Jagd ohne Hund ist Schund

Von Patrick Rath, Wildmeister

Jagdleiter Wittgenstein-Berleburg`sche Rentkammer

Jagd ohne Hund ist Schund! Ein gerne und viel zitierter Ausspruch unter Jägern, dem so viel Wahres zu Grunde liegt. Sind sich wirklich alle darüber im Klaren? Angesichts des Trends von Wärmebildtechnik und Co. sowie dem teilweise doch überschaubaren Grundwissen, gerade im Bereich Hundewesen, zahlreicher Jägerprüfungsabsolventen, als auch gestandener Weidfrauen und Weidmänner könnte man seine Zweifel haben, ob sich dieser Teil der Jägerschaft der Tragweite und Verantwortung für eine vorzeigbare und damit tierschutzgerechte Jagdhundearbeit und damit letztlich der Jagd im Allgemeinen bewusst ist.

Es tut sich was.

Glaubt man den steigenden Welpen Absatzzahlen und der aktuellen hohen Nachfrage an Jagdhundewelpen muss eine Bewusstseinsveränderung stattgefunden haben oder immer noch stattfinden. Haben wir es mit einer Corona-Auswirkung zu tun oder werden wir wirklich Hundeführer hinzugewinnen, die sich mit ihren Vierläufern auf den mühseligen Weg machen, brauchbare Jagdhunde für den Jagdbetrieb zur Verfügung zu stellen? Gebrauchen könnten wir es. Gerade vor dem Hintergrund sich zunehmend ändernder Verhältnisse, vor allem im Wald. Seien wir vorsichtig optimistisch. Für einige wird die jagdliche Karriere frühzeitig auf dem Sofa, im Familienleben oder dem Hof enden. Etliche werden keine Prüfungslaufbahn in den Zuchtvereinen, geschweige denn eine jagdliche Brauchbarkeitsprüfung absolvieren.

Neues oder altes Phänomen.

Doch gab oder gibt es dieses Problem nicht schon länger? Warum fällt es Jägern zum Teil schwer, sich für ein keineswegs elitäres aber doch sehr umfangreiches, fundiertes, international beachtetes Prüfungswesen unserer Jagdhunde zu interessieren? Was hat es in diesem Zusammenhang mit „Gebrauchskreuzungen“ und Hunden ohne Papiere auf sich? Hat es was mit einem einfachen Weg oder einem Hindernislauf zu tun? Wer gibt den „richtigen Weg“ vor? Es hat oftmals den Anschein als ob in der Jagdhundeszene nach dem was richtig oder falsch ist, genauso wie nach dem Guten oder Bösen, gesucht wird. Begibt man sich auf die Suche der Ursachen wird schnell klar, dass es gar nicht leicht ist den Überblick und vor allem den Spaß an der Sache zu behalten.

Der Überblick – Kern des Übels -.

Dass es um das kynologische Wissen mitunter schlecht bestellt ist und damit auch schnell das Interesse wieder schwindet liegt häufig ganz am Anfang der Jägerlaufbahn. Wer nicht gerade „vorgeprägt“ ist wird in den Jägerkursen und auch danach das Thema Jagdhundewesen nur für kurze Zeit präsent haben. Kommt noch eine Lehrkraft hinzu, die diesen Themenkomplex lieber schnell erledigen will, weil selber unsicher, ist das Kind schon fast im Brunnen. Prüfungsrelevant ist es in der Regel auch weniger.

Nach dem Motto, ein paar „Fiffis“ erkennen und grob zuordnen muss reichen! Brauchbarkeit, Zuchtvereine, JGHV, VDH etc.? Fehlanzeige, weiter…! Vielleicht aber auch natürlich, da noch vieles mehr gelernt werden musste. Doch ist dieses Halbwissen gesund? Bräuchten wir nicht wieder grundsätzlich mehr Zeit für unsere Ausbildung?

