Kalk sorgt für Leben

Von Wildmeister Günter Claußen †

 

Eine der wichtigsten Voraussetzung für eine Pflanzenvielfalt (Wildäsungspflanzen), und somit für eine große Anziehungskraft auf das Wild, ist der richtige Säuregehalt im Boden. Mit Hilfe von Kalk können wir diesen, wenn nötig, positiv beeinflussen.

Wo die Lebensräume für das Wild noch in Ordnung sind, somit ausreichend Äsung und Deckung zur Verfügung steht, und Jäger vernünftig jagen, gibt es nach wie vor ausgewogene Wildbestände. Die heutige Kulturlandschaft bietet selbst dem Schalenwild vielfach nicht mehr die notwendige Ernährungsgrundlage. Und die meisten Niederwildreviere kranken daran, dass in den von Monokulturen beherrschten Feldfluren ein artgerechtes Äsungsangebot fehlt. Schäden im Wald sowie der Rückgang einst dominierender Wildtierpopulationen, wie Hasen und Hühner, sind Anzeichen dafür, dass die Lebensbedingungen für sie alles andere als optimal sind.

Eine Ursache dieser Entwicklung, die vor allem auf den starken Rückgang der einstigen Pflanzenvielfalt beruht, ist auf saure Böden zurückzuführen. Vielen Pflanzen fehlt ein wichtiges Lebenselixier, nämlich der Kalk. Er sorgt für eine entsprechende Bodenreaktion und ist somit wichtige Voraussetzung für eine gute Nährstoffversorgung der Pflanze.

Kennzeichen dafür ist der pH-Wert. Dessen Zahl liegt auf den meisten Böden viel zu niedrig. Kalk zehrende Stickstoff-Dünger, häufige organische Düngung (besonders Gülle), Kalkentzug durch Ernten und hohe Kalkverluste durch Sauren Regen sind die wichtigsten Ursachen. Hinzu kommt, dass große Mengen Kalk alljährlich ausgewaschen werden. Zusammengefasst betragen diese Verluste einen jährlichen Anteil von annähernd 300 bis 650 kg pro Hektar. Beugt man diesen Verlusten durch Kalkdüngung nicht vor, so wird der Boden allmählich verarmen; er wird sauer.

Die anspruchsvolle Luzerne dankt dem ausreichend gekalkten Boden mit hoher Schmackhaftigkeit

Ohne Kalk können viele Pflanzen, wie Luzerne, Rotklee, Bohnen, Erbsen, Rüben, Weizen u. a. sich nicht richtig entwickeln. Viele für das Wild lebenswichtige Wildkräuter gedeihen auf sauren Böden nicht.

Um einen Ausgleich zu schaffen, legen Jäger heutzutage Äsungsflächen an. Das ist ganz ohne Frage auch zwingend notwendig. In der Praxis sieht es auf den Wildäckern, Wildwiesen oder begrünten Schneisen häufig leider nicht so aus, dass man den tatsächlichen Ansprüchen der Hasen und Rehe mit dem zusätzlichen Äsungsangebot auch nur annähernd gerecht wird. Viele Pflanzen gedeihen überhaupt nicht. Was auf den Äsungsflächen schließlich wächst, wird oftmals nicht einmal vom Wild angenommen.

 

Die Ursachen sind in diesem Fall schlicht und einfach Bodensäuren. Wenn also Wildäcker und -wiesen ihren Zweck erfüllen sollen, dann müssen wir zunächst mit Hilfe von Kalk für einen günstigen PH-Wert im Boden sorgen.

Seine eigentliche Bedeutung findet der Kalk als Grundlage für die Gesunderhaltung und Ertragsfähigkeit der Böden. Vorhandene Nährstoffe werden nicht im Boden festgehalten, sondern für die Aufnahme durch die Pflanzenwurzeln löslich gemacht.

Kalk verhindert darüber hinaus die Bildung von Eisenoxydverbindungen, die sich als Ortstein oder Raseneisenstein negativ bemerkbar machen. Alles in allem ist ein in jeder Hinsicht günstiger Einfluss des Kalkes als Bodenverbesserungsmittel zu verzeichnen.

Natürlich gibt es auch Pflanzen, die einen mehr oder weniger hohen Anteil an Säuren vertragen, ja, ihn zum Teil sogar brauchen. Die Säure liebenden Wildpflanzen zeigen uns an, ob die vorgesehene Wildackerfläche versauert ist oder nicht.

