Sommerfreuden – das reinste Vergnügen?

Von Dr. Ludolf Hoffmann, Klub Tiroler Bracke Deutschland e.V.

 

Mal abgesehen von fehlenden Treib- und Drückjagden geht es uns gut in der warmen Jahreszeit. Die langen Tage lassen sich gut für vielfältige Aktivitäten draußen nutzen. Sofern berufstätig, befreit uns der Sommer eindeutig vom Status des reinen Nacht- und Wochenendjägers. Das kommt natürlich auch dem Hund zugute, kann er doch meist deutlich mehr Stunden mit Herrchen oder Frauchen und die nicht nur vor dem Kamin genießen.

Der Sommer kommt überdies auch unserem menschlichen Temperaturempfinden eher entgegen. Und ist es einmal zu warm, wird halt gekühlt. Eine sehr angenehme Variante der Kühlung besteht in der Zuführung kalter Getränke. Auch solcher ohne Alkoholanteil. Kinder brauchen schließlich auch Kühlung. Tatsächlich funktioniert Kühlung nicht ohne Flüssigkeitszufuhr. Die wird dringend benötigt, um den Flüssigkeitsverlust wieder auszugleichen, der durch das Schwitzen entsteht. Die menschliche Thermoregulation basiert praktisch ausschließlich darauf, dass wir schwitzen. Zugrundeliegendes physikalisches Prinzip dabei ist, dass durch das Verdunsten von Flüssigkeit Kälte entsteht. Ein sehr wirkungsvolles Prinzip, dass auch bei großen Kühleinrichtungen Verwendung findet. Etwa bei der Kühlkammer, in den wir erlegte Schwarzkittel zur Fleischreifung bringen.

 

Wie aber läuft das bei Tieren ab?

Nun, bei den allermeisten – für uns als Jäger aber meist weniger interessanten – Lebewesen lautet die Antwort: Gar nicht. Weil nämlich die allermeisten Tiere wechselwarm sind. Also die Körpertemperatur abhängig ist von der Umgebungstemperatur. Ist es bitterkalt, sind es auch die wechselwarmen Tiere und weil alles in Kälte nur langsam funktioniert – so auch die eventuell notwendige Flucht – bekommt man wechselwarme Tiere bei niedrigen Temperaturen selten zu Gesicht. Wenn es hingegen extrem heiß wird, muss gegebenenfalls ein kühles Plätzchen aufgesucht werden, bevor es kritisch wird. Tiere mit konstanter Körpertemperatur – Vögel und Säugetiere – haben den großen Vorteil, dass sie, solange sie nicht extremen Bedingungen ausgesetzt sind, unabhängig von der Umgebungstemperatur sind. Und so kann die Bracke lustig durch den verschneiten Winterwald läuten hinter Meister Lampe, der in gewohnter Geschwindigkeit die Flucht ergreifen kann. Im Sommer bei flimmernder Hitze das gleiche Bild. Nur ohne Schnee. Dieser Vorteil, immer zur Jagd bzw. zur Flucht bereit zu sein, erfordert wirksame Kühlmechanismen, sogar im Winter, weil Bewegung Wärme erzeugt. Wir schwitzen ja schließlich auch oft genug im Winter.

 

Schwitzen als Kühlmechanismus kann nur, wer über, auf der Körperoberfläche verteilte, Schweißdrüsen verfügt. Wie der Mensch. Auch Pferde sind damit gesegnet. Aber haben sie schon einmal einen verschwitzen Hund gesehen? Es wäre vermutlich äußerst ungünstig, würde der Hund oder Wolf nach der Jagd klatschnass bis auf die Haut – bzw. ja eigentlich von der Haut her – geschwitzt zu sein. Weil dann die Kälte durch mangelnde Isolierungswirkung des Fells das Folgeproblem würde. Wie bei dem Jäger, der dick eingemummelt zum Hochsitz stapft und dann zu frieren beginnt, weil seine Haut nass durch das Schwitzen geworden ist. Die Jacke von Hund und Wolf bleibt hingegen wunderbar trocken und wärmt nach anstrengender Jagd auch noch, wenn es Stein und Bein friert. Hunde haben tatsächlich so gut wie keine Schweißdrüsen, weshalb ihnen ein im warmen Raum aufgestellter Ventilator auch keine Kühlung verschafft, weil keine verstärkte Verdunstung von Schweiß bei stattfindet. Temperatur absenken tut nämlich garantiert kein Ventilator.

