Gelege retten

Von Wildmeister GÜNTER CLAUSSEN

 

Unzählige Gelege des Federwildes werden alljährlich bei der Heumahd ausgemäht  oder  nach Störungen durch Menschen oder Haustiere von den Hennen verlassen. Landwirte und Jäger stehen meist ratlos vor den verlassenen Gelegen, und statt die wertvollen Eier zu retten, überlässt man sie einfach ihrem Schicksal. Was kann der Jäger tun?

Wenn man bedenkt, daß heute Seeadler und Wanderfalken problemlos künstlich erbrütet und aufgezogen werden und Zuchtfasanen innerhalb der Fasanerien vermehrt werden, ist es eigentlich beschämend, dass man die wertvollen Gelege der Wildfasanen und Rebhühner so einfach umkommen laßt, zumal zu bedenken ist, dass das in diesen Eiern der Wildvögel ruhende Leben genetisch dem Lebensraum besser angepaßt ist als das von Zuchtvögeln. Es ist egal, ob man den aus einem ausgemähten Gelege erbrüteten Fasan für die Weitervermehrung in der Gefangenschaft benutzt oder ihn im Frühjahr des Folgejahres wieder aussetzt – sein Erbgut mit den für das Überleben in dem betreffenden Biotop behafteten Eigenschaften, lässt sich durch keinen Zuchtfasan ersetzen.

Allein um die betreffenden Fasanen dem Revier zu erhalten, lohnt es sich, die durch äußere Einwirkungen bedrohten Gelege zu retten.

Fasanengesperre im Wildacker (Foto: Günter Claussen)

Gelege, die bei der Heumahd freigemäht werden, egal ob angebrütet oder nicht, sind fast immer verloren. Sie werden entweder vom Elternvogel verlassen oder die brütende Henne und Eier fallen in den Folgetagen Fressfeinden zum Opfer. Selbst ein um den Brutplatz herum stehengelassenes Wiesenstück bringt keine Rettung, denn Fuchs, Dachs, Marder, Wiesel, Katze, Krähe und Elster suchen solche Deckungsinseln geradezu systematisch ab.

Verloren sind auch die meisten Gelege der zufällig und oft ungewollt durch Menschen, Hunde usw. aufgescheuchten Fasanenhennen. Vor allem in den ersten Tagen des Brütens ist der Bruttrieb noch nicht sehr stark ausgeprägt, so dass der betreffende Vogel nach empfindlichen Störungen selten zu seinem  Nistplatz zurückkehrt, sondern sich eigentlich sofort wieder darauf konzentriert, ein Zweitgelege anzulegen.

Treten Störungen dagegen in der zweiten Hälfte der Brutzeit oder gar erst kurz vor dem Schlüpfen auf, lassen die Vögel ihr Gelege nicht ohne weiteres im Stich.

Wie man sich bei zufällig nach Störungen entdeckten Gelegen verhält, entscheidet die Situation des Einzelfalles. Sofern der Brutplatz nicht zerstört und das brütende Wild auch nicht verletzt wurde, sollte man der Natur nach Möglichkeit freien Lauf lassen, zumal bewiesen ist, daß Wildgeflügel, das die Hälfte der Brutzeit ,,abgesessen“ hat, kaum noch ein Zweitgelege tätigt. Man sollte sich zunächst darauf beschränken, den Nistplatz nach drei bis vier Stunden aus sicherer Entfernung vorsichtig zu kontrollieren. Sitzt die brütende Henne bis dahin nicht wieder auf den Eiern, so gilt das Gelege in der Regel als verlassen.

