Von Heiko Böckmann, Zwinger vom Endeler Berg
Vor einem Jahrzehnt erwarb ich als vermeintlich Spätberufener, mit fast 35 Jahren meinen ersten Jagdschein. Mein Vater hatte mich schon damals, als Kind mit ins Revier genommen und mit der Hege, sowie der Jagd vertraut gemacht. Ein Jagdhund gehörte dabei zum guten Ton. „Jagd ohne Hund ist Schund“ klingelt es noch heute in meinen Ohren. Mein Vater hatte selbst mehrere Jagdhunde und Rassen geführt. Zuerst einen braunen Deutsch Kurzhaar Rüden und dann zwei Deutsch Drahthaar Hündinnen. Nichts destotrotz machte ich mich schon vor der Jägerprüfung mit den verschiedenen Jagdhunderassen und ihren Stärken, beziehungsweise ihren jagdlichen Einsatzgebieten vertraut, um einen geeigneten Jagdpartner für die Zukunft zu finden. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das gute und familiäre doch so nah ist. Ein Allrounder als Jagdbegleiter war für mich ein Muss und da ich mit den Vorzügen des Deutsch Drahthaars aufgewachsen war, fiel mir die Entscheidung leicht.
Es sollte ein Deutsch Drahthaar werden. Bevor ich mir aber mir einen Jagdhund zulegte, bildete ich meines Vaters neuen reinrassigen Magyar Viszla Drahthaar aus, um schon vorab einige Erfahrungen im Bereich der Jagdhundeausbildung zu sammeln.
Aber vom Welpen Kauf bis zum Vollgebrauchshund ist es ein langer Weg. Somit stellte sich anfangs die Frage, wie finde ich den richtigen Züchter und wie wähle ich den passenden Welpen aus. Von Vorteil ist es, einen erfahrenen Jagdkollegen im Umfeld zu haben, der sich mit der Hundehaltung und der Ausbildung dieser auskennt. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte der Hundeobmann des zuständigen Hegeringes nützliche Informationen und Hilfestellungen liefern. Nach diversen Wurfbesichtigungen gelangte ich durch Zufall an den Züchter meines Vertrauens. Haltung und Prägung der Welpen zeichneten sich durch hervorragendes züchterisches Verständnis aus, was der späteren Ausbildung des Welpen zugutekam. Aus dem A-Wurf von sieben Welpen war noch eine Hündin frei, diese passte vom Wesen und Verhalten wie die „Faust aufs Auge“. Meine erste Deutsch Drahthaar Hündin „Amy vom Lohmühlenbach“.
Der Tag der Übergabe rückte näher, Nervosität und Vorfreude konnte ich vor meiner Frau und den Kindern nicht verbergen. Was Sie zum Schmunzeln brachte, ein gewisses Necken hier und da konnte Sie sich nicht verkneifen. Bei meinen beiden kleinen Mädels kam der Entschluss für den Familienzuwachs außerordentlich gut an. Alles war für die Ankunft von Amy vorbereitet. Wirklich alles? Hoffentlich passt alles und werde ich der Hündin gerecht? Wenn kann ich um Rat fragen, falls was in der Ausbildung nicht klappt oder etwas schiefgeht.
Angespannt und von großer Vorfreude begleitet fuhr ich los. Der Weg war nicht weit, innerhalb einer halben Stunde stand ich am Zwinger des Züchters, obwohl ich auch sechs Stunden Fahrt in Kauf genommen hätte, um die Kleine zu mir zu holen. Sichtlich nervös für den Züchter erledigten wir den Papierkram, jetzt war es amtlich. Amy gehörte ab jetzt zur Familie. Die Rückfahrt gestaltete sich ohne nennenswerte Probleme. Im neuen Heim angekommen, erstmal alles auskundschaften und ein wenig Vertrauen fassen. Überglücklich und entspannt ging der erste Tag in der Eingewöhnung zu Ende. Die erste Nacht war trotz des Handtuches, welches wir schon im Voraus beim Muttertier platziert hatten, um den Geruch der Mutter mitzunehmen nicht unbedingt entspannt. Ein leichtes Wimmern, hier und da mal ein Jaulen ließen mich in der ersten Nacht fast ohne Schlaf auskommen, was auch ein wenig der Nervosität geschuldet war. Natürlich habe ich mal nach ihr gesehen, meistens vernahm Sie mich nicht und kuschelte sich ins Handtuch um dem Duft der Mutter nah zu sein. Der Trennungsschmerz von Mutter und Geschwistern erschien mir nicht einfach. Drei Tage brauchte Amy um Ihren Platz in der Mitte der Familie zu finden und sich einigermaßen einzugewöhnen. Schritt für Schritt nahmen wir sachte das Welpen Training auf, was zu einer hervorragenden Bindung führte. Ich nahm Amy überall mit hin, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich mit allen Situationen im Leben schon in frühester Jugend vertraut zu machen. Tauchten Fragen auf, stand mir der Züchter mit Rat und Tat zur Seite. Da Amy im Juni gewölft wurde, ist die Vorbereitungszeit zur Verbandsjugendprüfung gering. Zwar ist es eine Anlagenprüfung, aber Gehorsam und Führigkeit spielen dort mit rein und das Problem hängt ja meistens am Ende der Leine.
