Schwarzer Holunder

Sambucus nigra L.

Von ERNST-OTTO PIEPER

 

Schwarzer Holunder im Winter; Foto: E.-O. Pieper

Klasse:         Magniliopsida (Zweikeimblättrige)
Unterklasse: Cornidae
Ordnung:      Dipsacales (Kardenartige)
Familie:        Caprifoliaceae (Geißblattgewächse)

 

Von den weltweit bekannten 40 Arten der Geißblattgewächse gehören 25 Arten zur Gattung Sambucus

Auch:         Allhorn, Büchsenholz, Elder, Elhorn, Eller, Flieder, Fliederbeerbusch, Flidder, Flier, Fleeder, Fledder, Fleer, Haler, Hitscher, Hölder, Holder, Holderbaum, Holderbusch, Holderstock, Holer, Holler, Hollunder, Keilken, Keiseken, Kelken, Kelkenbusch, Kisseke, Markbaum, Pisseke, Quebeke, Schibike, Schetschke, Schirbike, Schotschke, Teebusch, Tutenholz, Zibke

Kennzeichen:

  • Sommergrüner Strauch oder Baum
  • Frosthartes Pioniergehölz
  • Krone: reich verzweigt, breit ausladend
  • Höhe: 5 – 6 m hoher Strauch oder bis zu 7 m hoher Kleinbaum mit mehr oder weniger deutlichem Stamm
  • Borke: graubraun, längsrissig, netzartig gemustert, korkartig
  • Junge Zweige kahl mit zahlreichen, großen Korkwarzen (Lentizellen)
  • Alljährlich werden zahleiche, 1 bis 2 m lange und bis 3 cm dicke Rutensprosse gebildet, die bis zum Herbst wachsen; deren Mark ist besonders dick
  • Mark: dick und weiß (beim Trauben- oder Hirschholunder: gelbbraun)
  • Winterknospen: breit-eiförmig, die Schuppen kahl, braun und nicht dicht schließend. Knospenschuppen fallen beim Laubaustrieb nicht ab, sondern verwittern am Zweig

    Borke an einem alten Stamm; Foto: E.-O. Pieper
  • Blätter: unpaarig gefiedert, 10 – 30 cm lang, meist mit 5 (selten 3 oder 7) elliptischen, lang zugespitzten, dünn, ohne Glanz, grob und scharf gesägt, oberseits dunkelgrün, unterseits etwas heller. Riechen beim Zerreiben unangenehm. Die Blätter beginnen bei milder Witterung bereits im Februar / März mit dem Austrieb
  • Spreite: oberseits tiefgrün und kahl; unterseits anfangs behaart aber verkahlend, heller grün
  • Blattgrund: mit nebenblattartigen Anhängseln, die eine Nektardrüse tragen
  • Blüten: zwittrig, 5 Kelchblätter, 5 miteinander verwachsene Kronblätter und 5 freie Staubblätter mit gelben Staubbeuteln; 3 miteinander verwachsene Griffel, die später in der Frucht 3 Kerne bilden (ein kleiner Teil der Blüten ist vierzählig). Mit doppelter Blütenhülle, in endständigen, reichblütigen, 10 – 15 cm breiten Schirmrispen. Ihr Duft ist intensiv und charakteristisch. Starke Pollenbildung aber wenig Nektar

    Fruchtstand; Foto: E.-O. Pieper
  • Kelch unscheinbar, Zipfel bis 1 mm lang
  • Krone 5 – 9 mm breit, flach ausgebreitet, weiß bis gelblichweiß
  • Staubblätter zwischen den dreieckigen Kronblattzipfeln stehend und diese etwas überragend
  • Fruchtknoten unterständig, meist dreifächerig
  • Bestäubung: zahlreiche Insektenarten
  • Früchte: Steinfrüchte mit viel blutrotem Saft, sie sind kugelig, 5 – 6 mm (bis 7 mm) groß, fast schwarz, glänzend, gestielt; die Blütenstandsachsen sind purpurn. Die Fruchtstände hängen zur Reife weit über
  • Blütezeit: Juni
  • Fruchtreife: August / September
  • Samen: zumeist 3 Steinkerne pro Frucht; 3 – 4 mm lang; der Fruchtfleischanteil liegt bei ca. 95 %; ihre Verbreitung erfolgt überwiegend durch Vögel
  • Inhaltsstoffe der Frucht: Säuregehalt liegt bei 1,0 – 1,1 mg/100 g (für Säureempfindliche gut verträglich); Pro-Vitamin A, Vitamine B1,2 und 6 und Vitamin C (18 mg/100 g); der gepresste Saft enthält 5 – 8 g/l freie Aminosäuren; Phosphor (57 mg/100 g), Calcium (35 mg/100 g) und Kalium (305 mg/100 g)
  • Wurzel: flach und weitreichend
  • Die Pflanze kann bis 100 Jahre alt werden

Geschichte:

