Fichte

Picea abies (L.)

Von Ernst-Otto Pieper

Fichte an der Försterei Üfter Mark, Schermbeck; Foto: E.-O. Pieper


Ordnung:    Koniferen (Coniferales)
Familie:      Kieferngewächse (Pinaceae)

Die Gattung Picea umfasst ca. 50 Arten.

Immergrüne, oft wirtschaftlich bedeutende Baumarten, zumeist in kühl-gemäßigten Zonen O-Asiens und N-Amerika.

Auch:          Gewöhnliche Fichte, Rotfichte, Rottanne

 

Kennzeichen:

  • Immergrüner Baum mit großer ökologischer Amplitude.
  • Wichtige, relativ anspruchslose und dennoch leistungsfähige Wirtschaftsholzart Eurasiens – „Brotbaum“ der Forstwirtschaft.
  • Einstämmig mit einer Wuchshöhe von 30 bis 50 Meter.
  • Baum regelmäßig kegelförmig mit mehr oder weniger spitzer Krone. Im Freistand bis zum Boden beastet.
  • Beastung sehr variabel.
  • Blattorgane nadelförmig, vierkantig, zugespitzt, 6 bis 8 Jahre am Baum bleibend und einem Stielchen entspringend, das nach dem Nadelfall am Zweig verbleibt und dem kahlen Zweig eine raue Oberfläche verleiht.
  • Weibliche Blüten aufrecht, ziemlich groß, leuchtend purpur, männliche Blüten geschlossen rot, beim Stauben gelb. Blüht April / Mai / Juni.
  • Windblütig mit Blüten vom „unbeweglichen Typ“.
  • Zapfen einjährig, hängend und als Ganzes abfallend. Ihre Länge schwankt mit der geographischen Herkunft, ebenso die Form der Zapfenschuppen.
  • Pollen mit zwei Luftsäcken (Heuschnupfenerreger).

    Die Fichte hat hängende Zapfen Foto: E.-O. Pieper
  • Samen beflügelt.
  • Alle 3 bis 4 Jahre findet eine besonders reiche Samenbildung statt.
  • Holz leicht und hell; viel genutzt als Bau- und Konstruktionsholz, für Masten und Papier.
  • Spezielle Verwendung des extrem engringigen Holzes als Resonanzholz.
  • Flachwurzelnde Halbschattbaumart mit geringen Wärme- und Nährstoffansprüchen.

Geschichte:

  • Die Existenz von Klimarassen wurde wiederholt nachgewiesen. Unter anderem entstanden sie aufgrund unterschiedlicher Rückwanderungswege aus eiszeitlichen Refugien.
  • Sie besiedelt etwa 26% der deutschen Waldfläche (häufigster Nadelbaum in deutschen Wäldern).
  • Der Fichte und besonders den Fichtenwäldern wurde allgemein eine düstere und mystische Bedeutung zugeschrieben, was speziell in Märchen zum Ausdruck kommt (Hänsel und Gretel, Das tapfere Schneiderlein).
  • In Bayern werden als Maibaum am 1. Mai traditionell Fichtenstämme verwendet (Symbol für Kraft, Fruchtbarkeit und Selbsterneuerung der Natur).
  • Im Christentum ist die Fichte ein traditioneller Weihnachtsbaum. Allerdings werden heute eher Tannen verwendet weil ihre Nadeln länger am Baum bleiben.
  • Bei den alten Römern sollen Fichten aufgrund ihrer starken Wuchskraft und der hohen Wuchsgeschwindigkeit ein Hoffnungs-Symbol bei Trauer und Tod gewesen sein. Aus diesem Grund wurden im alten Rom bei Todes- und Trauerfällen z.B. Fichtenzweige an die Haustür gehängt oder die Scheiterhaufen zur Totenverbrennung mit Fichtenholz und Fichtenzweigen ausgestattet.
  • In der griechischen Mythologie findet sich die Fichte als der Baum, mit dem der Straßenräuber Sinis in der Nähe der Stadt Korinth vorbeiziehende Wanderer getötet haben soll, indem er sie an zwei heruntergebogene Fichtenbäume band. Seine Opfer wurden dann von den hochschnellenden Fichten in der Luft zerrissen, bis der berühmte Held der griechischen Mythologie, Theseus, diesem Treiben ein Ende setzte und Sinis auf die gleiche Weise vernichtete wie dieser die Wanderer.
  • Im alten Griechenland soll die Fichte außerdem dem mystischen Meeresgott Poseidon geweiht gewesen sein, weil sie der bevorzugte Baum zum Bau von Schiffen war.

Natürliches Vorkommen:

  • Von Mittel-Europa weit ins kontinentale Asien bis nach Sachalin.
  • Fichten bilden die nördlichsten Wälder in Skandinavien und Sibirien.
  • Die Höhengrenze liegt bei 950 m im Harz, 1050 m im Fichtelgebirge, 1250 m im Bayerischen Wald, 1400 m im Schwarzwald und 1850 m in den Bayerischen Alpen.
  • Wegen hoher Masseleistungen wird die Gemeine Fichte auch außerhalb ihres natürlichen Areals angebaut.

