Sikawild

Cervus nippon (TEMMINCK, 1838)

Von Ernst-Otto Pieper

Sikawild im Winter; Foto: E.-O. Pieper

Ordnung:          Paarhufer (Artiodactyla)
Unterordnung:  Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie:            Hirsche (Cervidae)
Unterfamilie:    Echte Hirsche (Cervinae)

In Deutschland keine eindeutige taxonomische Zuordnung der Unterarten.     

  1. Dybowskihirsch (Festlandsform) Cervus nippon dybowski
  2. Japanischer Sikahirsch (Inselform) Cervus nippon nippon

Vorkommen:

  • Sikawild stammt aus Ostasien (Mandschurei, Japan, Nordchina).
  • Kommt in fast allen europäischen Ländern in kleinen Beständen vor.
  • 1936 wird am Möhnesee im Arnsberger Wald (NRW) erstmals in Deutschland Sikawild in freier Wildbahn ausgesetzt.
  • Bestände in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein (Angeln), Hessen (bei Schlitz), Bayern (Höchstadt), Baden-Württemberg, Sauerland und Weserbergland.
  • In Österreich erste Sikawild-Kolonie in Niederösterreich seit 1907.
  • Kleiner Bestand in der Schweiz (Südranden, Kanton Schaffhausen).
  • Der Dybowskihirsch ist in freier Wildbahn ausgestorben; er lebt nur noch in Farmen.

Aussehen:

  • Gedrungener Körper auf verhältnismäßig kurzen Läufen.
  • Im Wildbret geringer als Damwild.
  • Als Fleckenhirsch ähnelt Sikawild im Sommerkleid sehr dem Damwild; besonders die Tiere beider Arten sind schwer auseinander zu halten.

Größe / Gewicht:          

  • Kopf-Rumpf-Länge: Hirsche: 130 – 165 cm  Tiere: 110 – 145 cm
  • Schulterhöhe: Hirsche: 75 – 95 cm      Tiere: 65 – 90 cm
  • Gewicht (lebend): Hirsche: bis 65 kg         Tiere: bis 45 kg 

Decke:                          

  • Sommer: auf dunklem Grund auffallend hell gefleckt; beim Hirsch etwas geringer als beim Tier. Winter: dunkel, fast schwarz.
  • Spiegel ist groß und weiß. Beim Hirsch auf dem Rücken ein breiter Aalstrich.
  • Der Hirsch trägt ab 3. Kopf eine starke Brunftmähne. Dieses täuscht leicht ein höheres Alter vor.
  • Der Wedel ist kürzer als beim Damwild und auch nicht so beweglich. Er ist weiß und hat einen dünnen schwarzen Aalstrich.
  • Der Dybowskihirsch ist sehr stark im Wildbret und ist besonders stark gefleckt.
  • Bei der Inselform sind die Haarbürsten an den Hinterläufen auffallend hell.

Zähne:                          

  • Sikawild hat kleine Grandeln die aber stärker gebräunt sind als beim Rotwild.
  • Dauergebiss: Oberkiefer: 0 / 1 / 3 / 3 x 2
                         Unterkiefer: 3 / 1 / 3 / 3   x 2   = 34

Duftdrüsen:

  • Voraugendrüse (= Tränengrube = Hirschträne = Tränenhöhle) Unterhalb der Lichter liegende Vertiefung, die innen unbehaart ist und in der ein Drüsensekret (Bezoar) ausgeschieden wird; dient der innerartlichen Verständigung.
  • Laufbürsten (Metatarsalorgan) an den Außenseiten der Hinterläufe, kurz unterhalb des Sprunggelenkes. Das Sekret dient der Fährtenmarkierung.
  • Wedeldrüse (paarige Duftdrüse beiderseits der Wedelwurzel), deren Sekret bildet eine Luftfährte hat aber auch als Duftstoff Bodenhaftung.

Lautäußerungen:

  • Sikawild schreckt meist mit einem kurzen Pfiff (Warnlaut). Er wird vom Hirsch und vom Tier mit geschlossenem Äser ausgestoßen.
  • Brunftlaut: schrilles, durchdringendes und längeres Pfeifen, das an den Schrei eines Esels erinnert. Er wird drei- bis viermal ausgestoßen und erst nach Stunden wiederholt. In der Regel schreien nur suchende Hirsche, der Platzhirsch bleibt stumm. Sikahirsche reagieren selten auf den Ruf.
  • Weibliches Wild mahnt.

Lebensraum:

  • Schätzt hügeliges, bewaldetes Gelände; kann sich aber auch anderen Biotopen anpassen.
  • Ist sehr standorttreu und hat einen relativ kleinen Aktionsradius, der im Winter noch kleiner wird.