Und dann kommt doch ein paar Jahre später der Wunsch nach einem eigenen Jagdhund. Bei vielen mit einem konkreten Plan, abgestimmt auf die jagdlichen Möglichkeiten und Bedürfnisse. Leider gibt es aber auch die ohne direkten Bezug. Dort findet die Auswahl anders statt. Aussehen, Größe, Farbe, Fellstruktur und vielleicht noch der Rat vom Hören/Sagen bestimmen den Hunde Typ. Ach ja – es sollte schon eine Jagdhunderasse sein! Bums- Setter im Hochwildrevier!

Was fehlte: Der Überblick.

Es geht noch weiter: „Für das, wozu wir den Hund brauchen, reicht einer ohne Papiere. Sind eh alle überzüchtet und krank, obendrein noch zu teuer!“ Um es vorweg zu nehmen, es gibt sowohl gute wie auch schlechte Vertreter auf beiden Seiten. Ich habe sie zum Teil selber geführt. Es ist auch nicht das Problem, das sich ein zukünftiger Rüdemann mal einen Hund ohne Papiere zulegt. Schließlich kann dieser Welpe auch aus einer ungewollten/unbeabsichtigten Verpaarung zweier Spitzenjagdhunde sein (z.B. DD x DL), aber eben ohne Papiere eines Zuchtvereins. Problematisch wird es dann, wenn es um die bewusste Vermehrung dieser Hunde geht. Wenn sich jemand Züchter nennt, der sich an nichts halten will und muss. Der sich im Grunde genommen nur mit dem Material bedient, was Zuchtvereine geschaffen haben.

Über viele Jahrzehnte, ja fast Jahrhunderte sind all unsere Jagdhunderassen für ihre speziellen Einsatzzwecke, die sich durchaus verändert haben, gezüchtet worden. Die entstandenen Zuchtvereine und deren Mitglieder haben mit viel Zeit und auch finanziellen Mitteln dazu beigetragen, die züchterischen Ziele genetisch im Standard der jeweiligen Rasse zu etablieren. Damit gehen meistens gründliche Untersuchungen der eingesetzten Zuchthunde auf Leistung und Gesundheit, z. B. HD, einher. Fehler durch Prüfung und Untersuchung der Hunde zu erkennen heißt aber auch, dass die Möglichkeit besteht, daran züchterisch zu arbeiten. Diese umfangreiche Übersicht kann nur ein Zuchtverein haben. Ein „Züchter ohne Papiere“, auch der, der in „Linie züchtet“, hat in aller Regel nicht einmal seine Zuchthunde auf so banale Dinge wie HD röntgen, geschweige denn begutachten lassen. Es gibt keinerlei Kontrollmöglichkeit und es kann rein gar nichts zur Fitness der Nachzucht gesagt werden. Die Aussage, Hunde mit Papieren seien überzüchtet und krank, ist deshalb schon nicht haltbar und schon gar nicht wissenschaftlich belegbar. Das hat nichts mit „Vereinsmeierei“ zu tun, sondern mit Stabilität und Seriosität.

Gewollte „Schwarzzucht“, Unfälle mal ausgenommen, heißt sich mit den Federn anderer zu schmücken. Es wird sich guten Ausgangsmaterials bedient um mit deren angeblich überlegeneren Fähigkeiten, günstiger Hunde zu produzieren. Die Spitze des Gipfels ist die sogenannte „Gebrauchszucht/Kreuzung“. Diese sollen ganz speziellen Zielen folgend gezüchtet worden sein, weil herkömmliche Rassevertreter nicht mehr zufriedenstellende Leistungen brachten, in der Masse nicht verfügbar waren oder andere körperliche wie wesenstechnische Nachteile hatten. Aber stimmt das? Braucht es diese neuen Kreationen?

Wildmeister Patrick Rath

Wir haben mit den uns zur Verfügung stehenden Rassen eine große Auswahl um uns in diesen züchterisch zu betätigen. Wir brauchen weiterhin Züchter, die gewillt sind in ihrer Rasse mit den Zuchtvereinen nach den Möglichkeiten zu suchen. Banal gesagt, wem der herkömmliche deutsche Jagdterrier zu klein war und dieser immer wieder unter der Erde verschwunden war, wo man ihn doch oben brauchte, der kann sich bei einem seriösen Züchter einer größeren Rasse umsehen, wo er mit einiger Sicherheit davon ausgehen kann, dass durch die geprüften Eltern genau die Eigenschaften zu Tage treten, die er sich erhofft. So etwas dauert unter Umständen, ist aber allemal besser als auf die Zufallsprodukte eines „Gebrauchshunde-Miraculix“ zuzugreifen.