 

Es fühlt sich nur für uns so an.

Unser vor dem Hund flüchtende Mümmelmann hat seinen Kühler in den Löffeln eingebaut: Wird ihm auf der Flucht vor unserer Bracke warm, werden seine Ohren stärker durchblutet. Je mehr Blut durch seine Löffel fließt, umso mehr Wärme wird in die Luft abgeben. Das funktioniert wie der Kühler unseres Autos umso besser, je größer das Temperaturgefälle Blut- Umgebungsluft ist und je größer der Kühler ist. Eselhasen aus Wüstengebieten haben deswegen viel größere Löffel als unser einheimischer Meister Lampe. Und damit können sie kühlen, ohne auch nur ein einziges Tröpfchen wertvollen Wassers zu verlieren. Und wie kühlt der Hund? Es ist zwar unstrittig, dass die Behänge eines jagenden Hundes mehr Fläche aufzuweisen haben als die kleinen Kippöhrchen eines Terriers. Aber zur Kühlung taugen sie beide nicht wirklich viel. Sie sind schlicht nicht als Kühler konstruiert. Nein, Hunde und ihre wilden Verwandten hecheln, wenn ihnen warm wird. Im Prinzip arbeitet das auch mit Verdunstung. Da die Zunge durch Speichel ständig befeuchtet wird, findet hier natürlich auch eine Verdunstung statt. Es muss nur das Maul geöffnet werden.

Je weiter die Zunge aus dem Maul gestreckt wird, umso größer wird der Kühler und damit die Kühlwirkung. Nun ist aber die Oberfläche der Zunge ja auch wieder nicht riesig und schon gar nicht mit der gesamten Körperoberfläche zu vergleichen. Um das System effektiver zu machen, wird aktiv Luft an der Zunge vorbeiventiliert. Dieses hochfrequente Ein- und Ausstoßen von Luft ermöglicht raschere Verdunstung von Flüssigkeit an der Zunge und ist keinesfalls Zeichen ein Mangel an körperlicher Fitness. Die Luft, die der Hund beim Hecheln an der Zunge entlang atmet, gelangt gar nicht in seine Lunge, sondern er stößt die Luft seiner Atemwege, also der Luftröhre nebst Verzweigungen, die ja lediglich die Luft in die Lunge leiten und nicht selber am Gasaustausch beteiligt sind, schnell hin und her. Totraumhecheln sagt man deshalb auch dazu, eine wie ich finde sehr ingenieurtechnisch anmutende Bezeichnung. Aber technisch zweifelsohne korrekt.

Wenn wir im Sommer Hunde beobachten, können wir beobachten, dass sie fast ständig kühlen müssen. Wir dagegen finden es zur selben Zeit gerade so richtig angenehm. Vertreter des schönen Geschlechts mögen vielleicht gar noch ein wenig frösteln. Tatsächlich kommen wir mit Hitze besser zurecht und Hunde sind weitaus besser gegen Kälte gewappnet als wir. Und besser, als wir uns das oft klarmachen. Mein Terrier Ricki lag schon mal bei 18 Grad minus auf dem Kopfsteinpflaster und kaute selig den Lauf eines Stückes Rehwild. Und dem Behaglichkeitsempfinden meiner Amsel beispielsweise stand nicht entgegen, bei zweistelligen Minusgraden draußen im Heu eine Höhle für ihren zweiten Wurf zu graben. Einige Wochen später sind dann die Welpen vergnügt durch den Schnee getobt. Aber wenn die Sonne scheint und das Thermometer deutlich über 25°C anzeigt, ist Amsels Lieblingsplatz der Hausflur mit richtig kalten Steinfliesen.

