Hermelin

Mustela erminea LINNAEUS, 1758

Von Ernst-Otto Pieper

Hermelin; Foto: E.-O. Pieper


Ordnung:         Raubtiere (Carnivora)
Familie:           Marderartige (Mustelidae)
Unterfamilie:   Wieselartige (Mustelinae)
Gattung:          Mustela

Auch:              Großes Wiesel

 

Kennzeichen:

  • Sehr schlanker, beweglicher Körper, der ansatzlos in einen langen Hals übergeht
  • Kopf läuft spitz zu
  • Seher verhältnismäßig groß
  • Weiße Oberlippe
  • An den Flanken scharfe Trennlinie zwischen der braunen Oberseite und der weißen Unterseite
  • Buschige, lange Rute mit schwarzer Quaste (Quaste etwa 1/3 der Rutenlänge)
  • Winterbalg ist anfangs rein weiß, später gelblich
  • In England und Irland bleiben die Tiere fast durchgängig braun
  • Vorder- und Hinterbranten mit je 5 Zehen
  • Penisknochen schwach S-förmig und im Querschnitt dreikantig; bei geschlechtsreifen Rüden ist er länger als 23 mm und schwerer als 30 mg

Haarwechsel:

  • Zwischen Januar und April (dann kastanien- bis zimtbraun) und November / Anfang Dezember (dann weißes Winterkleid). Die Umfärbung hängt im Wesentlichen von der Temperatur und endogenen hormonellen Faktoren, deren Auslösung mit der Länge der täglichen Lichtperiode ursächlich verknüpft ist, ab. Die Quaste ist stets schwarz (Unterscheidungsmerkmal zum Mauswiesel)
  • Die Weißfärbung wird vermutlich über das Hormon Melatonin gesteuert
  • Herbsthaarwechsel vollzieht sich unregelmäßig
  • Im Winter auf dem Rücken bis zu 19.232 Haare pro Quadratzentimeter

Größe / Gewicht:        

  • Rüden: 140 – 350 g Kopf-Rumpflänge: 23 – 30 cm; Rutenlänge: 9 – 13 cm
  • Fähen: 110 – 230 g Kopf-Rumpflänge: 21 – 26 cm; Rutenlänge: 8 – 10 cm

Vorkommen:

  • Erste Nachweise für die Würmeiszeit (vor etwa 50.000 Jahren)
  • Fast ganz Europa, Zentralasien (einschließlich Japan) und Nordamerika. Es fehlt in Südeuropa, südlich der Alpen, der Pyrenäen und des Kaukasus sowie in Südasien. Im Norden übersteigt das Areal den Polarkreis deutlich
  • In den Alpen bis in 3000 m Höhe
  • In Deutschland häufigstes Raubsäugetier (zweitkleinstes Beute greifendes Säugetier Deutschlands)

Lebensraum:

  • Vielgestaltig; eine Biotopbindung nicht erkennbar
  • Bevorzugt vor allem Gewässerränder, abwechslungsreiches Gelände mit Feldgehölzen, Feldrainen und Gräben, Hecken, Wegeböschungen, Eisenbahndämmen, Wiesen, Lichtungen und Parklandschaften
  • Bevorzugte Ruheplätze sind Maulwurf- und (sofern vorhanden) Hamsterbaue, hohle Bäume, Kaninchenbaue, Steinhaufen und vor allem im Winter alte Gemäuer, Ställe und Scheunen im siedlungsnahen Bereich
  • Das lokale Auftreten ist stark an das Vorkommen von Scher-, Feld- und Erdmaus gebunden.
  • In geschlossenen Wäldern ist es selten oder gar nicht anzutreffen

Lebensweise:

