Historisches vom Wolf in Norddeutschland

Von Ernst-Otto Pieper

Die letzte Eiszeit, die Weichsel-Eiszeit, begann vor etwa 115.000 Jahren und endete vor 11.700 Jahren.  Seit dieser Zeit besiedeln Wölfe (Canis lupus) ohne Unterbrechung den mitteleuropäischen Raum – bis vor etwa 200 Jahren.
Seit dem 11. Jahrhundert gibt es zahlreiche bemerkenswerte schriftliche Hinweise auf sein Vorkommen in Deutschland und den damit verbundenen Konflikten zwischen Mensch und Wolf.

Hier nun einige Beispiele:
Adam von Bremen berichtet, dass 1070 bis 1072 Wölfe rudelweise unter den Mauern von Bremen heulen.
Nach dem Sachsenspiegel, ein in niederdeutscher Sprache von Eike von Repgow zwischen 1220 und 1235 verfasstes Rechtsbuch, ist die markgenossenschaftliche Jagd die Regel. Hierin wird u.a. erwähnt, dass Raubwild wie Bär, Wolf und Fuchs in den Bannforsten nicht besonders geschützt sind, sondern dem Recht auf freien Tierfang unterliegen.
 Um 1500 ermöglicht im und am Harz die uneingeschränkte Abschussfreigabe das Kurzhalten von Fuchs, Wolf, Schwarzwild und Bär und in der Eilenriede von Hannover finden Wolfsjagden statt.
1575 beklagt Kaiser Maximilian II., dass der von wildernden Bauernhunden angerichtete Schaden am Wild höher sei als der von Wölfen.
Um 1600 ist der Besatz an Wölfen zunächst nicht übermäßig hoch, doch breitet er sich besonders im Harz mit dessen Umgebung, in der Lüneburger Heide und in Ostfriesland mit Osnabrück, mehr und mehr aus.
Die Jagdordnung zu Erichsburg von 1603 befiehlt den Forstbediensteten das „Aufsuchen junger Wölfe bei Nacht und bei Tage“.
1615 ist es Pflicht der Jagd- und Forstbediensteten, „reißende Thiere“ – besonders Wölfe – gegen Empfang eines Schussgeldes von 2 Talern je Stück zu schießen.
Bereits wenige Jahre nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) haben sich die Wölfe so stark vermehrt, dass besondere Wolfsjagden durchgeführt werden.
Am 26.04.1647 gibt Herzog Friedrich von Gottorf (Schleswig-Holstein) die Erlaubnis, dass für jeden erlegten Wolf 2 Rthl gezahlt werden.
Unregelmäßige Bejagung während des Dreißigjährigen Krieges und aufgrund des reichhaltigen Nahrungsangebotes durch verendetes Vieh und unbeschütztes Wild kann sich der Wolf in Deutschland, insbesondere in den Ostprovinzen, stark vermehren und ausbreiten. Er ist nun über ganz Niedersachsen verbreitet und hat auch in der Mark Brandenburg zugenommen. Ende des Krieges werden im Bereich des Jägerhofes von Celle 186 Wölfe erlegt. Im waldreichen Elm ist während des Dreißigjährigen Krieges der Wildbestand völlig vernichtet; nur Wölfe sind so zahlreich, dass sie das Vieh von den Weiden holen.
Am 29.01.1651 wird „Hanß Gronewaldt to Wietzen“ wegen versäumter Teilnahme an einer Wolfsjagd „im Utzer Bruche und Brande“ mit drei Groschen bestraft.
Die überhandnehmenden Wölfe des Sollings brechen 1659 in die Häuser von Stadtoldendorf ein. Ein Jahr später rät der Rat der Stadt Northeim von winterlichen Reisen in den Solling wegen der großen Wolfsgefahr ab. Nach einer Verfügung von Herzog Wilhelm muss jeder Förster einen alten Wolf schießen und den Balg frisch an das Amt liefern, ehe ihm Besoldung und Deputat verabfolgt werden darf.
Zwischen 1660 und 1685 werden in Schleswig-Holstein Wolfsjagden zu einer allgemeinen Landespflicht erklärt.
1666 werden bei einer Treibjagd in den Winzenburger Forsten 13 Wölfe erlegt und im Sackwalde nochmals 6 Wölfe.
In dem sehr strengen Winter von 1670 frieren die meisten Flüsse im Januar zu. In Wanna wird eine allgemeine Wolfsjagd für das ganze Land Hadeln veranstaltet.
Bei Osterode am Harz wird 1675 viel Rot- und Rehwild von Wölfen gerissen.
Um 1680 reißen im Amt Hütten (Schleswig-Holstein) Wölfe in wenigen Jahren 1275 Pferde und 255 Rinder.