Damit sind wir schon ganz nah dran an dem Bereich der Diskussion um den sogenannten Heideterrier. Dieser, bereits vor einigen Jahrzehnten entwickelte Schwarzwildspezialist (im Ursprung: Jagdterrier X Airedale Terrier), erhitzt hier und da die Gemüter der „Rassefanatiker“ und den Anhängern dieser Kreuzung. Warum? Sind diese Hunde schlechter als andere oder gar besser? Weder noch. Auch hier gibt es Krücken und Spitzenhunde. Was ihnen allerdings manchmal fehlt ist ein verantwortungsvoller Züchter. Es gibt keine Kontrollmöglichkeiten in der Heideterrierzucht.

Was teilweise aus dem Fichtenverhau „lächelt“, wenn man den gebundenen Schwarzkittel abfangen will, hat nichts mehr mit Heideterrier, geschweige denn Jagdhund zu tun. Dort wurden und werden offensichtlich bewusst Listenhunderassen eingekreuzt. Das hat nichts mit waid- und tierschutzgerechter Jagdausübung zu tun. Jagdhunde sind nicht ausschließlich dafür da in einem Treiben gesundes Schwarzwild zu fangen. Ja es mag Situationen geben in denen es gut ist wenn auch mal ein Fassversuch gemacht wird. Aber das können andere Hunderassen auch. Das Problem an sich ist auch nicht der einzelne, noch wie auch immer laut jagende Heideterrier. Das Problem entsteht dann, wenn diese in einer großen Gruppe, überwiegend stumm als die ultimative „Waffe“ eingesetzt werden. Wer auf solch wilde Truppen setzt, hat verloren. Wer möchte in der Haut eines Jagdleiters stecken, der sich der richtigerweise verbotenen Hetzjagd, gegenüber verteidigen muss? Weiterer Knackpunkt in diesem Zusammenhang ist dann außerdem die bestätigte/geprüfte jagdliche Brauchbarkeit der Hunde.

Wildmeister Patrick Rath

Etliche Hunde ohne Papiere, jagdliche Mixe und auch Heideterrier, die die Brauchbarkeitsprüfungen der Bundesländer solo für sich ordentlich absolviert haben, genießen die vollste Anerkennung. Diesen Anspruch sollte auch jeder Hundeführer dieser Spezies haben. Vor allem die, die in den herbstlichen Monaten viele Jagden abarbeiten und dafür genau die gleiche Aufwandsentschädigung erhalten/einfordern wie diejenigen, die einen langen und oft auch finanziell aufwendigeren Ausbildungs- und Prüfungsweg hinlegen mussten. Die Ordnungen und Richtlinien zur Feststellung der Brauchbarkeit von Jagdhunden bilden den kleinsten gemeinsamen Nenner. In den meisten Bundesländern ist eine Zulassung zur Brauchbarkeitsprüfung auch möglich. Neben den Hunden mit anerkannten JGHV-Papieren sind dort auch solche zulässig, die FCI-Papiere, eine Bescheinigung eines Zuchtverbandes über die Herkunft der Elterntiere (bei F1- Nachkommen) vorweisen können oder dem Phänotyp einer Jagdgebrauchshunderasse zuzuordnen sind. Ausnahmeregelungen können teilweise sogar durch die Hinzuziehung des Kreisjägermeisters und der Hunde Obleute erwirkt werden. Mit etwas mehr Mühe kann sich in aller Regel jeder wiederfinden (ob mit oder ohne Papiere).

Wildmeister Patrick Rath

Im Sinne der Jagd und der breiteren Akzeptanz in der Bevölkerung ist es sicherlich wünschenswert, das ausgereifte Prüfungswesen des JGHV und der Zuchtvereine in die Öffentlichkeit zu tragen, hier und da verständlicher zu machen und dafür zu werben. Eine Absage muss man leider alternativen Prüfungsvereinen oder -ordnungen erteilen.