  • Trotz Kommunikationsfreudigkeit leben Hermeline über längere Zeiträume einzeln
  • Rüden mit Rangordnung; Fähen ohne Rangordnung
  • Suchjäger. Müssen erhebliche Strecken zurücklegen (täglich ca. 3 bis maximal 8 km)
  • Sehr gewandt, klettern und schwimmen (auch über weite Strecken) gut. Es kann senkrechte, raue Wände, Taue und dünne Stangen mühelos erklimmen
  • Aus dem Stand springt es bis zu 80 cm hoch
  • Jagt überwiegend tagsüber (ca. 65 % der Aktivität entfallen auf Tagesstunden)
  • In den Wintermonaten überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Ab März wieder häufiger tagaktiv
  • Pro Tag 5 – 7 Aktivitätsphasen von je bis zu 45 min, in der Ranzzeit bis zu 4 Stunden
  • Sehr ungeduldig und neugierig. Seher und Ohren sind in ständiger Bewegung
  • Wenn es sichert, macht es einen Pfahl
  • Außerordentlich mutig; in die Enge getrieben, greift es auch den Menschen an

Revier:                         

  • Größe ist von Populationsdichte und Nahrungsangebot abhängig; auch von der Jahreszeit
  • Die vom Hermelin genutzte Arealgröße schwankt mit seinem Nahrungsangebot: im Sommer zwischen 21 und 69 ha, im Winter 2 bis 13 ha
  • Mittelpunkt ist stets das Nest (Ruheplatz, Versteck, Aufzucht der Jungen)
  • Grenzmarkierung mit Duftstoffen aus den Anal- und Präputialdrüsen, sowie durch Harn- und Losungsabgabe werden von beiden Geschlechtern vorgenommen
  • Revier wird gegen Artgenossen verteidigt. In der Ranzzeit werden Reviergrenzen nicht mehr verteidigt

Nahrung:

  • Täglicher Nahrungsbedarf 25 bis 45 % der eigenen Körpermasse; kann in Ausnahmefällen auf 60 % ansteigen. Durchschnittlich 2 Kleinnager pro adultem Hermelin / Tag
  • Durchschnittlich wird alle 4 Stunden für 10 min Nahrung aufgenommen
  • Hauptbeute sind Kleinnager
  • Kaninchen, Junghasen, Fasanen, Rebhühner, Regenwürmer, Insekten, Amphibien (selten), gelegentlich Fische
  • Mitunter ergänzend auch vegetarische Nahrung
  • Bei einem Überangebot an Beute legen Hermeline Nahrungsvorräte an
  • Beute wird durch Hinterkopfbiss getötet
  • Ist das Beutetier tot, wird zuerst das eiweißreiche Gehirn gefressen
  • Die im Volksmund übliche Aussage, dass dem Beutetier das Blut ausgesogen wird, ist falsch

Alter:

  • Höchstalter bis ca. 8 Jahre. Das Durchschnittsalter liegt bei 1 bis 1 ½ Jahren
  • Die hohe Sterblichkeit und die hohen Verlustraten sind der Grund, weshalb sich Hermelinpopulationen alle 3 bis 5 Jahre erneuern.

Zähne:

  • Im Alter von 3 Wochen brechen die Milchzähne durch
  • Der Zahnwechsel ist in der 10. Woche abgeschlossen
  • Zahnformel: 3 / 1 / 3 / 1 x 2
                        3 / 1 / 3 / 2   x 2           = 34 Zähne im Dauergebiss.
  • P2 ist sehr viel kleiner als P3

Sinne:

  • Vernimmt sehr gut
  • Beute können Hermeline auf große Entfernung winden
  • Mit den Sehern können sie sehr gut rote Farben wahrnehmen; gelb, blau und grün können sie nur eingeschränkt unterscheiden

Duftdrüsen:

  • Das Hermelin wird zu den Stinkmardern gezählt
  • Wie alle Marderartigen besitzt auch das Mauswiesel Analdrüsen, die ein Sekret mit charakteristischem Moschus-Geruch produzieren
  • Das gelbe, zähflüssige Sekret ist oft über den weißen Bauch verschmiert. Es besteht aus über 200 verschiedenen, meist leichtflüchtigen Komponenten
  • Beide Geschlechter markieren mit diesem Sekret ganzjährig ihr Revier