Bei einer herzoglichen Jagd um 1700 im Elm bei Gr. Rhode kommen 196 Sauen, 8 Wölfe, 43 Rehe, 9 Hasen und 13 Füchse zur Strecke. In Menslage (Osnabrücker Land) wird ein Mädchen auf dem Kirchgange von Wölfen zerrissen. In jedem Februar finden im Emsland bis zur Jahrhundertmitte große allgemeine Wolfsjagden statt.
In den Folgejahren wird der Besatz an Wölfen und Luchsen deutlich weniger und das bisher nur vereinzelt vorkommende Rehwild vermehrt sich.
1718 reißt in den Waldungen bei Duisburg eine Wölfin 27 Fohlen der dort frei lebenden Wildpferde.
1723 werden während einer Treibjagd um Hermannsburg (NS) drei Wagen voll Wölfe erlegt.
Am 16.03.1740 findet im Regierungsbezirk Stade eine große Wolfsjagd statt.
Bei einem Fuchsprellen am 01.03.1751 in Dresden werden „zu Tode gequält“: 667 Füchse, 34 Stück Schwarzwild, 533 Hasen, 34 Dachse, 21 Wildkatzen, 3 Wölfe, 8 Marder, 22 Iltisse und 17 Kaninchen.
1754 wird bei Hornburg einer der letzten Wölfe des Harzes erlegt.
Am 16.01.1755 findet erneut eine große Wolfsjagd im Stader Raum statt.
Im Dorf Groß-Schönebeck bei Berlin befindet sich 1766 ein „Wolfs-Jagdzeug“, wozu 16 Wagen gehören, auf denen Netze, Leinen und Lappen transportiert werden, mit denen etwa 2 bis 3 km² Waldfläche umstellt werden können.
Bis 1770 ist der Wolf im Sauerland und in der Eifel bis 1872 heimisch. Hierbei soll es sich um Zuwanderer aus den Ardennen gehandelt haben, die über den zugefrorenen Rhein auf die östliche Rheinseite kamen und dann weiter bis nach Wittgenstein.
Zuwanderer kommen in Westfalen noch bis 1861 vor und in der Eifel noch bis 1900.
Einer der letzten Wölfe Ostfrieslands wird im März 1776 von Harm Claßen aus Coldinne erlegt. Bei Ochtersum wird dann 1795 der letzte Wolf Ostfrieslands erlegt.
Am 23.03.1798 wird der letzte Wolf des Brockengebietes von Graf Ferdinand von Wernigerode am Pfortenberg bei der Plessenburg erlegt.
Auf einer vom König Jerome 1808 im Deister veranstalteten Jagd werden u.a. 14 Stück Rotwild und ein Wolf erlegt.
1820 gibt es in Mittel- und Ostdeutschland keine Luchse mehr und in der Nähe von Neumünster soll der letzte Wolf in Schleswig-Holstein geschossen worden sein.
Im Kreis Gifhorn (NS) wird 1839 bei Schönewörde ein Wolf erlegt und ein Jahr später bei Walsrode ebenfalls ein Wolf.
Am 17.09.1843 wird im Bleckgehege bei Walsrode (NS) ein Wolf erlegt, der ein Jahr lang viel Vieh in den Ämtern um das Lichtenmoor gerissen hat. 1845 wird zwischen Neustadt a.R. und Nienburg (NS) im Grinderwald ein Wolf erlegt. 1851 erlegt Förster Levecke einen Wolf im Wietzenbruch und im Forst Rundshorn bei Wieckenberg wird ebenfalls ein Wolf erlegt. Am 11.01. des gleichen Jahres wird in der Göhrde ein Wolf von Förster Weber erlegt. Am 18.10.1854 wird ein Wolf im Raum Ebstorf (NS) erlegt.
Der auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik vorläufig letzte Wolf wird am 27.02.1904 in der Lausitz (Sachsen) erlegt. Da es lange Zeit in der Gegend keinen Wolf mehr gab, vermutet man zunächst, dass ein ausgebrochenes Zirkustier die Wildrisse verursacht hat, weshalb der Wolf den Spitznamen „Tiger von Sabrodt“ (Ort vom ersten Riss) erhielt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wandern immer wieder Wölfe über Polen nach Deutschland ein. Mindestens 21 werden geschossen oder mit Fallen gefangen.
Auch nach der Wiedervereinigung 1990 wandern immer wieder einzelne Wölfe nach Deutschland ein – sie werden zumeist geschossen, bevor es zu einer dauerhaften Ansiedlung kommt.
Erst Mitte der 1990er Jahre können eingewanderte Tiere überleben, und im Jahr 2000 ziehen Wölfe nach über 150 Jahren erstmals wieder in Deutschland Jungtiere in freier Wildbahn auf.

Quelle: Ritter, Friedrich; Norddeutsche Jagd-Chronik