Um nicht unvorbereitet in die VJP mit Amy zu starten, nahm sich der Hundeobmann unseres Hegerings an einem Wochenendtag Zeit um nicht nur mir, sondern auch andern Erstlingsführern zu zeigen, worauf es bei der VJP ankommt. Hilfreiche Tipps, wie z.B. das Ansetzen auf die Hasenspur wurden gerne angenommen. Gerade hier kann der Führer den jungen Jagdhund hilfreich unterstützen Aber auch Fehler, die den Hund bei der Aufnahme der Spur stören, können sich ohne hilfreiche Unterstützung einschleichen.
Der große Tag war gekommen, die VJP stand vor der Tür. Am Abend vorher richtete ich die nötigen Unterlagen, um in der Früh gut gerüstet und startbereit zu sein. Bereits in der Nacht vorher überkam mich die Nervosität, an Schlaf war nur wenig zu denken. Am nächsten Tag versuchte ich voller Konzentration den Hund seiner Arbeit zu überlassen und meine Nervosität zu unterdrücken, was nur mittelmäßig gelang. Nach der morgendlichen Richterbesprechung starteten wir mit den vier Prüfungsgruppen ins Revier. Eine Suche gab den Auftakt zum Start der Prüfung. Amy löste sich sofort von mir und begann mit der Suche, in diesem Zug wurde ebenfalls die Schußfestigkeit kontrolliert. Amy ließ sich von den beiden Schrotgarben nicht beirren und setzte ihre Suche ohne Mucken fort. Es folgten zwei Hasenspuren, danach wurde das Vorstehen am Niederwild der Hunde geprüft und zum Schluss noch eine Suche. Am Ende der Prüfung angekommen wurden die einzelnen Fächer mit der Benotung den Prüflingen im Revier bekanntgegeben. Meine erste VJP ging zu Ende, Amy hatte mit 70 Punkten ein sehr gutes Ergebnis erreicht. Suchensieger wurde ihr Bruder mit 75 Punkten der vom Züchter und mittlerweile guten Freund geführt wurde. Ein schöner Jagd- bzw. Prüfungstag ging in einem gemütlichen Beisammensein zu Ende. Nach der VJP ist vor der HZP und somit ging das Training direkt weiter.
Für die Vorbereitung auf die Herbstzuchtprüfung, Brauchbarkeit und die Verbandsgebrauchsprüfung wurde vom Hegering ein Kurs angeboten, der vom Hundeobmann ausgerichtet wurde. Zehn Teilnehmer hatten sich für den laufenden Kurs gemeldet und diese führten unterschiedlichste Rassen Deutscher Vorstehhunde. Nicht nur die gute Vorbereitung durch den Hundeobmann half mir meine Amy mit 185 Punkten durch die HZP zu bringen, sondern auch die sehr gute Unterstützung meines Freundes und Züchters von Amy. Im Zuge mit der HZP erlangte Amy auch die Brauchbarkeit mit dem Ablegen der Zusatzfächer. Etwa einen Monat vor der HZP war der Hegewald Test, der von und für die Gruppe Artland Süddoldenburg in Ihlow ausgerichtet wurde. Amy bestand diesen Test und durfte somit an der Hegewald teilnehmen. Die Hegewald fand an verschiedenen Tagen am dritten Oktober in Billerbeck statt und ich entschloss mich, im Hotel vor Ort zu nächtigen. Unerfahren und aufgeregt, aber voller Vorfreude bestritt ich mit Amy an den einzelnen Tagen die internationale Zuchtauslese Prüfung. Insgesamt waren es fast zweihundert Deutsch Drahthaar die an dieser Prüfung teilnahmen. Nicht alle bestanden. Aber die vier teilnehmenden DD´s vom Lohmühlenbach konnten alle die Hegewald Prüfung bestehen. Zwar konnte ich keine Platzierung unter den ersten Hundert erreichen, aber das Grinsen war nicht mehr aus dem Gesicht zu kriegen. Wir verbrachten ein paar schöne Tage auf der Hegewald in Billerbeck und reisten glücklich gen Heimat.