Doch es gibt Ausnahmen, denen vor allem außergewöhnliche  Störungen  zugrunde liegen. So ist es z. B. durchaus realistisch, daß mit der Feldarbeit  beschäftigte  Menschen einen  Kiebitz oder Fasan manchmal acht Stunden oder länger daran hindern, das Gelege aufzusuchen. Der betreffende Vogel bricht auch nicht in Panik aus, denn er weiß instinktiv, dass die Eier keinen Schaden nehmen. Diese Erkenntnis ist für die Hilfsmaßnahmen natürlich sehr wichtig. Wir müssen wissen, dass das Auskühlen eines Geleges, selbst wenn es stark angebrütet ist,  nicht gleichzeitig das Absterben der Embryonen zur Folge hat. Das werdende Küken überlebt auch ohne  Brutwärme  zuweilen durchaus 48 Stunden und länger im erkalteten Ei. Und dieser Zeitraum reicht natürlich aus, um für ausgemähte oder verlassene Gelege einen entsprechenden  Brutwärme-Ersatz durch eine Hühnerglucke oder einen Platz in der Brutmaschine eines Geflügelzüchters oder Lohnbrüters zu finden.

 

Eiertransport

Wenn es beim Erbrüten ausgemähter Gelege immer wieder zu schlechten Schlupfergebnissen kommt, so ist das meist eine Folge unsachgemäßer Behandlung der Eier. Bruteier sind vor allem gegen Erschütterungen sehr empfindlich. Ein Stoß z.B. führt dazu, dass die im Eigelb sich zunächst bildenden winzigen Blutäderchen platzen, und somit wird das gerade beginnende Leben schon wieder ausgelöscht. So hat es Fälle gegeben, daß beim Knall eines die Schallmauer durchbrechenden Düsenjägers fast sämtliche Embryonen der in einer Brutmaschine eingelegten Eier abgetötet wurden.

Beim Retten ausgemähter oder verlassener Gelege ist es also außerordentlich wichtig, dass jegliche Erschütterungen vermieden werden. Bestens geeignet für den Transport angebrüteter Eier ist ein mit einer Schicht Getreidekörner (Weizen) gefüllter Eimer oder Karton. In das Getreide eingebettet können die Eier nicht mehr hin- und herrollen, so dass Stoß- oder Schalenbruch von vornherein ausgeschlossen sind. Im Notfall dient der Jägerhut als Transportmittel. Jeweils in ein Nest aus Gras eingerollt, sind die Eier eines Geleges im Filz sicher vor Erschütterungen.

 

Richtige Lagerung erhält die Fruchtbarkeit

Die weitere Behandlung eines Geleges hängt zwar auch vom Grad der Bebrütung ab, ebenso wichtig ist aber die Frage, ob die Eier überhaupt angebrütet sind. Schließlich können nicht angebrütete Eier über einen relativ langen Zeitraum gelagert werden. Man kann sich also ruhig etwas Zeit lassen. Steht der Schlupf dagegen schon in vier Tagen bevor, muss nicht nur schnellstens eine Ersatzmutter besorgt werden, sondern auch Aufzuchtkasten und Spezialfutter müssen bereitstehen.

Eier mit stumpfer Schale und nicht verwischten Schmutzflecken sind meist unbebrütet. Ist die Schale dagegen stark glänzend, so kann man eigentlich immer davon ausgehen, dass das Gelege bereits bebrütet wurde. Den endgültigen und sicheren Beweis liefert ein aufgeschlagenes Ei. Selbst wenn es nur drei Tage lang der Brutwärme der Henne ausgesetzt war, erkennt man an den feinen Blutäderchen sofort die Zeichen des beginnenden Lebens. Wenige Tage später sieht man schon das schlagende Herz, und spätestens nach zwei Brutwochen kommt aus dem Ei ein winziges Küken mit Kopf und Gliedmaßen zum Vorschein.

Statt eines der wertvollen Eier zu opfern, gibt es allerdings auch andere Möglichkeiten und Methoden, eine etwaige Bebrütung festzustellen. Hält man z. B. das Ei vor ein aus schwarzer Pappe zusammengerolltes Rohr gegen die Sonne, so weisen dunkle Schatten oder die bei hellen Eiern durchaus erkennbaren  Blutadern  auf leichte Bebrütung hin. Stark angebrütete Eier sind bis auf die deutlich sichtbare Luftblase am Eipol völlig undurchsichtig. Guten Aufschluss liefert auch das Wasserbad. In ein mit 40 0C warmem Wasser gefülltes Behältnis gelegt, gehen unbebrütete Eier unter, angebrütete dagegen schwimmen mit der Luftblase nach oben, und wenn die Küken schon kurz vor dem Schlüpfen sind, so machen die befruchteten Eier mehr oder weniger starke ruckartige Bewegungen im Wasser.