  • Schwarzer Holunder ist als sehr alte Kulturpflanze anzusehen und wurde schon früh in der Nähe menschlicher Behausungen angepflanzt
  • Der Name Holunder bezeugt die Verehrung des Strauches bei den Germanen, bei denen er der Göttin Holder oder Holla geweiht war (im Märchen: Frau Holle). Der Strauch galt als ihr Wohnort und unter ihm wurden zu Ehren der Göttin Opfer gebracht
  • Die Verbindung zur huldvollen Erdgöttin veranlasste christliche Missionare die Pflanze in ein schlechtes Licht zu setzen. Judas Ischarioth soll sich an einem Holunder erhängt haben und auch das Kreuz Jesu war nach mancher Legende aus Holunderholz. Nach einer Legende sollt die Gottesmutter Maria auf der Fluch unter einem Holunder gerastet haben, weshalb nach altem Volksglauben vor jedem Holunder wie vor einem Heiligenbild der Hut abgenommen wurde
  • Im christlich geprägten Aberglauben ist der Holunder als Feuerholz ungeeignet, da der entstehende Rauch den Teufel anlockt, so dass er durch den Kamin in die Stube fährt. Aus dem „Teufelsholz“ sind die Zauberstäbe der Hexen und auch die als Gegenmittel eingesetzten Amulette. Ins Haus gebracht zieht er den Tod an und mit Holunderzweigen geschlagene Kinder stellen das Wachstum ein. Ein Tropfen Holundersaft in das Auge geträufelt soll es ermöglichen, das Wirken der Hexen wahrzunehmen. Diesen wiederum ist der Holunder für allerlei Gebräu wertvolle Zutat. Andererseits wurde der Holunder geschätzt, weil er, vor dem Stall gepflanzt, das Vieh vor Zauberei und Krankheit schützen soll, auf dem Feld dienen hierzu gekreuzte Holunderzweige. Besonders wirksam sollen Holunderblüten sein, wenn sie am Johannistag gepflückt werden
  • In der nordischen Sagenwelt zieht die Liebesgöttin Freya in einen Holunderstrauch ein
  • Bei den Kelten spielte der Holunder als „Baum der Königin“ eine wichtige Rolle
  • Hippokrates, Theophrast, Dioscurides und Plinius kannten die Wirkung und setzten sie als Heilmittel ein. Dioscurides z.B. empfiehlt die Pflanze bei Wassersucht, als Abführmittel, bei Augenkrankheiten, gegen Schlangen- und Hundebisse und auch als Haarfärbemittel
  • Heronimus Bock berichtet: „Holder inn leib genützt / ist einer krefftigen außtreibender Natur…/ treibt auß die Wassersucht mit gewalt /… Etliche machen ein guten Essig aus Holder blüet.“
  • Der Fruchtsaft diente früher als Färbemittel, insbesondere für Leder. Je nach Stärke der zugesetzten Säure ergibt der Saft der reifen Früchte rote, schwarze oder blaue Farbtöne. Holunderrinde färbt tiefschwarz, die Blätter bewirken eine moosgrüne Farbe. Die Damen der römischen Aristokratie färbten sich ihre Haare mit Holundersaft, der auch pflegend und festigend wirken soll. Heute wird der Farbstoff für Süßigkeiten (Gummibärchen) und Molkereiprodukte (Joghurt) aber auch noch als natürlicher Farbstoff in der Textilindustrie genutzt
  • Früher fertigten Kinder aus den Zweigen des Holunders Blasrohre und Flöten
  • Frische Zweige hing man in Räumen auf, um Fliegen zu vertreiben
  • Die Römer nannten den Holunder Sambucus; Holunder leitet sich vom althochdeutschen >holuntar< bzw. >holantar< („Baum der Holla“) ab; der Name Flieder stammt aus dem Niederdeutschen und ist erst seit dem 16. Jahrhundert bekannt
  • Die Züchtung von Holundersorten begann 1920 in Ohio, USA. In Europa wurde erst 1954 in Hornum (Dänemark) und 1960 in Klosterneuburg (Deutschland) mit der Zucht begonnen

Natürliches Vorkommen:

  • Europa, nördliches Kleinasien, Westsibirien und Nordafrika. Nördlichste Grenze ist etwa der 63. Breitengrad
  • Ursprünglich nur an Flussufern und in den Auwäldern Mitteleuropas
  • In den Alpen bis 1500 m Höhe

Standort:

  • Feuchte, krautreich, lichte Wälder, Ufer, Gebüsche, Hecken, Knicks, Straßen- und Wegränder. Selbst in Gegenden mit erhöhter Frostgefahr und auf Müllhalden gedeiht die Pflanze gut
  • Häufig in der Nähe von Siedlungen
  • Auf frischen, nährstoffeichen, gut durchlüfteten, tiefgründigen und durchlässigen Böden.
  • Licht- bis Halbschattgehölz
  • Stickstoffzeiger

Hinweise für den Anbau:

