Vergiftungsrisiken bei unseren Hunden

Von Dr. Ludolf Hoffmann, Klub Tirolerbracke Deutschland e.V.

 

Alle Jahre wieder …. kommt bekanntlich zur Weihnachtszeit das Christkind. Nicht jedes Jahr, aber doch alle paar Jahre, ist ein Naturphänomen zu beobachten, das man als Mäusekalamität bezeichnet. Eine beobachtbare starke Vermehrung von Mäusen. Nicht nur bei Mäusen gibt es ein derartiges Phänomen, viele Wildtierpopulationen unterliegen einem mehrjährigen Auf und Ab in ihrer Populationsdichte. Wer dieses Jahr offenen Auges durch Feld und Wald geht, dem kann nicht entgehen, dass sehr zahlreich Mäuse vorhanden sind. Und es gibt zahlreiche mit Raps oder Wintergetreide bestellte Äcker, an deren Rändern kaum noch ein Pflänzchen verschont geblieben ist. Tiere, die in wesentlichem Umfang bei ihrer Nahrungsbeschaffung auf das Verzehren von Mäusen angewiesen sind, leiden in diesen Tagen keine Not.

Können sie doch aus dem Vollen schöpfen! Ihnen hilft der Mensch gerne. Zu gegenseitigem Nutzen. So kann man dieses Jahr viele aufgestellte Pflöcke an Ackerrändern sehen, die Greifvögeln und Eulen ein Aufbaumen ermöglichen und damit ihre Jagd erleichtern sollen. Praktizierte biologische Schädlingsbekämpfung, die die Greife dahin lenkt, wo ihre Beute besonders unerwünscht ist. In der Mitte stark von Mäusen heimgesuchter Äcker verlässt man sich hingegen in aller Regel weniger auf die Biologie, sondern greift zu drastischeren Maßnahmen:

Man bringt Giftweizen aus. Den fressen die Mäuse und sterben. Das heißt, sie fressen des Öfteren davon und sterben dann. Giftweizen enthält in der Regel Cumarin bzw. Cumarinderivate, also abgewandeltes Cumarin. Cumarin und seine Abkömmlinge funktionieren als Gegenspieler von Vitamin K. Dieses wiederum wird zwingend benötigt, damit die Blutgerinnung funktioniert. Kann sie es nicht, verblutet Mann bzw. Maus infolge irgendwelcher noch so kleinen Blessuren, die sich zum Beispiel die kleinen Nager in innerartlichen Kämpfen zuziehen.

Das mag ein angenehmer, weil nicht mit Schmerzen verbundener Tod sein. Aber ein Tod ist es immerhin. Und tückisch bleibt der Einsatz von Gift immer. Das ist zum einen jetzt einmal aus meinem persönlichen ethischen Blickwinkel betrachtet so, zum anderen ist es aber auch deswegen der Fall, weil die Verabreichung – wenn man die denn so nennen mag – naturgemäß nicht gezielt erfolgen kann und wird. Und so erwischt es die Eule und den Bussard unter Umständen auch, wenn sie zusammen mit ihrer Beute auch noch eine Portion Cumarin zu sich nehmen, welche sich die Maus zu Lebzeiten einverleibt hat. Gleiches kann unserem Hund widerfahren, der die womöglich geschwächten Nager fängt und sich einverleibt.