Nun galt es, Amy auf die bevorstehende VGP vorzubereiten. Nach dem nicht so guten Ergebnis auf der Hegewald, was eher meiner Person und Nervosität geschuldet war, war mein Ehrgeiz geweckt. Ich wollte unbedingt mit einem guten Ergebnis die VGP bestehen. Die Vorbereitungen liefen in vollen Gange und die Spreu trennte sich vom Weizen. Die zwei Tage der VGP waren gekommen und die Nervosität stieg. An beiden Tagen lief Amy wie ein Uhrwerk alle Fächer mit sehr guten Ergebnissen. Ob auf der Fuchsschleppe, das Benehmen vor eräugtem Wild oder das Verhalten auf dem Stand, bestand Amy mit Bravour. Am Ende der beiden Tage stand der Suchensieg für Amy mit vollem 336 Punkten im ersten Preis fest. Ich war überglücklich und konnte das Ergebnis kaum fassen. Zudem stand am zweiten Tag noch die Btr an, die sogenannte Bringtreue die mit einem Fuchs ausgerichtet wird und nicht jeder Hund schafft. Amy wurde mit einem Handzeichen geschickt, durchstöberte das Gelände und kam nach kürzester Zeit mit dem Fuchs im Fang wieder. Eine aufregende Prüfung beziehungsweise eine Prüfungssaison neigte sich dem Ende. Krönend wurde die VGP angemessen in einer gemeinschaftlichen Runde verabschiedet.
Die erste Jagdsaison kam und ging und Amy konnte auch im jagdlichen Gebrauch glänzen. Im Folgejahr wurde ich gebeten den Jagdhund eines Bekannten zu führen. Auch hier konnten die Prüfungen mit Bravour bewältigt werden. Jetzt hatte ich die Nadel im Arm. Ich wollte mehr und so kam es, dass ich mich als Richteranwärter registrieren ließ. Nach einem Jahr und etlichen Berichten, die ich für die einzelnen Prüfungen schreiben musste, bestand ich den Sachkundenachweis und durfte somit als Jagdgebrauchshunderichter agieren. Mittlerweile hatte ich auch meinen DD Rüden mit hervorragenden Ergebnissen ausgebildet. Mein Bestreben mich weiterzuentwickeln, konnte nur geschehen, indem ich auch weiter jedes Jahr einen Jagdhund durch die Prüfungen führe. Aber um als Jagdgebrauchshunderichter auch die Gegebenheiten, Jagdhunde ebenso wie die Führer und Züchter richtig einzuschätzen, galt es sich mit der Zucht und Aufzucht der Jagdhunde zu beschäftigen. Der Traum vom eigenen Zwinger war geboren. Nach etlichen Vorbereitungen sowie Hilfestellungen durch andere Züchter plante ich den A-Wurf vom Endeler Berg.
Das Beste aber an den Prozessen der Jagdhundeausbildung, der Prüfung und der Zucht von Deutsch Drahthaaren bzw. Vorstehhunden ist das Kennenlernen neuer Gleichgesinnter, die laut meiner Frau genau so verrückt und passioniert sind wie ich. Freundschaften entwickeln sich, durch das Bündnis zwischen Herrchen und Wegbegleiter, es gibt keinen Tag, an dem ich nicht ohne Hund unterwegs bin und ich möchte auch keinen Tag missen, den ich ohne meine Kinder und Hunde im Revier bestreite. Zum Schluss gibt es nur noch zu sagen, dass ich ohne die tatkräftige Rückenstärkung meiner Frau diese Ergebnisse nicht hätte erzielen können.
Zwinger vom Endeler Berg