Standort:

  • Das Optimum der Art liegt in niederschlagreichen Gebirgslagen (Alpenvorland, Bayer./Böhmischer Wald, Karpaten), wo sie 60 m Höhe erreicht, 1,5 m Stärke und ein Alter von 600 Jahren.
  • Sie gedeiht auf frischen bis nassen, basenreichen bis stark sauren (Optimum: pH 4 – 5), modrig-torfigen und alkalischen Böden, leistet aber auf frischen Lehmen am meisten.
  • Stark kalkarme Böden sollten nur in Verbindung mit anderen Holzarten bepflanzt werden.
  • Sie benötigt eine ausgeglichene, relativ hohe Bodenfeuchtigkeit und mindestens 40 mm Niederschlag pro Monat in der Vegetationsperiode.
  • Länger andauernde Hitze und Trockenperioden werden schlecht vertragen.
  • Die Gemeine Fichte geht mit zahlreichen Pilzen eine enge Lebensgemeinschaft ein.

Hinweise für den Anbau:

  • Fichten fördern sehr stark die Rohhumusbildung, dadurch Verschlechterung der Bodenqualität.
  • Jahreszuwachs in der Höhe 50 cm, in der Breite 15 cm.
  • Wurzel flach, weitstreichend und dicht verzweigt. Auf schweren, nassen Böden tellerförmig; auf gut durchlüfteten Böden unregelmäßig, oft tiefgehend, dann auch sturmsicher.
  • Standort: Sonnig bis halbschattig.
  • Umtriebszeit: 80 bis 100 Jahre.
  • Narben gleichzeitig blühender Obstbäume können durch Fichtenpollen „sterilisiert“ werden.
  • Von der Gemeinen Fichte sind mehr als 100 Gartenformen, meist mit stark abweichendem Wuchsverhalten (Zwerg-, Kugel-, Trauerformen) im Handel.
  • „Willst Du einen Wald vernichten, dann pflanze nichts als lauter Fichten.“

Gefährdung:

  • Windwurf, Rotfäule und Insektenkalamitäten (Nonne, Buchdrucker, Kupferstecher) gefährden die Ertragssicherheit.
  • Empfindlich gegen Spätfröste und gegen Luftschadstoffe.
  • Starke Stickstoffzufuhr durch Luftverschmutzung oder Massentierhaltung führt zu einer vermehrten Bildung des Pflanzenhormons Cytokinin. Dadurch beginnen ruhende Knospen unterhalb der Spitzenknospe auszutreiben. Dies führt zu einer stärkeren Verzweigung, so dass die Fichten eher in die Breite als in die Höhe wachsen.
  • Empfindlich gegen Schwefeldioxid („Saurer Regen“).

Inhaltsstoffe:

  • Die hellgrünen, jungen und noch dichten Triebspitzen der Gemeinen Fichte schmecken sauer und herb zugleich und eignen sich als säuerliche Ergänzung zu einem Karottengemüse ebenso wie für eine Frischkäse-Zubereitung oder als Beigabe zum Dessert.
  • Aus dem Saft synthetisierte Wilhelm Haarmann (1847 bis 1931) 1874 erstmals das Vanillin.

Heilpflanze:

  • Fichten werden wegen der Inhaltsstoffe der Harze, Nadeln und Zweige traditionell in der Volksmedizin (Hildegard von Bingen, Paracelsus) als Heilpflanze verwendet.
  • Wirkstoffe: Ätherisches Öl mit schleimlösenden, antibakteriellen und durchblutungsfördernden Eigenschaften.
  • Aus den Nadeln, Zweigspitzen oder frischen Trieben wird das Fichtennadelöl Piceae aetherolium gewonnen – es dient als Heildroge.
  • Franzbranntwein wie auch geruchsverbessernde Raumspray s mit „Tannenduft“ enthalten häufig Fichtennadelöl.
  • Ältere Kräuterbücher empfahlen das aus dem Harz gewonnene Terpentinöl als Einreibung und Pflaster gegen Rheuma und Gicht

Namensherkunft:

  • Der deutsche Name „Rottanne“ ist unglücklich gewählt, da es sich bei diesem Baum nicht um eine Tannenart handelt. In früheren Zeiten konnte man noch nicht zwischen Fichten und Tannen unterscheiden.
  • Für die Gemeine Fichte gab und gibt es zahlreiche, häufig nur regional gebräuchliche Volksnamen.
  • Rotfichte wegen ihrer rötlich-braunen Rinde.
  • Der Name Fichte kommt vom althochdeutschen Wort fiohta, mittelhochdeutsch viehte.
  • Der wissenschaftliche Name Picea abies leitet sich ab von pix für Pech und Harz sowie abios für stark und kräftig.

Berühmte Fichten:

  • 2008 wurde unter der Fichte Old Tjikko im Fulufjäll in der Prpvinz Dalarna in Schweden Wurzelholz gefunden, das auf ein Alter von 9.550 Jahre datiert wurde und genetisch identisch mit dem darüber wachsenden Baum ist.
  • Deutschlands höchste Fichte misst 59,30 m und steht im Kirnitzschtal in Hinterhermsdorf, Sachsen.