Wer nun glaubt, dass Gefahr durch Mäusegift ausschließlich in Feld und Hof besteht, der irrt. Auch im Wald sind Schermaus und Co. in großer Zahl anzutreffen und da sie sich an den Wurzeln junger Bäume laben, werden sie auch dort zum Ziel menschlichen Gifteinsatzes. Auf den diesjährigen Drückjagden habe ich mehr als einmal mit Mäusegift ‚verminte‘ aufgeforstete Kahlschlag- bzw. Windwurfflächen begangen. Meist werden, um eine allzu ungezielte Giftweizenaufnahme zu vermeiden, die rot angefärbten Körner in kurzen Abschnitten von gelben Drainageleitungen angeboten, die mittels eines umgebogenen Drahtes am Boden gesichert sind. Trotzdem ist es unvermeidbar, dass sich Gift auch außerhalb dieser Einrichtung befindet. Und es ist sicher kein Zufall, dass mein Hund Amsel der morgendlichen Freigabe entgegen mehrfach Waidmannsheil auf eine von mir dann nicht mehr näher anzusprechende Maus hatte – und in aller Regel war Amsel sehr flott damit, sich an ihrer Beute genossen zu machen.

Nun ist eine vom Hund verspeiste Maus, egal ob giftbelastet oder nicht, sicher noch kein Grund zur Panik. Den hätte nur die Maus gehabt. Die Dosis wird kaum ausreichen, um an einem Hund von ca. 20 kg messbare Schäden auszulösen. Aber Sie sollten sich besonders in Jahren wie diesem der Tatsache eines gelegentlich großflächigen Cumarineinsatzes bewusst sein. Und „dosis sola facit venenum“- „nur die Dosis macht das Gift“, wie schon der alte Paracelsus an die Nachwelt weitergegeben hat.

Auch an Teichen finden oft Rattenbekämpfungsmaßnahmen statt – nicht immer in den perfekten Köderboxen. Wird Ihre ansonsten quirlige Bracke zunehmend matt und „wohltuend“ ruhig, ist das klar ein Grund für Sie, unruhig zu werden. Sind gar Blutungen festzustellen, gilt im wahrsten Sinne des Wortes Alarmstufe rot. Dann geht’s sofort ab zum Tierarzt des Vertrauens und wenn noch so tolle Verleitungen zugegen sein mögen! Im tierärztlichen Praktikum pflegte ich einmal einen stattlichen Berner Sennenhund, der „aus allen Knopflöchern“ blutete. Sogar Blutungen in den Augen, also blutrote Augen, hatte er. Allen schlechten tierärztlichen Prognosen zum Trotz überlebte er. Das war durchaus nicht mein Verdienst, sondern das der intensiven Therapie, die vor allem darin besteht, Vitamin K zu verabreichen – je früher, umso besser. Und es lag sicher auch daran, dass er ein besonders zäher Bursche gewesen sein mochte. Oder daran, dass er einfach Glück hatte. Was nicht alle haben….

Cumarin wird übrigens auch bei erhöhter Gerinnungsneigung bzw. dann verabreicht, wenn man Blutgerinnung möglichst erschweren oder verlangsamen will, z.B. bei Infarktpatienten. Vor vielen Jahren beschimpfte mich völlig unvermittelt ein entgegenkommender Spaziergänger, ich solle meine Hunde (seinerzeit zwei Rauhaardackel) gefälligst anleinen, er wäre Marcumar (ein Cumarinderivat)-Patient. In seinem Fall hätte eine Bagatellverletzung, und sei es nur durch vom Hund verursachtes Stolpern, seinen Tod bedeuten können. So unverständlich uns Angst vor Hunden vorkommen mag, so verständlich war doch seine Reaktion.

Fällt es uns in der Regel schwer, zu verstehen, dass es zahlreiche Menschen gibt, die eine unüberwindliche Angst vor Hunden haben (worauf man in ureigenem Interesse Rücksicht nehmen sollte!) so ist es zumindest mir gänzlich unbegreiflich, dass es Zeitgenossen gibt, die echte Hundehasser sind. Es gibt sie in des Wortes reinster Bedeutung. Und es gibt tatsächlich Menschen, die sich vorgenommen haben, Hunden Schlechtes anzutun.

