Grundlagen des Naturschutzes

Von GERD TERSLUISEN (Obmann für Naturschutz KJS Hubertus Recklinghausen e. V.)

Die Nahrungskette, Voraussetzung allen Lebens.

Die wichtigste „Erfindung“ innerhalb der Biosphäre, ist der Trick mit den Nahrungsketten. Mit ihm wird das Gleichgewicht unter den Lebewesen aufrechterhalten. Gleichzeitig werden die für unser aller Leben so wichtigen Rohstoffe erhalten. Im Prinzip bildet jedes Lebewesen mit seinen Ausscheidungen und seinen Energievorräten, die Voraussetzungen für das Leben anderer Lebewesen.

Pflanzen
Die Sonne gibt ihre Energie an die Pflanzen weiter, die sie für andere Lebewesen speichern und ihnen wiederum zur Verfügung stellen. Diese Lebewesen leben von ihnen.

Pflanzen stehen daher an erster Stelle in der Nahrungskette. Man nennt sie auch „Produzenten“.

Pflanzenfresser
Die Nutzer dieser Pflanzen, die Pflanzenfresser, stehen an zweiter Stelle der Nahrungskette.

Sie nennt man „Erstkonsumenten“. Zu ihnen gehören alle Vegetarier unter den Lebewesen. Man nennt sie auch „Primärkonsumenten“.

Fleischfresser
Die Fleischfresser „Zweitkonsumenten“ man nennt sie auch „Sekundärkonsumenten“, stehen an dritter Stelle in der Nahrungskette.

Hier gibt es Zwischenstufen. Zuerst kommen die Fresser der Pflanzenfresser. Dazu gehören viele Vögel und Insekten, Spinnen, Fische, Frösche und Schlangen.
Sie bilden wiederum die Nahrung der Drittkonsumenten, die sich von anderen Fleischfressern ernähren. Dazu gehören Habicht, Bussard, Forelle, Hecht und viele mehr.

Zersetzer
Die „Zersetzer“ bilden die vierte Stufe der Nahrungskette. Sie führen die Reste tierischen und pflanzlichen Lebens wieder in anorganische Grundstoffe zurück und bieten so den Pflanzen  neue Nahrungsstoffe an. Es sind Bakterien, Pilze, Urtierchen, Würmer, Käfer und viele Kleinstlebewesen.

Der Mensch als Allesfresser gehört zu den Erst- und Zweitkonsumenten.
Durch die Nahrungskette hält die Natur ihre Lebewesen untereinander im Gleichgewicht. Vermehrt sich ein Glied der Kette, dann vermehrt sich auch sein natürlicher Feind (Gutes Mäusejahr = viele Fuchswelpen und umgekehrt). In Wirklichkeit haben wir keine Nahrungskette, sondern ein Nahrungsnetz in dem alle Lebewesen der Biosphäre eingeschlossen sind.

Ein wichtiger Grund, sich über das Prinzip der Nahrungsketten Gedanken zu machen, ist die Tatsache, dass nicht nur alle natürlichen Rohstoffe von Glied zu Glied weitergegeben werden, sondern auch alle Umweltgifte. Die multiplizieren sich von Glied zu Glied teilweise um das Fünffache.
Am Ende einer Nahrungskette mit nur vier Zwischengliedern, hat sich der Giftanteil um das 625-fache im Gewebe des Endgliedes angereichert.
Vögel waren die Indikatoren dafür, auf dieses Problem erst einmal aufmerksam zu werden. Das nahende Aussterben der Seeadler, der Wanderfalken und vieler anderer Greife, um 1950 herum, war u. a. auf die enorme Anreicherung von DDT in ihrem Gewebe zurückzuführen und nicht auf den alleinigen Einfluss der Jagd, wie immer wieder behauptet wurde. Die Schalen der Vogeleier wurden aufgrund dieses Einflusses immer dünner und zerbrachen während des Brütens.

Der Lebensraum als System

Ein sich selbst erhaltender Lebensraum, man nennt ihn auch „Biotop“ beherbergt immer eine ganz bestimmte Lebensgemeinschaft von Pflanzen und Tieren. Alle sind über einen langen Zeitraum hinweg aufeinander abgestimmt. Sie sind aufeinander angewiesen. So wird man in der Heide keine Schwertlilien finden, ebenso wenig einen Steinbock. Beide benötigen ein völlig anderes Biotop.

