Von Heimo van Elsbergen
Die Bindung des Jagdrechts an Grund und Boden ist das Ergebnis der Französischen Revolution (1789 – 1799) und der Deutschen Revolution von 1848. Bis dahin beanspruchten die Landesherren (Fürsten) die Jagd als ein auf sie überkommenes Königsrecht (Regal). Dieses Jagdregal war aber im Laufe der Jahrhunderte stark zersplittert. Könige und Landesherren hatten die Jagdgerechtigkeit an Vasallen, Klöster und Städte durch Schenkungen oder Belehnung vergeben. Viele Adlige beanspruchten Jagdrechte, weil sie “seit unvordenklichen Zeiten“ diese Rechte ausgeübt hätten und in der Ausübung auch nicht gehindert worden wären. Langsam entwickelte sich die Auffassung, dass die Jagd auf Rotwild und Schwarzwild prinzipiell dem Landesherren zustehe, die Jagd auf Rehe, Hasen, Füchse und Federwild aber dem landsässigen niederen Adel. Daher rühren die Begriffe „hohe Jagd“ und „niedere Jagd“ sowie die heute noch übliche Einteilung in Hochwild und Niederwild.
Da der Landesherr aber nicht überall die hohe Jagd selbst ausüben konnte, tat er dies zuweilen durch seinen örtlichen Vertreter, den Amtmann oder Drosten. Vielfach beanspruchte er aber nur die Vorjagd, das Recht zu Beginn der Jagdsaison als Erster die hohe Jagd auszuüben. Danach durften auch andere jagen.
Verbreitet waren sog. Koppeljagden, bei denen das Jagdrecht zwei oder mehreren Personen zustand. Diese Jagden waren in der Regel völlig überjagt und fast wertlos. Das Jagdrecht konnte verpachtet, verpfändet oder verkauft werden, was vielfach geschah, wenn die Inhaber in Geldnöte gerieten. Die Grenzen waren oft unklar. Rechtsstreitigkeiten, wer denn wo und wann und auf welche Wildarten zur Jagd berechtigt sei, beschäftigten immer wieder die Gerichte. Solche Prozesse zogen sich oft über Jahrzehnte hin und konnten nur selten zu einem Ende gebracht werden.
Im 17. und 18. Jahrhundert gab es große Gebiete, in denen die hohe und niedere Jagd dem Landesherrn zustand. Hierbei handelte es sich meist um Wildbanngebiete aus der Zeit der fränkischen Könige (Arnsberger Wald, Kottenforst bei Bonn, Königsforst bei Köln, Klever Reichswald u.a.). In anderen jagdlich interessanten Bereichen behielt sich der Landesherr das Recht der hohen Jagd vor. Ansonsten stand die Jagd den Besitzern der adligen Häuser, insbesondere den Inhabern der sog. landtagsfähigen Rittersitze, in der jeweiligen Gemarkung zu.
In dieser Zeit war der Halbmond, im 17./18. Jahrhundert auch Flügelhorn genannt, in Frankreich, den Niederlanden und in Deutschland das Standardhorn der Jägerei – vergleichbar dem Fürst-Pless-Horn heutzutage. Nur für die Parforcejagd, die Chasse à courre, auch Französische Jagd genannt, benutzte man das große mehrwindige Parforcehorn. Das Hifthorn, aus dem Horn eines Rindes gefertigt, hatte spätestens im 18. Jahrhundert nur noch dekorativen Charakter. Insbesondere Adlige trugen Hifthörner an prunkvollen Hornfesseln, obwohl sie meist keinen „Hief“ (Hornstoß) hervorbringen konnten.
Halbmonde wurden aber nicht nur als Signalhörner auf der Jagd gebraucht; auch bei den regelmäßigen Begehungen von Jagd-, Hutungs-, Weide- und Forstgrenzen (im Sauerland „Schnadezüge“ genannt) wurde auf Halbmonden geblasen, um die hergebrachten Besitz- und Nutzungsansprüche „lautstark“ zu dokumentieren.
So wird 1681 vom Soester Jagdschnadezug – die Stadt Soest besaß umfangreiche Jagdrechte, über die sie immer wieder mit ihren Nachbarn, insbesondere dem Kölner Kurfürsten stritt – berichtet, dass die Jagdgrenze den Mawicker Mühlenkolk (bei Werl) durchschnitt. Bei der Grenzbegehung ritt daher ein Stadtjäger mitten in den Kolk hinein und blies auf dem „halben Mond“, worauf die Jagdinteressenten eine Salve aus ihren Gewehren abfeuerten.
Als Zeichen gerechter Jagd spielten die Halbmonde auch bei Streitigkeiten um das Jagdrecht eine wichtige Rolle. Halbmonde, die man (vermeintlich) widerrechtlich jagenden Personen abgenommen hatte, wurden wie Trophäen behandelt und oftmals graviert. So wechselte bei Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Soest und den Besitzern des adeligen Hauses Nehlen (bei Welver) ein Halbmond mehrfach die Fronten.