Auch in Deutschland. Solche Menschen, von deren Charakter und Ehrenhaftigkeit ohnehin nicht viel zu halten ist, versuchen auch immer wieder, Hunde zu vergiften. Auch Katzen werden oft Opfer ihrer kriminellen Energie, weil ja jedwedes Gift so verpackt werden muss, dass es der Hund freiwillig zu sich nimmt, also in irgendwelchen leckeren Brocken. Die dann gelegentlich auch von Katzen aufgenommen werden. Es gibt leider naturgemäß keinen hundertprozentigen Schutz dagegen, Opfer von Verbrechen zu werden. Aber Sie sollten auf jeden Fall aufmerksam sein, wenn in der Lokalpresse von Vergiftungsfällen zu lesen ist oder sich Suchanzeigen von Katzen an Laternen häufen und darauf zu achten, dass sich Ihr Hund in solchen Zeiten nicht Ihrer Kontrolle entzieht.

Es würde genug Stoff für ein Buch abgeben die Palette an Giftstoffen aufzuführen, derer sich dieses Gesindel bedient. Dabei sind Überdosen an Medikamenten, Pflanzenschutzmittel usw. Und ein weiteres Buch würde füllen, Symptome und Therapie aufzulisten. Wichtig ist, rasch einen Tierarzt aufzusuchen. Es gibt eine Vergiftungszentrale in Deutschland, eine Art Telefon-Hotline, die jederzeit von Ärzten konsultiert werden kann. Auch Ihr Tierarzt hat sicher die Nummer.

Andererseits muss man sich ganz deutlich vor Augen führen, dass die meisten diagnostizierten Vergiftungsfälle an Tieren überhaupt keine Vergiftungen sind, sondern andere Leiden, die plötzlich zum Tod eines geliebten Haustieres führen. Wir können uns oft nicht vorstellen, was Hunde wegzustecken in der Lage sind und vermuten daher beim plötzlichen Ableben eines Vierbeiners Vergiftungen. Und es fällt den meisten Hundehaltern auch nicht weiter schwer mindestens einen Hauptverdächtigen gratis dazu zu liefern. Ein Nachbar, der schon immer ziemlich komisch war, jemanden, dessen Katze ihre 7 Leben im Fang unseres braven Hasso ausgehaucht hat und dann noch stolz apportiert wurde….

Wenn wir lange genug nachdenken, identifizieren wir ganz sicher eine ausreichende Anzahl an Menschen, die eine abscheuliche Tat wie diese auszuführen kaltblütig genug wären. Motive in Hülle und Fülle sowieso…

Aber auch hier muss ich mit einem Vorurteil aufräumen: In den seltensten Fällen werden Hunde vorsätzlich vergiftet. Das gibt es zwar, aber selten. Genauso wenig wie Mäuse- oder Ratten-Vergiftungsaktionen zum Ziel haben, Menschen oder Haustiere bzw. andere Wildtiere zu schädigen oder gar zu töten. Vergiftungen sind meistens Unfälle und geschehen aus Unachtsamkeit oder Gedankenlosigkeit – tragischer Weise oft vom eigenen Halter herbeigeführt.

Bezeichnend mag folgende tragische Geschichte sein: Ein befreundeter Tierarzt und Wachtelhundführer hat eine Großtierpraxis, daher ist er oft unterwegs, während die Hunde im Hof bei der Praxis sind. Eine große Lieferung Entwurmungspaste wurde vom vertretungsweise fahrenden Arzneimittel-Lieferdienst in den Hof gestellt anstatt an die vereinbarte „hundesichere“ Abladestelle. Da Medikamentenhersteller mit großem Erfolg an der Schmackhaftigkeit von Entwurmungspasten für Pferde – da gibt es Zimtgeschmack, Apfel usw. – gearbeitet haben, Wachtelhunde meist ziemlich verfressen sind und ein Großtierpraktiker oft lange unterwegs ist, nahm das Schicksal seinen Lauf: Die Umverpackung konnte den Hundezähnen nicht lange Widerstand leisten und nur die mäkeligste Fresserin konnte später noch gerettet werden.

