Martha – die letzte lebende Wandertaube

Von Ernst-Otto Pieper

Sie war die letzte ihrer Art – Martha, die letzte lebende Wandertaube verstarb vor 100 Jahren am 1. September 1914, 29-jährig, im Zoo von Cincinnati, Ohio, USA. Sie erhielt ihren Namen zu Ehren der ersten US-amerikanischen First Lady Martha Washington.

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit vermutlich 3 bis 5 Milliarden Exemplaren der häufigste Vogel Nordamerikas und wohl auch die häufigste Vogelart weltweit, führte Bejagung binnen weniger Jahrzehnte zum Aussterben dieser Art.

1866 wurde noch ein über 14 Stunden lang durchziehender Schwarm auf über drei Milliarden Individuen geschätzt. Ein Versuch, sie 1857 in Ohio unter Schutz zu stellen scheiterte aufgrund falscher Einschätzung der Gefährdungssituation.

Foto: E. Meyer, 1921

Die Wandertaube bildete besonders auf dem Zug Schwärme aus Hunderten oder Tausenden Individuen. 1871 brüteten in Wisconsin nur noch geschätzte 135 Millionen Wandertauben – nahezu der gesamte Restbestand. 1880 gab es nur noch wenige Kolonien mit einigen zehntausend Tieren. 1895 war die Beobachtung von 10 Vögeln eine Besonderheit.

Die Wandertaube wurde in großen Stückzahlen gejagt und gegessen, wobei die Nestlinge wegen ihres zarten und sehr fetten Fleisches besonders begehrt waren.

John James Audubon (1785 bis 1851), US-amerikanischer Ornithologe und Zeichner hat das rigorose Vorgehen beschrieben:

An den Ufern des Ohio wimmelte es von Männern und Jungen, die ununterbrochen auf die beim Überqueren des Flusses niedriger fliegenden Pilger schossen. Zahlreiche wurden auf diese Weise vernichtet. Über eine Woche oder länger aß die Bevölkerung kein anderes Fleisch als das der Tauben. Während dieser Zeit war die Atmosphäre regelrecht durchtränkt von dem eigentümlichen Geruch, den diese Spezie ausströmt.

Vor Sonnenuntergang waren wenige Tauben zu sehen, aber eine Menge Menschen mit Pferden und Wagen, Gewehren und Munition hatten bereits an den Waldrändern ihre Lager aufgeschlagen. Zwei Farmer aus der Umgebung des über hundert Meilen entfernten Russellsville hatten über dreihundert Schweine hergetrieben, um sie mit den zu schlachtenden Tauben zu mästen. Hier und da sah man Leute inmitten großen Haufen bereits erlegter Tauben beim Rupfen und Einsalzen.

Die letzte wildlebende Wandertaube wurde am 24. März 1900 geschossen.

Die Wandertaube wurde seither zusammen mit der Bejagung des Bisons zum Symbol für den Raubbau an der Natur.