  • Vermehrung in Baumschulen zumeist durch Steckhölzer von gut verholzten, einjährigen Trieben
  • Die Pflanzen sind gegen Austrocknung empfindlich. Pflanzungen sollten deshalb im Frühjahr erfolgen
  • Eignet sich gut für Standorte mit starken Frösten; auf Standorten über 600 m kann es in kühlen Jahren dazu kommen, dass die Früchte nicht voll ausreifen; Höhen von über 700 m sind für eine Kultur ungeeignet
  • Auf nährstoffarmen Böden ist eine Kultur nicht möglich
  • Optimal sind mittelschwere bis sandige Lehmböden mit einem pH-Wert von 5,5 bis 6,5; die jährliche Niederschlagsmenge sollte bei 700 mm liegen; Windschutz wirkt sich günstig aus
  • Holunderplantagen können 20 bis 25 Jahre genutzt werden

Krankheiten / Schädlinge:

  • Die Wurzeln werden gerne von Mäusen, besonders Wühlmäusen, benagt. Bisame nagen auch die Rinde ab, was ein Absterben der Pflanze zur Folge hat
  • Die Schwarze Holunderblattlaus (Aphis sambuci) befällt einzelne Pflanze, die dann geschwächt werden
  • Gallmilben, besonders Spinnmilben, können Triebe verkrüppeln und erheblichen Schaden verursachen
  • Die Holunderdoldenwelke, eine durch einen Pilz verursachte Krankheit, lässt die Blütenstände welken, so dass es zu starken Ernte-Einbußen kommen kann
  • Blütenbotrytis kann gelegentlich zum Verrieseln der Blüten führen
  • An alten Exemplaren wächst oft das Judasohr, ein guter Speisepilz
  • Für fegende Böcke und Hirsche muss er bisweilen als „Blitzableiter“ herhalten

Heilpflanze:

  • Eines der bekanntesten Volksheilmittel (wurde früher als „Herrgottsapotheke“ bezeichnet) – seine Wirkstoffe befinden sich in den Wurzeln, Blättern, Blüten, Früchten und in der Rinde. Die Wirkstoffe stützen das Immunsystem, gelten als wirkungsvolles Blutreinigungsmittel, werden zur Darmregulierung, Schmerzbekämpfung und vor allem bei Fieber und Erkältungskrankheiten erfolgreich eingesetzt. Der Teeaufguss der Blüten für Schwitzkuren ist als Fliedertee bekannt
  • Die typische Farbe des Holundersaftes wird durch Sambucyanin verursacht, welcher für die Gesundheit sehr förderlich ist: u.a. soll er gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs vorbeugen. In der Fruchtschale sind etwa 60 % Sambucyanin enthalten
  • Der Saft kann zu Kaltschalen, Wein, Schnaps, Likör, Marmelade und Gelee verarbeitet werden
  • Alle grünen Teile der Pflanze enthalten den giftigen Stoff Sambunigrin (kann Blausäure abspalten). Da dieser Stoff auch in den Kernen, Stielen sowie in unreifen Früchten vorkommt, sollten sowohl Früchte als auch der Saft nicht im rohen Zustand eingenommen werden. Sambunigrin kann durch Erhitzen der Früchte bzw. des Saftes leicht zerstört werden
  • Die grünen Teile des Schwarzer Holunder sind giftig für Hunde, Hasenartige, Meerschweinchen und Hamster. Von Rot-, Dam-, Muffel- und Rehwild werden die Blätter und Zweige gern geäst. Bei Vögeln, die unreife Früchte, frische Blätter der Rinde gefressen haben, kommt es zu Verdauungsstörungen, Erbrechen und bei entsprechender Giftmenge auch zum Tod
  • Alle Produkte des Schwarzen Holunders haben eine abführende Wirkung, wenn sie in größerer Menge zu sich genommen werden

Bauernregeln:

  • Wenn der Holunder blüht, legen Hühner weniger
  • Wie der Holunder blüht, so blühen auch die Reben
  • Wenn der Holunder blüht, wird der Boden nicht trocken
  • Wie der Holunder blüht, Rebe auch und Lieb` erglüht. Blühen beid` im Vollmondschein, gibt`s viel Glück und guten Wein

Besonderheiten:

  • Der Holunder wurde – und wird wieder – viel in der Küche verwendet. Bekannt sind Fliederbeersuppe, Hollerkuchen, Hollerküchel, Hollermus, Holunderbeeren-Sirup, Holunderpfannekuchen, Holunderschöberl (dabei werden die Dolden des Holunders in Pfannkuchenteig getaucht und in Fett oder Öl auf einer Pfanne ausgebraten), Holunderlimonade, Holunderblütenwein, Holundersekt, Holunderbowle
  • Was den Holunder von vielen anderen Verbissgehölzen unterscheidet, ist der hohe jährliche Zuwachs an verwertbarer Blatt- und Zweigmasse. So bringt er, bei Erhalt seiner Lebensfähigkeit, etwa hundertmal soviel Winteräsung wie beispielsweise die Esche
  • Soll der Holunder dem Schalenwild optimal dienlich sein, so muss er, je nach Licht- und Bodenverhältnissen, alle zwei bis drei Jahr auf den Stock gesetzt werden.