Bis man eine Hühnerglucke oder einen Brutapparat gefunden hat, sollten angebrütete Gelege  nach  Möglichkeit warm, unter Umständen bei schwacher Temperatur im Backofen oder im Bett auf einer Heizdecke gelagert werden. Beim Einsatz von Heizgeräten muss man die Temperatur allerdings kontrollieren. 37, 8 C darf sie niemals übersteigen!

Nicht angebrütete Eier werden dagegen kühl, am besten auf einem mit einer Schicht Weizen bedeckten Regal im Keller gelagert. Sie dürfen allerdings nicht wie Hühnereier in den entsprechenden Tabletts auf dem Kopf stehen, sondern müssen, wie in der Natur, flach liegen. Und wenn man das nachvollzieht, was die Henne beim täglichen Nachlegen eines Eies auch macht, nämlich die Eier jeden Tag einmal wendet, dann behalten Wildgeflügeleier mindestens vier Wochen lang ihre Fruchtbarkeit.

Große Fehler unterlaufen auch immer wieder mit den Eiern der in Volieren gehaltenen Fasanenstämme. In der Gefangenschaft brütet dieses Wild bekanntlich nur sehr selten. Die Eier werden auch nicht in eigens dafür gebaute Nester, sondern meist willkürlich abgelegt. Ungeschützt liegen sie oft tagelang in sengender Sonne, und man wundert sich später, wenn daraus keine Küken schlüpfen. Fasanenhennen legen ihr Ei in der Regel zwischen 11 und 15 Uhr. Um später gute Brutergebnisse zu erzielen, empfiehlt es sich vor allem an heißen Tagen, die Eier bereits am frühen Nachmittag einzusammeln.

 

Zwerghühner als Ammen

Am einfachsten und erfolgreichsten ist das Ausbrüten und die Aufzucht von Wildgeflügel mit der Hühnerglucke. Es ist natürlich am zweckmäßigsten, wenn sich der Jagdaufseher einen Stamm Zwerghühner hält. Eine sichere Bezugsquelle sind auch die überall etablierten Geflügelzuchtvereine.

Freigemähtes Fasanengelege (Foto: Ernst-Otto Pieper)

Als Brutplatz dient ein Brutkasten, der an schattiger Stelle im Garten steht. Die flach ausgestochene Nestmulde auf dem gewachsenen Boden wird mit einer knappen Handvoll Stroh ausgepolstert, und es werden zunächst zwei bis drei normale Hühnereier hineingegeben, auf denen die Glucke einen Tag zur Probe sitzt. Brütet die Glucke sicher, werden am nächsten Tag die Fasaneneier untergelegt. Je nach Rasse legt man Zwerghühnern 12 bis 15 und großen Haushühnern 20 bis 24 Eier unter.

Die Glucke wird fortan täglich einmal vom Nest genommen, damit sie sich lösen und Futter und Wasser aufnehmen kann.

 

Das geschieht morgens zwischen sechs bis acht Uhr. Sie wird vorsichtig von den Eiern abgehoben und mittels einer Schlinge an einem der Ständer an eine knapp zwei Meter lange Schnur gebunden und mit frischem Wasser und Futter (nur Hafer) versorgt. Eine flache Mulde, gefüllt mit Holzasche, dient zum Hudern. Nach einer halben Stunde wird die Glucke wieder losgebunden und auf das Gelege gesetzt. Sie bleibt jetzt 24 Stunden ununterbrochen auf den Eiern sitzen.