Lebensweise:

  • Sikawild ist sehr neugierig (publikumsfreundlich) und gewöhnt sich schnell an Störungen.
  • Auf starke Bejagung reagiert Sikawild empfindlich.
  • Rudelt sich bei Gefahr.
  • Ist sehr klimahart, sehr genügsam und verträgt sich gut mit Reh- und Rotwild.
  • Als Einstände bevorzugt es Stangenhölzer in den der Witterung angepassten Lagen.
  • Kahlwildrudel (vom Leittier geführt) und Hirschrudel stehen im Jahresverlauf meistens getrennt voneinander und stoßen erst zur Brunft zueinander. Hirschkälber trennen sich häufig schon im Winter von der Mutter und schließen sich anderen Geschlechtsgenossen an.
  • Bald nach dem Setzen bilden sich Mutterfamilien, die bis zur Brunft zusammenbleiben.
  • Die einzelnen Familiengruppen (Alt-, Schmaltiere, Kälber) ziehen getrennt zu den gemeinsamen Äsungsflächen (4 bis 5 mal täglich).
  • Junge und mittelalte Hirsche bilden getrennt Rudel, die alten Hirsche bilden kleine Trupps. Sehr alte Hirsche sind Einzelgänger.
  • Sikawild ist tag- und nachtaktiv mit Aktivitätsmaxima in der Morgen- und Abenddämmerung.

Ernährung:

  • Überwiegend Gräser und Kräuter (Raufutteräser); stellt an die Äsung nur geringe Ansprüche.
  • Sikawild verursacht häufig Schälschäden.

Fortpflanzung:

  • Ab Mitte September ziehen die alten Hirsche in die vorjährigen Brunfteinstände, die zugleich die Haupteinstände der Tiere sind.
  • Ihr Territorium markieren sie durch Brunftkuhlen; sie ist der des Damwildes ähnlich, jedoch nicht so tief.
  • Sind die Brunftterritorien besetzt, können die Hirsche in 3 Gruppen aufgeteilt werden: die ranghöchsten als Territoriumsinhaber, die nächst Niedrigen, die im Niemandsland auf einen frei werdenden Brunftplatz warten und die sexuell anfänglich noch indefferenten Junghirsche, die in den Territorien der Platzhirsche geduldet werden.
  • Brunftzeit: zieht sich über einen relativ langen Zeitraum hin und kann sich von Mitte September bis Dezember erstrecken.
  • Getrieben wird selten.
  • Der Platzhirsch bleibt ohne Nahrungsaufnahme in seinem Brunfteinstand bis er abgebrunftet hat; er wird dann von einem mittelalten Hirsch abgelöst, der vorher zwischen den Territorien hin und her pendelte. Der abgebrunftete Hirsch zieht sich zur Regeneration zurück.
  • Ernsthafte Kämpfe der Rivalen sind selten.
  • Je mehr alte Hirsche und je weniger Schmaltiere und junge Hirsche vorhanden sind, umso kürzer ist die Brunft.
  • Tragzeit: ca. 7 ½ Monate.
  • Setzzeit deutlich später als beim Rotwild. Hauptsetzzeit: Ende Mai bis Mitte Juli, mit Schwerpunkt im Juni.
  • Das Kalb wird 3 bis 4 Monate gesäugt.
  • Zuwachs: 1 Kalb je Alttier.
  • Der Hirsch ist mit ca. 7 Jahren ausgewachsen.
  • Zielalter des Hirsches: nicht unter 7. Kopf, besser 9. Kopf.
  • Kreuzungen zwischen Sika- und Rotwild kommen vor. Eine weitere Verbreitung des Sikawildes, vor allem in Rotwildgebieten, ist deshalb nicht zu empfehlen.
  • Höchstalter in freier Wildbahn: ca. 14 bis 16 Jahre.

Geweih:

  • Im Bast ist das Geweih rot gefärbt.
  • Vom 3. Kopf an trägt der Hirsch ein Achtergeweih; mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, wird dieses selten über die Achterstufe hinaus entwickelt.
  • Zwischen dem 10. und 14 Kopf ist das Geweih am stärksten entwickelt; der Rosenstockdurchmesser nimmt jedoch weiter zu.
  • Die Stangen sind selten länger als 50 cm und die Enden nicht länger als 10 bis 15 cm.
  • Die Perlung der Stangen ist beim Japanischen Sikahirsch gering oder nicht vorhanden, beim Dybowskihirsch ist sie stark

Fährte:

  • Sie ist etwas größer als beim Rehwild und der des Damwildes sehr ähnlich.
  • Trittsiegelgröße beim Sikahirsch: 7 bis 8 cm lang und 4 bis 5 cm breit; beim Tier: 5 bis 6 cm lang und 3 bis 4 cm breit.

Besonderheiten:

  • Weidmännische Ausdrücke – soweit anwendbar – wie beim Rotwild.
  • Wegen seiner Verträglichkeit und der Tatsache, dass Sikawild in hoher Stückzahl gehalten werden kann, eignet es sich gut für die Gehegehaltung, wo es sich gut mit Dam- und Muffelwild verträgt.