Friedrich der Große und die Spatzen

Von Ernst-Otto Pieper

Die Wochenzeitschrift „Die Natur“ gehört zu den deutschsprachigen Blättern, die als erste für den Schutz der Vogelwelt eintraten – eine Zeitung zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnis und Naturanschauung für den Leser aller Stände. Ihre Herausgeber waren die Naturwissenschaftler Emil Adolf Roßmäßler (3.3.1806-8.4.1867), Dr. Karl Johann August Müller (16.12.1818-9.2.1899) und Dr. Otto Eduard Vincenz Ule (22.1.1820-7.8.1876). In der Ausgabe vom 6. Januar 1854 steht ein Bericht, wie König Friedrich II. (24.1.1712-17.8.1786) versucht, mit preußischer Gründlichkeit die Avifauna von Staats wegen zu korrigieren:

Junger Feldsperling Foto: E.-O. Pieper

„Friedrich der Große liebte zum Nachtisch schönes Obst, besonders Kirschen. Da nun die Sperlinge bekanntlich denselben Appetit theilen, so erließ der König den Befehl, diese Thiere überall wegzufangen, todtzuschießen oder auf jegliche Weise zu vertilgen. Auf den Kopf eines getödteten Sperlings setzte er den Preis von 6 Pfennigen. Der Preis war annehmbar, und somit begann die allgemeine Jagd auf die Kirschenräuber. Sie kostete dem Staat in zwei Jahren viele Tausend Thaler, und die Kirschen des Königs hatten – Ruhe? Mitnichten. Bald gab es zwar keine Sperlinge mehr, aber auch ebensowenig Kirschen wie anderes Obst. Ja, die Bäume trugen nicht einmal mehr Laub, jedoch um so mehr Raupen. Da erst sah der König ein, dass der Spatz seinen süßen Nachtisch nicht umsonst gehabt, dass er mit ihm vielmehr seine Insektenspeise gewürzt hatte. Das war ihm in der That um so mehr zu gönnen, als andere Vögel diesen Apetit nicht in diesem großen Maße mit ihm getheilt hatten, dass sie seine Stelle hätten vertreten können. Überdies hatte die Gewinnsucht wohl auch diese weniger häufigen Sänger nicht verschont. Mit dem Widerrufe des Befehls war indessen das zweite Übel noch nicht verbessert. Um das nötige Gleichgewicht zwischen Vogel- und Insektenwelt wiederherzustellen, sah sich der König sogar genöthigt, die eben vertilgte Gattung wieder aus weiter Ferne herbeischaffen zu lassen, eine That, die um so nöthiger war, als, wie Gloger bemerkte, der Sperling zu den beständigsten Standvögeln gehört und nicht leicht seine Heimat wechselt. So hatte sich hier recht auffallend gezeigt, was des Menschen gewaltsamer Eingriff in den Haushalt der Schöpfung zu bedeuten habe.“

Als Quelle gibt der Autor ein Buch des Grafen Kasimir Wodzicki an, „welches sich mit Wärme über den Einfluss der Vögel auf die Feld- und Waldwirtschaft im allgemeine, wie insbesondere über die waldschädlichen Insekten verbreitet“.

Ob sich die Geschichte urkundlich belegen lässt, vermag ich nicht zu sagen. Möglicherweise hat sich der Ornithologe Graf Wodzicki diese nur ausgedacht; wenn ja, dann muss man ihm eins lassen: Er war ein guter Anekdotenschreiber.