Hängebirke

Betula pendula ROTH

Von Ernst-Otto Pieper

 

Hängebirke; Foto: E.-O. Pieper

Klasse:               Rosopsida (Zweikeimblättrige)
Unterklasse:      Rosidae (Rosenähnliche)
Ordnung:           Fagales (Buchenartige)
Familie:             Betulaceae (Birkengewächse)

Ca. 40 Birkenarten kommen in Europa, Nordamerika und in Asien bis Japan vor

Auch: Sandbirke, Weißbirke, Warzenbirke, Raubirke, Frühlingsbaum, Bark, Bork, Besenbirke, Besenbaum, Frühlingsbaum, Maibaum

 

Kennzeichen:

  • Sommergrüner Baum
  • Frosthart
  • Krone: malerische Baumgestalt mit schlankem, meist durchgehendem, bis 80 cm dicken Stamm und zierlich überhängender Bezweigung
  • Wuchs: 18 bis 25 (30) m; 7 bis 12 m breit; nach 50 Jahren hat sie ihre endgültige Höhe erreicht
  • Holz: Splint und Kern unterscheiden sich kaum; es ist gelblichweiß bis hellbräunlich gefärbt und leicht seidig glänzend; nach dem Hobeln wird es glänzend. Das langfaserige, feine Birkenholz ist mit einer mittleren Rohdichte von 0,65 g/ccm bezogen auf 12 – 15% Holzfeuchte als mittelschwer bis schwer einzustufen, jedoch nicht besonders hart. Es ist nur schwer spaltbar, elastisch, zäh, stark schwindend und im Freien und unter Wasser unbeständig. Es wird zu Furnierholz, Leitern, Möbel, Holzschuhen, Sperrholz und Wäscheklammern verarbeitet. Die besten Hölzer kommen aus Finnland. Das Holz hat einen hohen Brennwert und ist als Kaminholz sehr gefragt. Für den Außenbau ist es ungeeignet, da es nicht witterungsbeständig ist
  • Rinde: junge Triebe grau bis schwarzbraun, dicht besetzt mit warzigen Harzdrüsen, später weiß abrollend; an der Stammbasis schwarz, tiefgefurcht und netzig längsrissig. Die weiße Farbe des Birkenstammes beruht auf dem Inhaltsstoff Betulin; dieser macht die Rinde schwer verweslich und für Nässe undurchlässig. Betulin schützt auch vor Tierfraß
  • Junge Zweige dicht mit sitzenden, warzigen Harzdrüsen besetzt, später braun mit zahlreichen Korkwarzen
  • Winterknospen: zugespitzt, lackartig glänzend

    Rinde der Hängebirke Foto: E.-O. Pieper
  • Blätter: wechselständig, 3 – 7 cm lang, bis 3 cm gestielt, rautenförmig, mit lang ausgezogener Spitze. Blattrand regelmäßig doppelt gesägt, hellgrün, früher Austrieb, Herbstfärbung goldgelb
  • Spreite: jung klebrig; Blattgrund mit nebenblattartigen Anhängseln, die eine Nektardrüse tragen
  • Blüten: in eingeschlechtlichen Ständen, Pflanzen einhäusig. Männliche Kätzchen zu 1 – 3 am Ende vorjähriger Triebe, schon im Sommer ausgebildet, 2,5 – 3 cm lang, ungeschützt überwinternd, zur Blütezeit bis 10 cm lang, schlaff herabhängend. Blüten unscheinbar, mit 4-teiliger Hülle und 2 Staubblättern. Weibliche Kätzchen an der Spitze beblätterter Kurztriebe, unterhalb der männlichen, als Knospe überwinternd, blühend aufrechtstehend. Blüten zu dritt in der Achsel eines Schuppenblattes. Blütenhülle fehlend. Reife Kätzchen hängend.
  • Bestäubung: Windbestäubung (pro Staubblatt ca. 10.000, pro Kätzchen ca. 5 Mio. Pollenkörner)
  • Früchte: 1-samige, beiderseits dünnhäutig geflügelte, 3 mm lange Nüsse, die bei Reife aus den Kätzchen geweht werden. Sie keimen zwei bis drei Wochen nachdem sie abgefallen sind bzw. 4 bis 5 Wochen nach der Aussaat im Frühjahr
  • Blütezeit: April / Mai
  • Fruchtreife: Juli bis September
  • Im Freistand mit ca 10 bis 15 Jahren geschlechtsreif, im Bestand erst mit 20 bis 25 Jahren
  • Wurzel: Herzwurzelsystem mit flachstreichenden Hauptseitenwurzeln (oft brettartig) und sehr hoher Feinwurzelkonzentration in der obersten Bodenzone
  • Die Pflanze kann 90 bis 120 Jahre alt werden

Geschichte:

