Lebensraumzerschneidung – Grünbrücke

Von Ernst-Otto Pieper

Foto: E.-O. Pieper
Grünbrücke bei Kiebitzholm über die A21 Oben Seitenansicht; unten Draufsicht Foto: E.-O. Pieper

Eine große Herausforderung für den Naturschutz und letztendlich die Verkehrssicherheit ist die Zerschneidung der Landschaft durch stark befahrene Straßen. Das Straßennetz in Deutschland hat sich im Vergleich zu 1950 mehr als vervierfacht und hat eine Gesamtlänge von 230.000 Kilometern.

Gleichzeitig stieg die durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge rasant an. Allein auf Autobahnen stieg die Zahl der Fahrzeuge pro 24 Stunden (DTV) von 30.000 (1980) auf 48.000 (2006). Auf Bundesstraßen hat sich der DTV-Wert im selben Zeitraum von etwa 7.000 auf über 9.000 erhöht. Untersuchungen zeigen, dass ab etwa 10.000 Fahrzeugen pro 24 Stunden die Straße eine gänzlich unüberwindbare Barriere für viele Arten darstellt. Selbst für große Tierarten wie Hirsch und Reh hat dies gravierende Auswirkungen: So konnten bereits Missbildungen durch Inzucht nachgewiesen werden, weil die Tiere nicht mehr wandern können und nur Verwandte zur Fortpflanzung vorfinden.

Straßenbau und andere Infrastrukturmaßnahmen verschlingen über 100 Hektar Landschaft pro Tag – das entspricht etwa 175 Fußballfeldern. Wildunfallgeschehen als Indikator für die Zerschneidung von Lebensräumen:
Beim Reh, der Wildart, die am häufigsten in Verkehrsunfälle verwickelt ist, sind die Bestände in den letzten 20 Jahren relativ stabil. Trotzdem kommen immer mehr Tiere unter die Räder, was auf einen Zusammenhang mit der steigenden Verkehrsdichte und dem wachsenden Straßennetz schließen lässt. Die Zahl der Wildunfälle mit Rehen hat sich innerhalb von 15 Jahren um mehr als ein Viertel erhöht auf knapp 200.000 (2008/09).

Das Thema Biotopvernetzung wird in Deutschland nach wie vor stiefmütterlich behandelt: Auf etwa 1.000 Kilometer gibt es eine Querungshilfe für Tiere. Im Vergleich zu den Niederlanden ist Deutschland damit Entwicklungsland. Dort wurde nämlich bereits in den 1980er Jahren ein landesweites Vernetzungskonzept erarbeitet und umgesetzt. Auch die Schweiz und Österreich sind längst weiter.

Ein positives Beispiel ist die 2003 gebaute Grünbrücke bei Kiebitzholm. Das Projekt „Holsteiner Lebensraum Korridore für Haselmaus, Hirsch und Co“ (Stiftung Naturschutz S-H) beinhaltet eine Vorstufe, um Biotope und Bestände von Arten zu erfassen und weitere sinnvolle Brückenschläge voranzutreiben. Kein Zweifel – die Brücke wird von Schwarzwild, Dam- und Rehwild stark frequentiert; aber auch kleine Wirbeltiere (ich fand bei der Begehung den Häutungsrest einer Ringelnatter) und Wirbellose nehmen die Brücke gut an. Seit im Sommer 2008 die Straße zur Autobahn (A21) ausgebaut und ein Wildzaun errichtet wurde, hat das Wild keine Wahl mehr. An dieser Stelle gab es an der früheren B404 jährlich 15 bis 20 Wildunfälle. Nun geht das Richtung null. Grundlegende Bedingung für den Nutzen der Querungshilfe ist aber der Verzicht auf Jagd 300 Meter vor und hinter dem Übergang. Auch Spaziergänger dürfen diesen Schutzraum nicht betreten.