Jagdsäule in Sachsen, A.D. 1773

Von Prof. Dr. Rudolf Stübner

 

Östlich der B174 zwischen Marienberg und Reitzenhein befindet sich eine Jagdsäule aus dem Jahre 1773.

Ursprünglich verstand man unter Jagd- oder Hegesäulen Grenzmarkierungen herrschaftlicher Jagdreviere.

Stelen, die von besonderen jagdlichen Ereignisse künden sollen, wurden von Dr. Franz v. Kobell als Denksäulen bezeichnet. v. Kobell erwähnt in Wildanger verschiedene solcher Denksäulen. So erinnerte eine solche Denksäule in der Gegend von Frankfurt/O an einen Hirsch mit 66 Enden, der im Jahre 1696 von König Friedrich I. von Preußen gestreckt wurde.

Die Jagdstele bei Marienberg berichtet über eine im mittleren Erzgebirge stattgefundene Jagd. Der erst 22-jährige Kurfürst Friedrich August III. v. Sachsen (1763–1806), der später als erster Sächsischer König Friedrich August I. (1806–1827) den Beinamen der Gerechte trug, ließ diese Jagd dort vom 2. bis 11. September veranstalten.

Innerhalb der zehn Tage wurden 112 Stück Wild zur Strecke gebracht (Süd-Seite).

Es dürfte sich hauptsächlich um eingestellte Jagden gehandelt haben, bei denen der zu bejagende Bereich mit Jagdzeug (Lappen, Tücher, Netze) umstellt wurde, um das Auswechseln des Wildes zu verhindern. Das Wild wurde dann den in speziell hergerichteten Schirmen befindlichen Schützen zugetrieben. Diese Form der Kesseljagd ist auf der Jagdsäule (Westseite) expressis verbis bezeugt. Die ebenfalls dort erwähnte Form der Klopp-Jagd (auch ”Klapper-Jagd”) steht in der älteren Literatur für ”Treibjagd auf Füchse und Hasen”.

Das gibt Anlass zu der Hoffnung, dass man weder das ”edle Rotwild” par force zu Tode gehetzt, noch eine jener Perversitäten unter dem Deckmantel der Jagd veranstaltet hat, von denen Ritter v.Kobell treffend bemerkte, dass ”sie nach dem damaligen Geschmack der Zeit an Höfen Mode waren, einem einfachen Waidmann aber nicht gefallen können.”

Um sich eine Vorstellung vom Ablauf solcher Kessel-Jagden zu machen, schlage man etwa bei Heinrich Wilhelm Döbel nach.

Die Frontseite (West-Seite) ist primär dem kurfürstlichen Jagdherren, seiner Gattin und seiner Mutter gewidmet.

Auf der Ost-Seite werden die mit der Jagdleitung betrauten Personen erwähnt.

Die übrigen beteiligten Oberförster und Förster sind auf der Nord-Seite verewigt.

Die Jagdsäule wurde vom Oberförster Christian Wilhelm Pezold gestiftet.

Interessanterweise wird das Rehwild vor dem Schwarzwild aufgeführt.

Ebenso der Hase vor dem Auerhahn. Während im 18. Jh. in Sachsen Schwarz- und Reh-Wild zur speziell in Sachsen definierten mittleren Jagd gehörten, zählte der Auerhahn zu Hochwild.

Inschriften

West-Seite

Anno 1773
Vom 2ten bis zum 11ten September haben,
Sr. Churfürstln. Durchl. zu Sachsen Herr FRIEDRICH AVGVST
nebst höchst Deroselben Frau Gemahlin, AMALIA AVGVSTA
und der verwitweten Churfürstin
zu Sachsen,
MARIA ANTONIA,
königl. Hoheit,
als Sr. Churfürstl. Durchlaucht
Frau Mutter,
und der Geheime Rath und Kämmerer Graf v. Markulim Exzellenz
allhier gehaltenen Kessel-
und Klopp-Jagen
folgende auf der anderen Seite,
beschriebene Stücken geschossen.

Der untere Teil ist mehr oder weniger unleserlich. Er wurde bereits restauriert, und eine weitere Restaurierung wird erforderlich. Die Differenzen zwischen dem hier vorgelegten Text aus [Anon 75] und dem heute noch entzifferbaren sind vermutlich auf die Erneuerungen resp. Restaurierungen zurückzuführen.

Bild 1: Jagdsäule: Westseite Foto: R. Stübner


Süd-Seite

                        1.  von 14.
                        3.    ”   12.
44 Hirsche       8.    ”    10  Enden
                        14.  ”     8.
                        9 .   ”    6 .

                       1. Gabel- und
                       8. Spießhirsche.

26 Stück Wild,
6 Schmahl-Tiere,
11 Wild-Kälber,
5 Rehböcke,
8 Rehe,
2 Rehkälber,
2 Keuler,
1 Bache,
1 Heurigen Frischling,
1 Haasen,
1 Auerhahn, und
4 Füchße

112 Stück Suma darunter der schwerste
Hirsch, an 14 Enden,
gewogen 450 Pfund.

 

Ost-Seite

Diese Jagen haben dirigirt
Herr Carl Siegmund v. Schirnding
Kammerherr, auch Oberförst. und
Wildmeister, zu Bärenfels
Dabey haben unterthänige Dienste
geleistet,
Herr Carl August v.Schirnding Cammer- und Jagdjuncker
Christian Wilhelm Pezoldt,
Hofjäger, Oberförster, und Förster,
welcher auch dieses zum Ruhmwürdig =
sten Andencken der Hohen Landes
Herrschafft auf seine eigene Kosten
hat aufrichten lassen.

Erneuert
1904 – 1926 – 1956 Renoviert
1828

 

Nord-Seite

S.G. Hedenus,
C.F. Pugner,
J.G. Gander, Adj.                       Oberförster
J.L. Klingsohr,

J.E. Uhlmann,
J.G.W. Barwasser,
J.C. Schwarze,
J.C. Thiele,
J.G. Richter,                               Förster
J.T. Trochnitz,
C.G. Irmisch,
J.S. Schoenfelder, Adj.
J.C. Maffey,
J.G. Schulze,
J.G. Glaeser, Adj.
A.C.F. Rupff, Adj.
C.C. Muller, Adj.

J.G. Protze.                              Grenzschütze.


In den Dreßdnischen Gelehrten Anzeigen auf das Jahr 1795 war einst zu lesen:

Kaum war insbesondere der 2. September dieses Jahres erschie-
nen, als der Herr Hofjäger und Oberförster Christian Wilhelm
Petzold diesen Tag durch Errichtung einer Jagdsäule, die er auf
seine Kosten verfertigen lassen, bey dem Hechtteiche im Buchen-
walde feyerlichst begieng. Viele Herren Officiers, Herren Bergleute
und andere angesehene Personen aus der Stadt [Marienberg] und
Nachbarschaft, wohnten der Errichtung dieser Ehrensäule, die
unter Trompeten- und Paukenschall geschah, [. . . ] bey.

Die gut erhaltene Jagdsäule kann nach einem kurzen Fußmarsch von der Ortschaft Gelobtland aus (ca. 1 km östl.) erreicht werden. In Thiele’s Schänke erwarten den hungrigen Wanderer ein gutes Mahl und ein gepflegtes Bier.