Jagdfries am Kaiserdom zu Königslutter

Ein bedeutendes Bildhauerwerk der deutschen Romantik

Von Ernst-Otto Pieper

Königslutter am Elm liegt im Osten Niedersachsens zwischen Braunschweig und Helmstedt südlich der A2. Wahrzeichen der Stadt ist der Kaiserdom.

Die Hauptapsis des Kaiserdoms Foto: E.-O. Pieper

Im Sommer 1135 löste Kaiser Lothar III. das von seinen Vorfahren mütterlicherseits ererbte Kanonissenstift in Lutter – später Königslutter – auf. An gleicher Stelle, am Nordhang des Elms, legte er den Grundstein für die Grabeskirche seiner Familie und stiftete ein Benediktinerkloster. Aus der am 1. August 1135 Gründungsurkunde geht hervor, das der Kaiser das Kloster mit umfangreichen Besitzungen ausgestattet und damit zu einem der reichsten Klöster nördlich des Harzes machte. Die „Kaiserdom“ genannte ehemalige Abteikirche St. Peter und Paul gilt als sächsisches Gegenstück zum Dom in Speyer. Zwar fiel die Kirche in Königslutter deutlich kleiner aus als der Dom in Speyer, gleichwohl war sie Mitte des 12. Jahrhunderts das größte Bauwerk in Norddeutschland. Das Gebäude zählt zu den herausragenden Zeugnissen der Romanik in Deutschland.

Der Bauherr liegt hier zusammen mit seiner Gattin Richenza und seinem Schwiegersohn Heinrich dem Stolzen begraben.

Sehenswert sind der Kreuzgang mit seinem Reichtum an ornamentierten Säulen und Kapitellen und vor allem die Bildhauerarbeiten lombardischer Steinmetze. Der untere Rundbogenfries an der Hauptapsis stellt den Höhepunkt bildhauerischen Dekors am Kaiserdom dar.

Phantasievoll gebildete Tier- und Menschenköpfe, Fabeltiere sowie Pilaster mit Blattkapitellen tragen den Fries.

In dieser Figur verbirgt sich der Name des Künstlers Foto: E.-O. Pieper

In den Feldern wechseln sich Rosetten mit erstaunlich lebensnahen Figuren ab. Zwei Jagdszenen sind dargestellt, die jeweils von außen nach innen zu lesen sind und mit Hornbläsern beginnen. Das zur rechten Bilderfolgen gehörende Feld zeigt einen Jäger, der eben noch den erlegten Hasen am Stock davontrug, nun am Boden liegend – bedrängt von zwei grimmig blickenden Hasen, die ihm Fesseln anlegen. Zu den Darstellungen gibt es mehrere Deutungen. Oberhalb des Jagdfrieses ist in Spiegelschrift eine lateinische Inschrift angebracht: + HOC OPUS EXIMUM VARIO CELAMINE MIRUM * SC – „Dieses vortreffliche Werk, durch mannigfaltiges Relief wunderbar, hat gemeißelt“. Der Name des Künstlers wird nicht gleich verraten. An der Stelle, wo ein Künstlername zu erwarten wäre, durchbricht die Figur eines Jägers, der einen erlegten Hasen schultert, als einzige des gesamten Frieses die Bogenrahmung und schiebt sich in das Inschriftenfeld. Des Rätsels Lösung: der Name Nicolaus (griechisch: Nicolaos), der sich leicht von „Hasenbesieger“ (griechisch: Nicolagos) ableiten lässt. Mit dem Namen Nicolaus von Verona verbinden sich herausragende Bildwerke an Kirchenbauten in Piacenza, Ferrara und Verona. Auch dort findet sich das Markenzeichen des Künstlers wieder.

Kaiser-Lothar-Linde

Unmittelbar neben dem Dom, im Klosterhof, steht ein Naturdenkmal von überregionaler Bedeutung, die Kaiser-Lothar-Linde, im Volksmund Tausendjährige Linde genannt. Die Linde zählt zu den ältesten und dicksten in Niedersachsen. Der Sage nach pflanzte Kaiser Lothar die Linde im Jahr des Baubeginns des Domes 1135 an einer Richtstätte. Der Baum ist heute etwa 20 m hoch und hatte 1989 einen Stammumfang von 12 m. Der Stamm ist hohl und der unterste, in 1,5 m Höhe abgehende Ast ist gegen Abbrechen abgestützt.