Von Ernst-Otto Pieper
Für Ende Mai werden die ersten Seehundwelpen erwartet – Wattwanderer sollten die Schutzzonen beachten und Heuler nicht anfassen.
Bei schönem Wetter heißt es für viele Erholungssuchende: ab an den Nordseestrand. Auf der Suche nach sonnigen und abgeschiedenen Sandbänken sind um diese Zeit auch die Seehunde, um ihre Jungen zur Welt zu bringen, zu rasten und zu säugen. Absolute Ruhe ist für die Tiere dann besonders wichtig. Wir appellieren an alle Wattwanderer, die Schutzzonen zu beachten, großen Abstand zu den Seehunden zu halten und Hunde anzuleinen.
Falls Spaziergänger ein einzelnes, „heulendes“ Jungtier auf einer Sandbank entdecken, gilt: Auf gar keinen Fall anfassen!
Falsch verstandene Tierliebe kann fatale Folgen für das Jungtier haben. Haftet ihm Menschengeruch an, wird es von der Mutter nicht mehr angenommen.
Wenn ein Seehundwelpe heult, heißt es nicht, dass es ihm schlecht geht. Wenn die Mutter jagt, lässt sie das Jungtier alleine zurück. Die klagenden Laute, die der Welpe dann ausstößt, sind ein Hinweis an die Mutter: Hier bin ich! Oft befindet sich die Mutter nur ein paar Meter weiter in einem vorgelagerten Priel.
Als „Heuler“ werden nur Seehundwelpen bezeichnet, die nach der Geburt von der Mutter getrennt werden – zum Beispiel durch menschliche Störungen oder schlechtes Wetter. Entdecken Urlauber einen verwaisten Heuler, sollten sie umgehend die Polizei oder die nächstgelegene Seehundstation informieren. Hierzu stehen an vielen Stränden Hinweisschildern mit den entsprechenden Rufnummern. Im Falle eines Notrufes entscheiden ausgebildete Seehundjäger vor Ort, was zu tun ist.
Die Seehundstationen Friedrichskoog (Schleswig-Holdstein) und Norden-Norddeich (Niedersachsen) wurden von den Landesjagdverbänden gegründet. Hier werden jährlich etwa 100 verwaiste Seehunde aufgezogen und auf ein Leben in Freiheit vorbereitet. Seehunde unterliegen zwar dem Bundesjagdgesetz, dürfen aber seit den 70er Jahren nicht mehr gejagt werden. Die Hegepflicht besteht jedoch weiter und wird von den Jägern sehr ernst genommen. Zu den Aufgaben der Einrichtungen gehören neben der Aufzucht auch Forschung und Öffentlichkeitsarbeit.
Sobald die Jungtiere selbständig jagen können – in der Regel nach rund zehn bis zwölf Wochen – werden sie ausgewildert.
Seehundzählung 2012:
Die trilaterale Seehundexpertengruppe (Trilateral Seal Expert Group), die sich aus Fachleuten aus Deutschland, Dänemark und den Niederlanden zusammensetzt, teilte mit, dass es noch nie seit Beginn der Seehundzählungen 1975 so hohe Bestände an Seehunden und Kegelrobben gegeben hat. Zum neunten Mal in Folge seit dem letzten großen Seehundsterben in 2002, dem mehr als die Hälfte aller Tiere zum Opfer fielen, belegen die Seehundzählungen einen Anstieg der Population im gesamten trilateralen Wattenmeergebiet.
Der erfassbare Bestand betrug zum Zeitpunkt der Zählungen 26.220 Tiere und setzt sich regional wie folgt zusammen: 3.966 Tiere (570 Jungtiere) wurden in Dänemark gezählt; 9.268 (3.247) in Schleswig-Holstein, 6.457 (1.977) in Niedersachsen und Hamburg und 6.529 (1.473) in den Niederlanden. Das bedeutet einen Anstieg der Gesamtpopulation von fast 11% im Vergleich zum Vorjahr (2011). Die Anzahl der Jungtiere ist 2012 ebenfalls angestiegen, allerdings in geringerem Umfang. Im Juni 2012 wurden auf dem Höchststand der Geburtenperiode 7.267 Jungtiere gezählt, das sind 3% mehr als im letzten Jahr.