 

Wo wir grad bei der Thermoregulation und Welpen sind:

Eine Wärmelampe hat in einer Wurfkiste absolut nichts, aber auch gar nichts verloren. Welpen haben nicht die Fähigkeit zu hecheln und kein Rezept gegen Wärme. Wenn es ihnen kalt wird, krabbeln sie auf einen Haufen, aber sie haben kein Mittel, sich Kühlung zu verschaffen. Die Natur hat es nicht vorgesehen, dass ein kleiner Welpe mit diesem Problem konfrontiert wird. Ich will damit keineswegs einer schlechten Hundehaltung ohne ein trockenes, windstilles Plätzchen das Wort reden. Aber es sollte sich jeder klarmachen, dass eine zu warme Wurfkiste eine tödliche Falle wird. Es gibt andere solcher Fallen.

Wenn Sie bzw. Ihr Hund das Pech haben, dass er zu bestimmten Anlässen einen Maulkorb tragen muss, seien Sie sich bewusst, dass dieser hinsichtlich der Thermoregulation des Hundes an einer denkbar ungünstigen Stelle angebracht ist. Das klassische Modell mutet zwar etwas martialisch an, aber es behindert Hecheln und guten Luftzug in aller Regel nicht. Wesentlich dramatischer ist dagegen das Hecheln eingeschränkt bei Modellen, die wie eine aus meist schwarzem Nylongewebe bestehende Tüte aussehen, die dem Hund über den Fang gezogen wird.

Da nicht einmal das Maul geöffnet werden kann, besteht hier für den Hund im Sommer akute Lebensgefahr. Das wäre so, als würden wir uns in einem Neoprenanzug stecken und an den Sommerstrand legen – der Kühlmechanismus ist komplett ausgehebelt. Die schlimmste Hitzefalle ist im Sommer zweifelsfrei das Auto. Ich weiß nicht, ob in Mitteleuropa jemals ein Hund in einem Auto erfroren ist, aber sicherlich sterben jedes Jahr qualvoll Hunde im Auto an den Folgen von Überhitzung.

Dabei geschieht das sicherlich nicht aus Absicht, sondern eher aus der Unterschätzung der Gefahr oder der unterschiedlichen Wahrnehmung von Hitze heraus. Grundsätzlich ist ein Auto zur Haltung von Hunden ungeeignet. Sie reiben sich die Augen? Tatsächlich gibt es einschlägige Gerichtsurteile darüber, dass der betreffende Tierhalter seinen Hund gemäß Tierschutz-Hundeverordnung unterzubringen hat und dass ein Auto die Voraussetzungen dafür nicht bietet. Gegen einen sicheren und kurzzeitigen Aufenthalt im Zusammenhang mit einem Transport im Auto ist hingegen sicher grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber ein in der Sonne abgestelltes Auto wird heiß. Wie ein Backofen.

Dass sich auch weiße Autos und nicht nur dunkle Exemplare aufheizen, hat sich ja mittlerweile herumgesprochen. Aber ein abgestelltes Auto mit Hund gehört definitiv nicht in die Sonne. Nicht für eine Minute.

 

Es passieren nämlich die verrücktesten Sachen:

Autoschlüssel beim Bäcker verloren ist nur eine Version, es gibt viele andere, die den Fahrer des Wagens daran hindern können, so rasch wie geplant wieder zu seinem Auto zu gelangen. Das sollte sich jeder unbedingt beim Verlassen des Autos vergegenwärtigen. Dem Drahthaar eines Bekannten hat eine Verkettung unglücklicher Umstände beinahe das Leben gekostet:

Das Auto stand offen auf dem Hof, der Hund legte sich zum Mittagsschläfchen hinein. Später sah es nach Gewitter aus und ein Familienmitglied schloss im Vorbeigehen die Autotür. Gottlob stellte sich jemand gerade noch rechtzeitig die Frage, wo sich denn eigentlich der Filou herumtreiben würde. Als man ihn fand, hatte er sich an die kühlste Stelle des Autos zwischen die Pedale vor dem Fahrersitz gedrückt und war bereits haarscharf vor dem Kollaps. Zwei Tage später konnte er wieder aus der Tierklinik entlassen werden. Bei hohen Temperaturen erreicht die im verschlossenen Auto stehende Luft auch im Schatten ungeahnte Werte.