Eine neu gestaltete Umwelt braucht seine Zeit, um wieder eine stabile Lebensgemeinschaft zu schaffen.  In aufgelassenen Kiesgruben wird das besonders deutlich. Jede Entwickelungsstufe hat dort ihre charakteristischen Lebewesen. Die gleichmäßige zeitliche Abfolge verschiedener Pflanzen- und Tiergesellschaften besteht aus einer Pioniergesellschaft, den Folgegesellschaften und der Schlussgesellschaft (Klimaxvegetation). In den meisten Fällen ist das der Wald, sofern der Mensch nicht steuernd eingreift.
Wir sollten uns immer in Erinnerung rufen, dass eine solche Lebensgemeinschaft, sei es in Auenwäldern, Trockenwiesen oder Teichen, aber auch  in Ackerböden, Gärten und Stadtgebieten immer auch ihre Umweltbedingungen mitgestalten. Für einen Lebensraum bedeutet es nicht nur einen gefährlichen Eingriff, wenn man eine Tier- oder Pflanzenart beseitigt, sondern auch wenn man Veränderungen seiner Bedingungen, wie die Feuchtigkeit oder die Beseitigung von Waldstreu, Baumstümpfe oder Totholz, durchführt. Verändern wir den Lebensraum, so verändert sich die Lebensgemeinschaft und verändern wir diese Lebensgemeinschaft, so verändern wir auch gleichzeitig den Lebensraum.
Tiere, denen wir die Nahrungsgrundlage entziehen, müssen ausweichen, um als Art zu überleben (Rebhuhn, Birk- und Auerwild).

Symbiose

Ein weiteres Urprinzip unserer Biosphäre, ist die Symbiose.
Das Zusammenwirken zweier Organismen, zu beiderseitigem Vorteil, nennen wir Symbiose. Ganz anders das Schmarotzertum der Parasiten, wo die eine Art zum Schaden der anderen alleine profitiert.
Bei der Symbiose ist die eine Art von der anderen total abhängig.  Griffige Beispiele einer Symbiose in unserem Bereich sind das Zusammenspiel unserer Darm- und Magenbakterien, aber auch die Symbiose zwischen Bäumen und Pilzen, sowie zwischen Ameisen und Blattläusen, die von den ersteren wie Kühe gehalten und gemolken werden. Viele Pflanzen, deren Samen durch den Magen- und Darmtrakt bestimmter Vogelarten gelaufen sein müssen und nur von diesen Vögeln verbreitet werden können, zeigen diese Abhängigkeit sehr deutlich. Sie finden wir überall in der Natur. Dabei benötigen einige Vogelarten zum Überleben genau diese Pflanzenart und die Pflanzenart genau diesen Vogel. Wenn eine Art vernichtet  wird, geht der Partner der Symbiosen ebenfalls zu Grunde.
Wenn wir mit naturfremden Chemikalien in dieses Spiel eingreifen, etwa um eine bestimmte Pflanzenart zu schützen, oder um Schädlinge zu bekämpfen, handeln wir uns neue größere Probleme ein. Monokulturen erfordern viele chemische Pflanzenschutzmittel. Sie sind unnatürlich und daher anfällig gegen Schädlinge. Ein Wald als Monokultur, der sich nicht mehr selbst schützen kann, fällt dem Sturm anheim, oder einer Schädlingsplage zu Opfer.
Und denken wir immer daran: Jeder unnatürliche Eingriff in die Natur kann sich in der gesamten Biosphäre auswirken. Gift aus unserer Landwirtschaft und aus unseren Gärten befindet sich selbst im Fett der Robben und anderer Lebewesen im Eismeer.

Hiermit wollen wir die Reihe „Grundlagen des Naturschutzes“ beenden. Es gilt, diese Grundlagen zum Verständnis aller Naturschutzaktivitäten in Wald und Feld zu beachten. Nur dieses Wissen führt zum Erfolg bei der Planung und Durchführung von Naturschutzprojekten.

Literatur: „Rettet die Vögel“ 1978,Herbig Verlagsbuchhandlung