austreiben.
  • Vermehrung: Samen während des Winters stratifizieren, d.h. Saatgut zum Vorkeimen in Töpfe, Kisten oder Tonnen einschichten; oder 2 – 3 Monate im Kühlschrank kühlen, bevor sie ausgesät werden.

Krankheiten:

  • Seit Beginn der 1990er Jahren wird die Esche durch ein zuerst in Polen auftretendes und inzwischen in weiten Teilen Europas verbreitetes Eschensterben bedroht, das von der neuen Schlauchpilzart Chalara fraxinea(2006) verursacht wird.
  • Nicht selten kommt der sogenannte Eschenkrebs vor (einerseits auf den Befall durch Bakterien, andererseits auf Pilzbefall zurückzuführen).
  • Eschen werden häufig von der Milbe Aceria fraxinivorabefallen, wodurch es zur Bildung von Gallen kommt. Die missgestalteten Blütenstände verholzen und bleiben im Winter am Baum. Oft sind nur einzelne Bäume befallen, so dass stark gallenbehangene Bäume unmittelbar neben reich fruchtenden stehen können.
  • Verschiedene Insektenarten (z.B. Bunter Eschenbastkäfer, Zwieselmotte, Binsenschmuckzikade) können an der Esche Schäden verursachen.
  • Verbissschäden können durch Schalenwild, Wildkaninchen und Mäuse verursacht werden.

Inhaltsstoffe:

  • Flavonoide, Cumarine, Bitterstoffe, ätherisches Öl.
  • In der Rinde der Zweige ist der Zucker Mannit enthalten.

Heilpflanze:

  • In früheren Jahrhunderten galt das Eschenholz als gutes Heilmittel bei frischen Wunden.
  • Der Saft der Laubblätter galt als Schlangengegengift und das Destillat von jungen Sprossen sollte Ohrschmerzen und das Zittern der Hände zum Verschwinden bringen.
  • Neun Zweige der Esche bei sich tragend, die am Karfreitag geschnitten und zu Hause in ein Leinentuch gehüllt wurden, sollen, so der Volksglauben, die Gicht vertreiben.
  • Als leicht wassertreibender Tee bei Nierenerkrankungen, Wasseransammlungen sowie bei Rheuma: 1 Esslöffel Droge mit ¼ l kaltem Wasser ansetzen, zum Sieden erhitzen und 3 Minuten ziehen lassen. 3 Tassen täglich; bei Rheuma kurmäßig 2 Tassen täglich, aber über mindestens 14 Tage.

Berühmte Eschen:

  • Die mächtigste Esche mit einer Wuchshöhe von 40,5 m und einem Umfang von 5,25 m (2010 gemessen) steht im Bialowieza-Nationalpark (Polen). Ihr Alter beträgt 211 Jahre.