  • Im germanischen und slawischen Volksglauben spielte die Birke eine große Rolle. Sie war der Göttin Freya (Frigga) geweiht. Aus dieser Zeit stammt auch der Brauch, einen Maibaum aufzustellen, um den erwachenden Frühling in den Ort zu holen
  • Zu Fronleichnam wird in vielen katholischen Gegenden der Prozessionsweg mit Birken gesäumt
  • Nach altem Zauberglauben bergen die Zweige der Birke Wunderkräfte, die sich auf alles Lebendige, das mit ihnen in Berührung kommt, überträgt
  • Im Mittealter galt sie als Schutz gegen böse Geister; man hängte einige Zweige über Türen und Fenster, um herumstreunende Dämonen fernzuhalten. Bauern nahmen geweihte Zweige und Äste, um ihr Vieh zu treiben und es vor Hexerei zu schützen
  • Traditionell sind Hexenbesen aus Birkenreisig gemacht. Man schreibt diesem Holz die Kraft psychischen Schutzes zu, deshalb wurde es auch für Wiegen verwendet
  • Bei nordischen Volksgruppen wurde Birkenrinde zur Abdeckung der Häuser, zum Kanubau, sowie zur Herstellung von Umhängen und Gamaschen verwendet
  • Die alten Gallier kochten den phenolhaltigen pechartigen Birkenteer aus der Rinde heraus und verwendeten diese Substanz als Wagenschmiere und zum Abdichten von Fässern und Booten
  • Früher nutzte man die Rinde zum Färben von Wolle. Der Sud führte zu einer Braunfärbung. Ein aus Blättern bereitetes Bad färbte Wolle gelb
  • Späne und Schleißen aus Birkenholz wurden früher im Winter beim Kirchgang zum Leuchten verwendet
  • Aus den Zweigen wurden und werden Besen hergestellt
  • Einem alten Volksglauben nach sollten Birken den Blitz anziehen. Aus diesem Grund wurde der Baum oft in der Nähe von Gebäuden nicht geduldet
  • Die Birkenrute, ein zusammengebundenes Bündel entblätterter Birkenzweige, war jahrhundertelang „beliebtestes“ Züchtigungsinstrument in Mitteleuropa, Nordeuropa und Nordasien
  • Pollenanalysen beweisen, dass Birken nach der großen Vereisung vor 13.000 – 9.500 Jahren zusammen mit der Kiefer auch in Mitteleuropa einmal große Areale einnahmen
  • Die Birke ist das Wahrzeichen Estlands
  • In Finnland und Polen gilt die Birke als nationales Pflanzensymbol, vergleichbar der Eiche in Deutschland
  • Der Name > Birke < stammt aus dem indogermanischen Wortstamm „bherek“ und bedeutet soviel wie „glänzend, hell“

Natürliches Vorkommen:

  • Europa, Kleinasien, Kaukasus, Nordiran
  • In den Alpen bis zu einer Höhe von 2000 m

Standort:

  • In lichten Laub-, Nadel- und Mischwäldern, Mooren, Magerweiden und Heiden
  • Toleriert jede Bodenart; auf feuchten bis trockenen, mäßig nährstoffreichen, eher sauren, sandigen Lehm-, Sand- und Steinböden
  • Pioniergehölz
  • Lichthungrig; Birken verlangen einen sonnigen, freien Platz

Hinweise für den Anbau:

  • Die Birke übernimmt insbesondere bei Aufforstungen eine schützende Rolle. Sie wächst sehr schnell und hält durch Beschattung die Konkurrenzflora zurück
  • Als ausgesprochene Lichtbaumart muss die Birke insbesondere in Buchen- oder Fichtenbeständen gepflegt werden, da sie sonst verdrängt wird
  • Für die Umsetzung einer Birke zu einem anderen Standort muss unbedingt Erde vom vorherigen Standort um die Wurzeln belassen werden, sonst stirbt der Baum innerhalb weniger Monate bis Jahre, da er sich so nicht schnell genug an die neuen Bodenbedingungen anpassen kann

Krankheiten / Schädlinge:

  • Zahlreiche Pilzarten, Moose und Flechten, sowie Insekten leben in, an und auf Birken (zum Teil als Parasiten oder in Symbiose)

Heilpflanze:

  • In China gilt Birkenrinde bereits seit dem 10. Jahrhundert als Heilmittel
  • Hildegard von Bingen empfahl Blätter gegen Wunden und Geschwüre
  • Die Wirkung bei Nieren- und Blasenleiden nutzte man erst ab dem 16. Jahrhundert und bezeichnete die Birke als „Europäischer Nierenbaum“
  • Die Blätter der Birke enthalten ätherische Öle, Gerbstoffe und harntreibende Substanzen. Sie werden als Aufguss bei zu hohem Cholesterinspiegel, bei Fettleibigkeit, Frühjahrkuren, zur Blutreinigung und bei Gicht angewandt
  • Die Knospen enthalten ein Öl, das galletreibend wirkt
  • In der Rinde hat man Betulosid sowie Betulin nachgewiesen. Diese Wirkstoffe werden zur Behandlung von Rheuma, Nierensteinen und verschiedenen Hautkrankheiten verwendet
  • Der Birkensaft dient zur Herstellung von Haarwasser und Salben
  • Aus der Rinde wird Birkenteer gewonnen, der ein gutes Konservierungsmittel für Leder ist (Juchtenöl)
  • Da der Saft zuckerhaltig ist, lässt er sich in vergärter Form als Birkenwein genießen
  • Pro Baum können täglich 5 – 8 l Saft gewonnen werden

Ökologie:

  • Birkenknospen sind eine wichtige Nahrung für Birkwild (Winternahrung) und Birkenzeisig

Besonderheiten:

  • Außerordentlich frosthart
  • Aufgrund der ätherischen Öle brennt Birkenholz in frischem Zustand. Birkenrinde ist gut als Zunder und zum entzünden eines Feuers geeignet