Und der Schatten wiegt uns in trügerischer Sicherheit. Nun weiß zwar jedes Kind, dass die Sonne im Osten aufgeht und abends im Westen untergeht, aber zuweilen scheinen auch gestandene Waidmänner und –frauen da leichte Orientierungsschwierigkeiten zu haben. Ich würde mal platt sagen:

 

Nur ein Parkhaus bietet sicheren Schatten.

Wer sich daran hält, geht auf Nummer sicher. Natürlich kann man auch das Auto mit offenem Fenster abstellen. Die Wirkung von einem geöffneten Fenster wird dabei meist überschätzt.

Nur wenn mehrere gegenüberliegende Fenster geöffnet sind, kann Luft auch wirklich durchziehen, andernfalls hängt die warme Luft im Wageninneren wie in einer Käseglocke fest. Im Zubehörhandel gibt es diverse Hilfsmittel, die ein teilweises Öffnen von Fenster oder Kofferraumklappe erlauben, ohne dass Unbefugte das Vehikel samt Hund entwenden können. Auch solche tragischen Geschichten gab es schon und da mag sich die Anschaffung lohnen. Was für unser hocheffektives Kühlsystem noch leistbar ist, bringt das vieler Tiere oft schon an deren Grenzen. Besonders beeindruckend finde ich einen Beitrag einer namhaften britischen Rundfunkanstalt: Es ist zu sehen, wie Buschmänner Hetzjagd betreiben. Also wirklich sie selber, nicht etwa, dass sie von anderen Tieren hetzen ließen. Unter praller afrikanischer Mittagssonne rennen sie hinter einem großen Kudu-Bullen her, bis er zusammenbricht.

Der Jagderfolg ist nicht nur das Ergebnis ihres bewundernswerten Durchhaltevermögens, ihrer guten Kondition und ihrer schon übersinnlich anmutenden Fähigkeit beim Fährtenlesen. Er ist auch ein Ergebnis des hocheffektiven menschlichen Kühlsystems. Die große Antilope wird zur Beute, weil sie auf der Flucht überhitzt. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass was uns warm erscheint, für Hunde schon ein Problem werden kann. Das gilt vor allem für ältere Semester. Oder für Hunde mit Grunderkrankungen am Herz-/Kreislaufsystem.

 

Von dem Sonderfall Welpen sprachen wir ja schon weiter oben….

Wenn Sie sich nicht trauen, eine ausgepackte Tafel Schokolade auf den Fahrersitz Ihres abgestellten Wagens liegen zu lassen, weil Sie deren Schmelzen und in Folge peinliche Flecken auf Ihrer Hose befürchten, dann denken Sie bitte erst gar nicht darüber nach, Ihren Hund im Auto unterzubringen. Machen Sie einmal den Schoko-Test. Vielleicht überzeugt er Sie von der Backofenwirkung eines Autos. Muss ja nicht unbedingt auf dem Fahrersitz sein. Und wenn Sie sich nicht trauen, sollten Sie das gleichartige Experiment auch nicht mit Ihrem Hund machen. Es ist sicher besser für ihn, daheim in Haus, Hof oder Zwinger zu bleiben, wo er Wasser und Kühle zur Verfügung hat, als im warmen Auto da hinzuschmelzen.

Der Aufwand an Organisation für Zwinger oder geeignete Betreuung ist winzig gegen das, was zur Ausbildung unserer Tiroler Bracken in aller Regel gerne investiert wird. Ihr Hund hat verdient, dass hier nicht geschludert wird. Verlassen Sie sich nicht auf Halbschatten oder darauf, dass es mit der Besorgung gewiss ganz flott gehen wird. Und wenn Sie sehen, dass ein Hund in einem abgestellten Auto in Not ist, zögern Sie nicht, einzugreifen. Sprechen Sie den Besitzer an, wenn Sie ihn sehen. Ein Notruf bei der Polizei hat auch schon vielen Hunden geholfen. Und im Zweifelsfall kann der Wert einer zertrümmerten Autoscheibe kein Argument dagegen sein, einem Hund in lebensbedrohlichem Zustand zu helfen.