Schlesischer Jägerlehrbrief von 1799

Von Ernst-Otto Pieper

 

Dieser auf Pergament geschriebene und mit gekonnten Jagdszenen in Aquarell verzierte Jägerlehrbrief wurde für den Jungjäger Johann Gottfried Sebastian aus Groß-Vorwerk (seit 1945 Krzekotów, Polen), ehemals Landkreis Glogau in Schlesien, ausgestellt. Am unteren Rand befinden sich die Unterschriften und Petschaften der Aussteller.

 

Wenn im 18. Jahrhundert jemand Jäger werden wollte, musste er zuerst einen guten Pirsch- und holzgerechten Jäger finden, der ihm das Handwerk beibrachte und deshalb Lehrprinzipal, Lehrprinz oder Meister genannt wurde.

In den drei Lehrjahren, auch die „drei Behänge” genannt, in denen er zum hirsch- und holzgerechten Jäger ausgebildet wurde, bekam der Lehrling immer andere Namen: Im ersten Lehrjahr hieß er Lehrling, Junge, Jägerjunge oder auch Hundsjunge; im zweiten galt er als „Lehrpursch” und im dritten als „Jägerpursch”.

Im ersten „Behang“ wurde der Jägerjunge auch Hundejunge genannt, seine Tätigkeit bestand in erster Linie in der Pflege, Fütterung und Aufzucht der Hunde, insbesondere der Leithunde.

Wenn sein Lehrprinz oder andere Jäger mit den Leithunden auszogen, musste er nebenher gehen und gut auf ihre Handgriffe und die Behandlung der Hunde achten. Er hatte sich dabei die vorkommenden Fährten und Zeichen zu merken, „damit er dieselben wiedererkenne“; auch der Zuspruch bei der Hundearbeit sowie die vorfallenden weidmännischen Begriffe waren äußerst wichtig für ihn. Er musste revierkundig werden und vor allem mit dem Gewehr umgehen können. Dazu hatte er noch das Blasen auf den verschiedenen Jagdhörnern fleißig zu üben. Zu seinen Pflichten gehörte auch die Versorgung der Vogelherde (Fangplatz, an dem verschiedene Vogelarten gefangen wurden) seines Lehrherrn, die er laufend zu überwachen hatte.

Im zweiten Lehrjahr durfte er bereits das Jagdhorn (die Hornfessel) tragen und musste sich besonders den alten guten „Jägerpurschen” anschließen, um Nützliches zu lernen. Mit dem Hund konnte er jetzt unter der Aufsicht seines Lehrprinzen selbst arbeiten, um das Wild aufzuspüren. Ferner wurde ihm der Rat gegeben, „sich auch auf die erfahrenen Fährtenhinweise der Feldhüter, Schäfer, Holzhauer usw. ausgiebig und freundlich zu stützen“. Er wurde angehalten, den Ablauf und die Erfordernisse der Jagd genau zu studieren und Waldschäden zu verhüten, was zur Voraussetzung hatte, dass er sich genaue Kenntnisse über die Beschaffenheit des Holzes aneignete; er musste also nicht nur „jagd-”, sondern auch „holzgerecht” werden. Daneben hatte er darauf zu achten, dass er durch fleißiges Üben „schussgerecht” und durch die richtige Behandlung des Gewehres „gewehrgerecht” wurde. Aber dass es auf das Schießen nicht allein ankam, wurde auch schon damals betont: „Denn wenn einer noch so gut schießen kann, versteht aber sonst nicht viel, so heißt er zwar Schütze, aber noch kein Jäger.“

Im dritten Lehrjahr, nun Jägerpursch (Jägerbursche) genannt, musste er nun allein und ohne Anweisung mit dem Leithund arbeiten, sich in allen vorgeschriebenen Disziplinen vervollkommnen und auch die weidmännischen Redensarten aufs genaueste anwenden. Er hatte also unter Beweis zu stellen, dass er alles konnte, was von einem guten Weidmann erwartet und gefordert wurde.

Nach Ablauf des dritten und letzten Lehrjahres bekam er seinen Lehrabschied, wurde feierlich wehrhaft gemacht.

Der Lehrprinz lud zu dieser Zeremonie seine Nachbarn und Freunde ein. Mit einer feierlichen Ansprache des Lehrprinzen an den Jägerburschen, der zur linken Hand seines Lehrherrn, mit Hornfessel und Hirschfängergurt angetan, stand, begann der Akt. Dann nahm der Lehrprinz mit der linken Hand den vor ihm liegenden Hirschfänger und hielt ihn vor sich, mit der rechten Hand gab er dem Jägerburschen eine Ohrfeige und sprach dabei: „Dies leidest du jetzt von mir, und hinfort nicht mehr, weder von mir noch von einem andern!“ Alsdann wurde der Hirschfänger feierlich überreicht „nicht zu dem Ende, dass du es zu unnützen Händeln und Ungelegenheiten, sondern wozu es eigentlich gemacht, was vernünftig, redlich und rühmlich ist, nämlich zur Ehre der löblichen edlen Jägerey, seines künftigen Herrn, zur Beschützung seines und deines ehrlichen Namens, Leib und Lebens, am meisten aber auf Jagden führest und gebrauchest!“ Alsdann wurde dem Jägerburschen der Lehrabschied überreicht oder auch nur gezeigt und am nächsten Morgen zugestellt; dieser Brauch ist wohl so zu erklären, dass man befürchtete, der neu gebackene hirsch- und holzgerechte Jäger könnte bei dem nun folgenden Examenstrunk seinen Lehrabschied, der für ihn ein wichtiges Dokument war, einbüßen. Der Jägerbursche steckte alsdann den Hirschfänger zu sich, bedankte sich in wohlgesetzter Rede, und die Anwesenden stießen in ihre Hifthörner, wünschten ihm Waidmannsheil und erkannten ihn als Kameraden an.

Als voll ausgebildeter Jäger durfte er sich nun um eine Anstellung bewerben.