Sind die Küken spätestens nach 24 Tagen geschlüpft, bleiben sie noch einen Tag mit der Glucke im Brutkasten und kommen erst am nächsten Vormittag in den Aufzuchtkasten, der für Fasanen so geschaffen ist, daß die Küken durch die Latten des Tagschiebers nach draußen  gelangen  können, während die Glucke den Aufzuchtkasten  nicht verlassen kann und zukünftig die Küken durch ihren Lockruf an sich bindet. Fasanenküken werden normalerweise nur in den ersten vier Tagen durch ein Vorgitter aus feinem Maschendraht direkt am Aufzuchtkasten gehalten, damit sie sich an den Lockton der Hühnerglucke gewöhnen. Später laufen sie frei im Garten oder auf der Aufzuchtwiese, ohne sich zu verirren.

Ist der Garten dagegen zu klein oder durch Katzen und Raubwild  gefährdet,  dann wählt man für die Aufzucht der Fasanen eine 2 x 2 Meter große Aufzuchtbox, wie sie auch für Rebhühner und Stockenten ohnehin üblich ist. Es handelt sich um einen offenen Verschlag aus leichten Brettern, der oben zu einem Viertel mit Brettern regensicher gemacht wird und dessen verbleibender Teil mit einem Netz oder feinmaschigen Draht abgedeckt ist. Ab dem fünften Tag muss eine flache Kiste, gefüllt mit trockenem Sand und Holzasche, als lebenswichtiges Huderbad zur Verfügung stehen.

 

Kunstbrut

Wenn die Beschaffung einer Hühnerglucke scheitert, bleibt noch der Weg in den Brutapparat. Hier sollte man allerdings wissen, dass die als Flächenbrüter angebotenen sogenannten Kunstglucken nur für das Erbrüten bereits stark angebrüteter Gelege geeignet sind. Für rohe Eier kommen eigentlich nur Motorbrüter in Frage. Doch auch bei diesen Geräten müssen für das Erbrüten von Fasanen bestimmte Regeln eingehalten werden. Im Vergleich zu Haushühnern und Enten und entgegen einer weitläufig verbreiteten Meinung in Jägerkreisen dürfen Fasaneneier nicht zu feucht bebrütet werden. 55 % Luftfeuchtigkeit sollte der Hygrometer im Brutapparat anzeigen, wenn wir den Bedürfnissen der ehemals im trockenen Steppenklima heimischen Vögel optimal entgegenkommen wollen. Meist werden Wildgeflügeleier auch zu heiß bebrütet, was immer zu hohen Ausfällen, zumindest aber zu verkrüppelten Ständern führt. Die durchschnittliche Bruttemperatur sollte bei 37,7°C, maximal 37,8°C liegen.

 

Die Aufzucht mit Fertigfutter

Die Fütterung der Küken stellt nach den heutigen Erkenntnissen kein Problem dar. Allerdings ist das normale Kükenalleinfutter für die Fasanenaufzucht nicht geeignet. Es enthält zu wenig Eiweiß und begünstigt somit nicht nur das leidige Federfressen, sondern es führt auch zu großen Verlusten. Neben den verschiedenen speziellen Fasanenaufzuchtfuttern hat sich das sogenannte Putenstarter 1 besonders bewährt, das man über den Landhandel beziehen kann Dieses in Preßlingsform gelieferte Futter muss in den ersten drei Wochen zu Mehl zerstoßen werden – eine Arbeit, die sich besonders leicht mit einer elektrischen Kaffeemühle bewerkstelligen lässt. Das Fertigfutter wird am zweckmäßigsten in einfachen   Futterautomaten verabreicht. In solchen Behältnissen, die im Fachhandel angeboten werden, wird auch das Wasser zur Verfügung gestellt. Es genügt, wenn die Tiere morgens einmal ausreichend versorgt werden. Insofern ist diese Methode der Aufzucht von Wildgeflügel aus ausgemähten Gelegen auch für Berufstätige durchaus praktikabel.

Aufzuchtkästen müssen natürlich regelmäßig – anfangs alle drei Tage, wenn die Küken größer werden, täglich einmal – um die ganze Länge verschoben werden, damit absolute Sauberkeit gewährleistet bleibt. Nach sieben Wochen etwa sind die jungen Fasanen selbständig, und spätestens dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo sie den engen Käfig verlassen müssen, um entweder ins Revier gebracht zu werden oder bis zum nächsten Frühjahr in eine große Freivoliere zu wandern.