Auf dem Horn ist eingraviert: „1702, den 9ten February, Bin Ich Bei Windthovel von denen Söest Mit gewalt genommen. 1720, den 3ten January, Bin ich durch Urthel (= Urteil) und Recht von die von Söest nacher Nehlen wider gesanden. Dieses Hatt der Herr Canonicus Heiman dahin gebracht. Ich aber nehme mein voriges ampt wider in acht. Ich jage meinen Schnaedt (= Grenze) von Borgel, Windthovel und Blomenradt vorbei und mache wie zu vohrn ein Lustiges Jäger Geschrei“.
Dieser Halbmond befindet sich in Privatbesitz. Er wurde 1988 in der großen Ausstellung „Jagd und Wild im kurkölnischen Sauerland“ im Sauerland-Museum in Arnsberg gezeigt.
Dr. Friedrich Junklaus (1875 – 1953), der beste Brackenkenner seiner Zeit, berichtet von einem Halbmond aus der Gegend von Lingen im Emsland. Auf dem Halbmond findet sich die Gravur: „1771, den 5. Oktober, ist dieses Jagdhorn den Wietmarschener Jägern im Lohner Els – Bruch von den Jägern des Domkapitulars Freiherrn von Twickel nebst 3 Jagdhunden (=Bracken), 2 Windhunden und beiden Flinten wie auch Jagdholstern (=Jagdtaschen) und Jagdgerätschaften abgenommen worden.“
Der Verbleib dieses Halbmondes ist unbekannt.
Seit ein paar Jahren ist der Autor stolzer Besitzer eines historischen kupfernen Halbmondes, der ein Stück DBC-Geschichte widerspiegelt. Dieser Halbmond ist wie folgt graviert:
Schloss Bodelschwingh zu Bodelschwingh 1815 F. W. Neuhaus. Förster zu Bodelschwingh. 1848. Heinr. Ostermann. Schnee am Kiekut 1855. August Schöneberg. Witten 1923
Wir sehen, dass der Halbmond ursprünglich zum Schloss Bodelschwingh gehörte. Bodelschwingh ist eine der malerischsten Wasserburgen Westfalens. Sie liegt im gleichnamigen Ort, der heute ein Stadtteil von Dortmund ist. Mit dem Aussterben der Freiherren von Bodelschwingh übernahmen die Freiherren von Plettenberg auf Haus Bamenohl (Finnentrop) 1788 den Besitz. Damit der Name v. Bodelschwingh nicht unterging, nannten sich die neuen Herren von Bodelschwingh-Plettenberg. Sowohl auf Haus Bodelschwingh als auch auf Haus Bamenohl wurde mit Bracken gejagt. Das wissen wir aus den Aufzeichnungen von Graf Karl v. Bodelschwingh-Plettenberg (1821 – 1907).
1865 wurde die Brackenmeute auf Haus Bamenohl aufgelöst. Die besten Hunde gingen an den Freiherrn von der Recke auf Haus Uentrop (Hamm-Uentrop), die anderen wurden an örtliche Jäger in Bamenohl, Finnentrop und Fretter verschenkt. Von Haus Uentrop gibt es eine Lithografie aus dieser Zeit, auf der man einen Jäger mit 5 gekoppelten Bracken erkennen kann.
Die an die örtlichen Jäger verschenkten Bracken stellten den Grundstock für die Zucht der Finnentroper Holzbracke dar, die der 1896 gegründete DBC eifrig förderte. Unsere heutigen Deutschen Bracken haben daher ihre wichtigste züchterische Wurzel in den Hunden der Bamenohler Meute. 1848 erhielt Förster Neuhaus von Schloss Bodelschwingh den Halbmond – vielleicht als Geschenk für treue Dienste. Vielleicht aber auch deshalb, weil die umfangreichen Jagdrechte der adligen Häuser auf fremdem Grund und Boden durch die Revolution von 1848 abgeschafft worden waren. Es gab weniger zu jagen. Für großflächige Bracken oder sonstige Gesellschaftsjagden auf Bodelschwingh fehlten vielleicht die nötigen Flächen.
Von dem nächsten Besitzer Heinrich Ostermann, der 1855 den Halbmond übernahm, ist nichts Näheres bekannt. „Schnee am Kiekut“ ist eine Ortsbezeichnung: Schnee ist ein Ortsteil von Dortmund, “am Kiekut“ ist wahrscheinlich der Wohnplatz.
August Schöneberg (1865 – 1939) ist wieder eine bekannte Persönlichkeit. Er war von der Gründung des Westfälisch-Rheinischen Dachsbracken-Klubs im Jahre 1906 bis zu seinem Tod Vorsitzender des Klubs bzw. der Fachschaft Westfälische Dachsbracke. 1923 hat er den Halbmond erhalten. Auf mehreren Fotos der 1930er Jahre sehen wir ihn mit seinen Westfälischen Dachsbracken und eben diesem Halbmond. Der Halbmond von Schloss Bodelschwingh vereinigt damit in besonderer Weise die Traditionen der Deutschen Bracke und der Westfälischen Dachsbracke.