Rosskastanie

Aesculus hippocastanum

Von Ernst-Otto Pieper

 

Rosskastanie im Winter; Foto: E.-O. Pieper

Unterklasse:Rosidae
Ordnung:    Sapindales
Familie:      Rosskastaniengewächse (mit 2 Gattungen und 15 Arten)

Die Gattung Aesculus umfasst 13 Arten.

Das Areal gliedert sich in 3 Teilareale: Nordamerika, Südosteuropa und Süd- und Ostasien.

 

Kennzeichen:

  • Sommergrüner Baum.
  • Asymmetrisch-breitkronig.
  • Bis 25 m hoch, meist kurzschäftig mit überhängenden Zweigen und graubrauner Schuppenborke.
  • Junge Zweige bis 2 cm dick, graubraun bis braun, mit zahlreichen, helleren Korkwarzen.
  • Winterknospen rotbraun, klebrig, eiförmig. Endknospe 2 – 3,5 cm lang, Seitenknospen viel kleiner.

    Die graubraune Schuppenborke der Rosskastanie; Foto: E.-O. Pieper
  • Laubblätter gegenständig, fingerförmig gefiedert. Blattstiele und Spreite je 10 – 20 cm lang; die 5 – 7 Fiedern länglich-verkehrt-eiförmig, am Grund keilförmig verschmälert, zugespitzt; Rand doppelt gezähnt; oberseits dunkelgrün, kahl; unterseits heller, an den Adern behaart. Laubfärbung gelb.
  • Blüten in endständigen, aufrechten, kegelförmigen, 20 – 30 cm langen, reichblütigen Scheinrispen (Thyrsen), 20 mm groß, zwittrig oder männlich, mit doppelter, 5-zähliger Blütenhülle. Kelch glockig; Kronblätter eiförmig, lang genagelt, am Rande gewellt, weiß, die beiden oberen Blütenblätter mit gefärbtem Saftmal. Staubblätter meist 7 (5 – 9), gebogen, die Krone überragend. Fruchtknoten oberständig, 3-fächerig; zu einer 5 – 6 cm großen, bestachelten grünen Frucht auswachsend. Samen 1 – 3, rund oder abgeflacht, glänzend dunkelbraun, mit großem weißem Nabel. Die Früchte entwickeln sich nur am Grunde des Blütenstandes. Die Blüten werden von Insekten bestäubt. Die Nektarien, kleine Höcker zwischen Kron- und Staubblättern, bilden reichlich Nektar, der 40 – 76 % Zucker, überwiegend Saccharose, enthält.
  • Die Saftmale sind am 1. Tag gelb gefärbt, die Blüten bestäubungsfähig. Am 2. Tag, (nach der Befruchtung) färben sie sich ziegelrot, am 3. und 4. Tag schließlich karminrot. Der Farbwechsel ist bei zwittrigen und männlichen Blüten gleich. Mit dem Farbwechsel ändert sich auch der Duft. Die Nektarproduktion erlischt.
  • Das Holz ist hell, weich und gut polierfähig aber stark schwindend und wenig dauerhaft. Die bis zu einem Meter dicken Stämme sind zudem meist drehwüchsig. Das Holz eignet sich hervorragend für Prothesen und Kinderspielzeug; leicht und nicht splitternd, ist es einfach zu bearbeiten und bekommt keine scharfen, gefährlichen Bruchkanten. Das Holz begünstigt andererseits eine gefährliche Eigenart des Baumes. Ein plötzlicher, das Laub beschwerender Regenschauer reicht oft aus, um mitunter schwere Äste abbrechen zu lassen.
  • Blütezeit: April / Mai.
    Blütenstand mit befruchteten Blüten; Foto: E.-O. Pieper


    Der Zeitpunkt, zu dem die Blätter und Blütenstände im Frühjahr sprießen, kann sehr stark schwanken: In vielen Gegenden finden sich Exemplare, die bereits vor Ende März nahezu in vollem Laub stehen und blühen, während andere die Knospen bis Ende April geschlossen halten und ihre Blüten erst Mitte Mai aufbrechen.

  • Fruchtreife: September / Oktober.

Geschichte:

  • Wie zahlreiche fossile Funde belegen, war die Rosskastanie vor der Eiszeit weit in Mitteleuropa verbreitet. Nach der Eiszeit ist sie hier erst seit dem 16. Jahrhundert anzutreffen. Busbecq, Gesandter in Konstantinopel, brachte die Rosskastanie, wie auch den Flieder und die Tulpe, nach Mitteleuropa. 1576 erhielt der österreichische Arzt und Hofbotaniker Carolus CLUSIUS (1525 – 1609) in Wien die ersten Samen der Rosskastanie. Sie erfreute sich als Zierbaum in den Gärten und Parks rasch großer Beliebtheit und wurde in der gemäßigten Zone der Nordhalbkugel verbreitet. Im 17. Jahrhundert gelangten Samen nach England (1612), Frankreich (1615) und die Niederlande (1633). Er beschattet seitdem unzählige Biergärten, man findet ihn aber auch als Straßenbaum unserer Städte, in Schleswig-Holstein und anderen Bundesländern sogar als Alleebaum der Landstraßen.
  • Neben ihrem ästhetischen Aspekt hat die weißblütige Rosskastanie aber auch eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung. Noch in der Nachkriegszeit haben Kinder Kastanien gesammelt und für die Waschmittelproduktion in Fabriken abgeliefert. Der Lohn in Form eines Stückes Kernseife wurde dann bei den Verwandten gegen „für Kinder brauchbare“ Waren eingetauscht.
  • Größere Mengen an Früchten werden auch heute noch von Pharma-Firmen z.B. für die Herstellung von Venen-Medikamenten (antiödematose und „kapillarabdichtende“ Wirkung) aus Osteuropa bezogen bzw. finden in kosmetischen Produkten Verwendung.

Natürliches Vorkommen:

  • Nördliche Balkan-Halbinsel.
  • Albanien, Südjugoslawien, Ostbulgarien und Nordgriechenland.
  • Lange vermutete man die Heimat der Rosskastanie im Gebiet um Konstantinopel. Erst 1879 entdeckte der Botaniker HELDREICH natürliche Standorte in Nordgriechenland. 1907 konnte sie auch für Bulgarien nachgewiesen werden.

Standort:

  • An ihrem natürlichen Standort wächst die Rosskastanie in Berg- und Schluchtwäldern auf nährstoffreichen, tiefgründigen Sand- und Lehmböden. In Bulgarien in Höhen von 380 – 500 m, vergesellschaftet mit Walnuss, Silber-Linde, Buche und Hainbuche; in Nordgriechenland meist in Höhenlagen zwischen 1000 und 1300 m, mit Walnuss, Hopfenbuche und verschiedenen sommergrünen Eichenarten.

Hinweise für den Anbau:

  • Die Rosskastanie leidet unter Frühfrost.
  • Sie bietet dem Wild durch Kastanienmast reichlich Äsung.
  • Aufgrund des Befalls durch die Rosskastanien-Miniermotte kann eine vorzeitige Bräunung der Blätter eintreten.
    Das ist kein Grund, den Baum zu fällen!