Nadelöhr, Hammundeseiche und das hessische Sanscoussi

Von Ernst-Otto Pieper

Wer auf der A4 von Bad Hersfeld nach Eisenach unterwegs ist, sollte sich unbedingt auf Höhe Friedewald eine Pause gönnen und einige Sehenswürdigkeiten besichtigen.

 

Wenn Sie die Autobahn an der Abfahrt Wildeck-Hönebach Richtung Osten verlassen, biegen Sie nach wenigen Metern gleich wieder nach rechts ab. Sie fahren nun parallel zur A4 Richtung Südwest. Nach einigen Kilometern erreichen Sie eine der höchsten Erhebungen des Seulingswaldes (470 m) mit dem merkwürdigen Namen „Nadelöhr“; und ebenso nennt der Volksmund – hier weitaus treffender – ein niedriges torartiges Steindenkmal, dass Sie mitten im Wald rechts neben unserer Straße vorfinden. Ein Parkplatz bietet sich zum Rasten an.

Die Sage erzählt, hier habe einst ein hohler Eichenbaum gestanden, dem man in heidnischer Zeit Heilkraft zuschrieb. Landgraf Moritz habe ihn dann 1581, als er seine bei einer Jagd verirrte Gemahlin an dieser Stelle wiederfand, durch das kleine Steintor ersetzen lassen. Wer hindurchkriecht, so heißt es, werde alle seine Krankheiten los. Also bitte, meine Herrschaften….

Nadelöhr; Foto: E.-O. Pieper

Nach dieser sportlichen Einlage lohnt es sich, einen Spaziergang nach Hammundeseiche zu unternehmen. Hammundeseiche wurde am Anfang des 10. Jahrhunderts vom Hersfelder Abt, an der Handelsstraße durch die Kurzen Hessen gegründet, die die beiden Messestädte Frankfurt und Leipzig verband. Der Ort wurde im Jahr 1141 das erste Mal urkundlich erwähnt. In der entsprechenden Urkunde wird der Ort als ein schon länger verlassenes Dorf bezeichnet. In der gleichen Urkunde wird die Burg Friedewald als neues, bedeutendes Zentrum im Seulingswald erwähnt. Man vermutet daher, dass Friedewald der Nachfolgeort von Hammundeseiche ist. Die Dorfkirche stand noch bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts, als man sie abtrug.

 

 

„1000-jährige Hammundeseiche“; Foto: E.-O. Pieper

Der Ort geriet daraufhin völlig in Vergessenheit. Im Jahr 1969 unternahm man Ausgrabungen und konnte nachweisen, dass es sich um die überlieferte Wüstung Hammundeseiche handelt. Aufgrund dieser Ausgrabungen schätzt man, dass das Dorf etwa 20 Höfe hatte. Man fand die Grundmauern der Kirche, Gräber, den Dorfbrunnen mit dem Dorfweiher, einen Brennofen mit Scherben sowie einen Backofen und mittelalterliche Ackerraine.

Von dem Ort sind heute nur noch die Kirche, der Dorfbrunnen und die Dicke Eiche zu erkennen. Alle anderen Gebäude waren aus Holz und sind damit vollständig verschwunden. Die Grundmauern der Kirche wurden nach den Ausgrabungen 1973 wieder hergestellt.

Die ehemalige Dorfeiche ist heute ein Naturdenkmal und befindet sich etwa 200 Meter südöstlich der Kirche auf 435 Meter über NN. Man schätzt das Alter der 1000-jährigen Dorfeiche auf zwischen 400 und 600 Jahre, ihr Stammumfang beträgt 8,77 Meter.

Sollte es Ihre Zeit zulassen, machen Sie noch einen kleinen Abstecher zum „hessischen Sanscoussi“ nördlich von Raßdorf. Wenn Sie ein prunkvolles Schloss erwarten, muss ich Sie leider enttäuschen – das „hessische Sanscoussi“ ist schon vor vielen Jahren versunken.

Aber wenn Sie Ihren Wagen bei der Försterei abstellen und sich etwas umschauen, finden Sie noch einige Reste einstigen Fürstenglanzes: die Ruine des 1727 von Landgraf Ernst II. Leopold von Hessen-Rotenburg-Rheinfels erbauten Jagdschlosses, das er Blumenstein nannte, Reste der von französischen Architekten in Terrassen angelegten Gärten, den reizenden kleinen Inselsteich mit der Liebesinsel und den 22 m hohen Obelisk im Stubachtal der vermutlich von Landgraf Emanuel von Hessen-Rothenburg-Rheinfels um 1790 für seine Frau Maria Leopoldine von Liechtenstein errichtet wurde.