Stiefmütterchen, Honiggras, Spörgel und Kleiner Sauerampfer z. B. lassen bei starkem, teppichartigem Auftreten grundsätzlich auf sauren Boden schließen. Dort machen sich in der Regel auch vermehrt „Pflanzenschädlinge” breit, von den tierischen beispielsweise Stockälchen und Drahtwürmer, von den pflanzlichen zum Beispiel Fußkrankheiten, Wurzelbrand, Wurzeltöter und Rost. Ebenso gibt es Kräuter, wie Ackersenf, Echte Kamille, Saudistel, Huflattich oder Klee, die auf einem kalkgesättigten Boden gedeihen und durch ihr Auftreten diesen anzeigen. Den sichersten Aufschluss gibt erst eine Bodenuntersuchung. Die wird von den landwirtschaftlichen Untersuchungsämtern vorgenommen. Auskunft über das an sich einfache Verfahren erteilen die in fast jedem Landkreis etablierten Landwirtschaftsschulen bzw. Landwirtschaftsämter oder -kammern.

Der Kalkzustand wird über den pH-Wert, der sich durch die einfache Laboruntersuchung ermitteln lässt, charakterisiert. Die jeweilige Zahl gibt den Grad des Säurezustandes des Bodens an. Je weiter der pH-Wert unter sieben  liegt, desto saurer ist der Boden, je höher über sieben, desto alkalischer ist er.

Die im Rahmen der Bodenuntersuchung ermittelte fehlende Düngergabe wird im Herbst oder Winter bei leichten Böden in Form von kohlensaurem Kalk (in der Regel 1500 bis 2000 kg/ha), bei schweren Böden in Form von Brandkalk (1000 bis 1500 kg/ha) ausgebracht. Zum Ausstreuen größerer Mengen gibt es heute besondere Maschinen, die man bei Landwirten oder Maschinenringen ausleihen kann.

Es werden die schönsten Wildwiesen angelegt, regelmäßig mit Stickstoff gedüngt und gemäht, aber dennoch steht kein Wild darauf. Nur mit Kalkammonsalpeter ist es auf dem Grünland auch nicht getan. Im Gegenteil, die einseitige reine Stickstoffdüngung fördern nur noch die sauren Blattpflanzen und Gräser. Ampfer und Calamagrostis aber schmecken weder dem Reh- noch dem Rotwild.

Erst nach einer Entsäuerung des Bodens mit Kalk werden Daueräsungsflächen für das Wild interessant. Und es sind ja gerade die Heilpflanzen, wie Löwenzahn, Schafgarbe, Beifuß, Wegerich, Kamille usw., die das Wild sucht und auch braucht. Ob es nun die Waldwiese ist, der Sonnen beschienene Schneisenrand oder die Blöße im Einstandsgebiet des Wildes – wir tun in jedem Fall gut daran, solche Flächen durch Kalkung attraktiver zu machen.

Was zuvor vom Rehwild als wertlose Wildwiese mit harten Gräsern verschmäht wurde, stellt – nunmehr gekalkt und mit der Dauergrünlandmischung bestellt – eine gern angenommene Äsungs- und Deckungsfläche für Jung und Alt dar.

Die Pflanzen, die wir fördern wollen, kommen in der Regel sehr schnell ganz von selbst. Zwar können wir durch Aussaat von Kümmel, Wilde Möhre, Wilde Petersilie, Pimpinelle usw. die Äsungspalette bereichern, aber im Grunde sind die meisten Pflanzen oder zumindest deren Samen reichlich im Boden vorhanden. Sie können sich im sauren Boden nur nicht entwickeln. Und so erstaunt es eigentlich immer wieder, was da so nach einer Kalkung plötzlich alles wächst. Abwechslungsreiche Äsung zumindest, und die ist bei allen Tieren gefragt.

Also wird das Revier auch interessanter, und das Wild wird abgelenkt, so dass die Kalkung – wie übrigens alle Maßnahmen zur Äsungsverbesserung – mit dazu beiträgt, dass wir nicht nur das Wild ans Revier binden, sondern auch Wildschäden an den Kulturpflanzen einschränken. Wir profitieren davon also in jeder Hinsicht.

 

Schließlich ist bekannt, dass Rehböcke, die in sauren Heidegebieten ihren Einstand haben, meist nur schlechte Trophäen aufweisen. Auch Korkenzieher und poröse Gehörne sind immer ein Zeichen von Kalkmangel. Kalk ist nun einmal ein lebenswichtiger Aufbaustoff, der zumindest indirekt den Gesundheitszustand des Wildes entscheidend begünstigt. Ein Versuch mit dem neutralen Mineral lohnt sich, zumal eine Kalkung vom Kostenaufwand durchaus zu vertreten ist.