  1. Es ist ein Unding, jegliche Hunderassen zu jagdlichen Prüfungen zuzulassen. Es mag zwar durchaus sein, dass eine Promenadenmischung bei entsprechender Führung in der Lage ist, jagdliche Aufgaben zu absolvieren, aber es kann nicht sein, dass sich bewusst gegen eine Jagdhunderasse entschieden wird, um diese jagdlich zu führen. Außerdem sind jagdliche Hundeprüfungen auch keine Hundesportwettbewerbe. Wer „Ja“ zur Jagd mit Hund sagt, muss auch „Ja“ zu den dafür vorgesehenen Hunden sagen.
  2. Es gibt alternativlose Prüfungsfächer, die in jedem Falle den Gehorsam und die Schussfestigkeit betreffen. Von jedem brauchbaren Jagdhund muss verlangt werden können, dass er in der Lage ist, einzeln auf Zuruf oder Pfiff nach einer Schussabgabe heranzukommen. Er muss sich mindestens an der Leine und bei einem improvisierten Treiben ruhig und führbar darstellen. Außerdem ist bei der Wasserarbeit der Schuss auf das Wasser, während der Hund auf die zu apportierende Ente zu schwimmt, unumgänglich. Er ist praxisnah und muss geprüft werden. Es hilft später nichts, wenn die kranke Ente vor dem Hund erlegt wird und dieser dann abdreht.   Wildmeister Patrick Rath
  3. Lebende Ente. Eine Brauchbarkeit auf Niederwild muss die Arbeit an der lebenden Ente einschließen. Ein Hund muss gelernt haben, wie sich eine „geflügelte“ Ente verhalten kann und wie er seine Nase einsetzen muss um diese zur Strecke zu bringen. Diese Fähigkeit eines Hundes muss auch abgeprüft werden. Die Jagd auf Wasserwild ist kein Feldversuch.
  4. Der JGHV hat ein sehr ausführliches Richterwesen. Über die Ausbildung der Richteranwärter, die eigene Hundeausbildung und -führung, praktische Tätigkeiten auf Prüfungen, Berichterstattung in Wort und Schrift, sowie eine mind. schriftliche Prüfung und Richterfortbildungen vorausgesetzt, ist der hohe Qualitätsstandard gesichert. Außerdem ist durch die Vielzahl der Richter eine breite Streuung in der Fläche gegeben. Ein kleiner einzelner Verein kann diesen Aufwand nicht leisten. Zwangsläufig muss immer wieder auf dieselben Personen zurückgegriffen werden. Die Aus- und Fortbildung von Richtern in zu kleinen Strukturen ist begrenzt.
  5. Prüfungsbewertungen. Für ein „bestanden“ oder „nicht bestanden“ genügt eine klare Prüfungsordnung und natürlich Erfahrung und Hundeverstand der Richter. Was nicht geht, ist es, sich auf die Aussagen von Beobachtern, auch wenn es Jäger sind, zu verlassen. Damit fallen Beobachtungen dritter anlässlich einer Jagd aus. Bewertet werden kann nur das was ein Hund unter den Augen der Richter zeigt.

Fazit:

Wie so oft im Leben hilft es im Dialog Lösungswege und Kompromisse zu finden. Niemand wird zu einem besseren oder schlechteren Jäger nur weil er aus der Sicht des Anderen den „falschen Hund am Strick“ hat. Hardliner wird man auf keiner Seite überzeugen können. Überzeugen kann aber der, der Leistungen belegen kann. Mit guten Argumenten, Daten und Fakten. Die Rassehundevertreter und ihre Vereine sind hier im Vorteil.

Wildmeister Patrick Rath

Zum Schluss noch eins:

Dem Wild und der Jagd zuliebe: Bilden sie weiterhin mit Engagement ihren Vierbeiner aus. Stellen Sie sich Prüfungen und setzen Ihren Helfer zielgerichtet ein. So signalisieren Sie der nichtjagenden wie auch der jagenden Bevölkerung die Wichtigkeit der traditionellen und zukünftigen, tier- und weidgerechten Jagd.