Lautäußerungen:

  • Muckern, Keckern, Pfeifen, Fauchen, Angst- und Drohschreie, Paarungs- und Jugendlaute
  • Neben dem Mauswiesel gilt das Hermelin als die stimmfreudigste Marderart
  • Angstruf ist ein helles „kri – kri“
  • Junge „Nestgezwitscher“

Fortpflanzung:

  • Ranzzeit Mitte Mai bis Mitte August (keine Frühjahrs- und Sommerranz!)
  • Beginn und Dauer der Ranz ist von der geographischen Breite abhängig
  • Der Eisprung wird durch abiotische Faktoren ausgelöst
  • Tragzeit: 223 bis 378 Tage (7 ½ bis 12 ½ Monate [einschließlich Eiruhe])
  • Fähen können in der Ranz von mehreren Rüden begattet werden
  • 4 – 9 (max. 13) Welpen meist April / Mai
  • Geburtsgewicht: 2,5 bis 4,5 g (männliche wiegen fast doppelt so viel wie weibliche Jungtiere); Länge: 4 – 5 cm
  • 34 – 42 Tage blind
  • Wurfnest ist mit Gras, Moos und Haaren gepolstert
  • Welpen werden mindestens 7 Wochen gesäugt
  • In der 12. Woche stellt die Fähe das Säugen ganz ein
  • Es liegen Beobachtungen vor, nach denen sich auch Rüden durch Beschaffung von Beute an der Welpenaufzucht beteiligen
  • Besonderheit ist, dass junge Fähen bereits im Nestlingsalter von ca. 17 bis 75 Tagen vom Vaterrüden erfolgreich begattet werden können (fremde Rüden werden von der Mutterfähe weggebissen); zu diesem Zeitpunkt sind die Jungen z.T. noch blind und leben von der Muttermilch. Zunächst Eiruhe, Embryonalwachstum beginnt im Winter (dann sind sie bereits erwachsen)
  • Die Mutterfamilie löst sich im August oder September auf
  • Welpenfähen erreichen noch im Geburtsjahr ihr Endgewicht (4-6 Monate), Welpenrüden aber erst im folgenden Jahr (12 Monate)

Losung:

  • Gedrehtes Röllchen von fast schwarzer Färbung
  • 4 – 6 mm dick
  • Enthält Haare, Federn und Knochenreste
  • Wird häufig an erhöhter Stelle abgesetzt oder öfter an der selben Stelle in der Nähe des Unterschlupfes

Spur:

  • Paarsprung
  • Abstände von Paarsprung zu Paarsprung wechseln häufig; 30 bis 40 cm; bei Flucht maximal 80 cm
  • Brantenabdruck meist undeutlich, da Unterseite behaart ist
  • Häufigste Bewegungsart ist der schnelle Trab; bei Flucht oder Angriff fallen sie in Galoppsprünge

Krankheiten / Verluste:

  • Im Balg eine speziell angepasste Laus, Trichodectes erminea
  • Milben (meist vom Durchstöbern von Vogelnestern)
  • Zeckenarten: Ixodes canisuga, Ixodes hexagonus, Ixodes ricinus
  • In der Stirnhöhle der Rundwurm Skrjabingylus nasicola(verursacht Gewebe und Knochenschäden). Dieser Wurm hat eine Schnecke als Zwischenwirt. Beutetiere wie Vögel und Spitzmäuse sind dann bisweilen Stapelwirte)
  • Natürliche Feinde sind Füchse, Greifvögel und Eulen. Gelegentlich werden sie auch von Katzen und Hunden erbeutet
  • Große Verluste durch Straßenverkehr

Jagdarten:

  • Fangjagd (soweit erlaubt)
  • Gelegentlich mit der Flinte