Vorsicht ist auch bei von uns achtlos abgestellten Farben und Lacken geboten. Mein Vater pflegte, Rostschutz an diversen Metallteilen durch Bepinseln mit Mennige vorzunehmen. Das Zeugs ist aber bleihaltig, weshalb es auch Bleimennige genannt wird und wird von fast allen Tieren gerne genommen. Bekannt ist es auch aus der Kälbermast geworden, in der die bedauernswerten Tiere, um ein vom Verbraucher gewünschtes helles Fleisch zu erzielen, einem Eisenmangel

ausgesetzt blieben. In ihrer Not leckten sie an allen erreichbaren Eisenstäben, die ihrerseits oft einen Anstrich aus Mennige hatten. Bleivergiftung, mittlerweile uns Jägern eher im Rahmen der Munitionsdiskussion aufgrund angeblich oder tatsächlich vergifteter Seeadlern geläufig, führt zu zentralnervösen Symptomen und „Blutarmut“ und noch etlichen Symptomen mehr. Wobei es auch hier darauf ankommt, welche Mengen bzw. in welcher Häufigkeit und welchen Zeitraum der Giftstoff aufgenommen wird.

Hätten Sie’s gewusst: Auch Frostschutzmittel ist hochtoxisch! Wenn also der Oldie tropft, muss Bello nicht unbedingt freien Zugang zur Garage haben. Das Glykol in den Kühlkreisläufen unserer Autos schmeckt süß und hat traurige Bekanntheit durch das Panschen von Wein erlangt. Apropos Alkohol: Spirituosen sind eindeutig besser in Herrchen investiert als in den Vierbeiner. Selbst die untrainierteste Menschenleber ist weitaus besser als eine Hundeleber in der Lage, Alkohol abzubauen. Das liegt daran, dass die Alkoholdehydrogenase, also das Enzym, das für den Abbau von Blutalkohol verantwortlich ist, bei uns Menschen in weitaus größerem Maße zur Verfügung steht.

Da gibt es natürlich auch große Unterschiede. Bei den Menschen meine ich. Genetisch bedingt verfügen Asiaten beispielsweise über weniger davon und sind daher nicht so trinkfest. Auch Männer sind in dieser Hinsicht von Mutter Natur bevorzugt worden. Ob es Untersuchungen über Unterschiede innerhalb der Population der Mitteleuropäer gibt, ist mir nicht bekannt. Aber da die Höhe der Enzymherstellung und -ausschüttung in wesentlichem Maße auch eine erworbene Eigenschaft ist, kann gemutmaßt werden, dass Jäger in dieser Hinsicht nicht am unteren Ende der Nahrungskette stehen, um es einmal so auszudrücken. Summa summarum: Ein alkoholhaltiges Getränk gehört ausschließlich in den Weidsack von Herrchen.

Bei anderen Genussmitteln ist das ähnlich: Schokolode beispielsweise ich nicht nur schlecht für die Figur, für Hunde ist sie sogar gefährlich. Das liegt an dem in der Schokolade enthaltenen Theobromin. Je dunkler die Schokolade, umso mehr davon ist drin. So bekam ich einen ziemlichen Schreck, als meine Amsel – der Terrier Ricki war als Spießgeselle natürlich mit von der Partie – zwei komplette Tafeln Schokolade vom Tisch entwendet und verspeist hatte. Das Papier hatten sie noch in kleinen Fetzen vor dem Verzehr entfernt und großflächig im Wohnzimmer verteilt. Mit dem Silberpapier hatten sie sich weniger Mühe gegeben. Das hat erst am nächsten Tag in Form ihrer Hinterlassenschaften das Licht der Welt wiedererblickt. Weil die Schokolade eine der helleren Sorten war, ist außer einer unruhigen Nacht für mich nichts weiter passiert. Im schlimmsten Fall können Unruhe bis hin zu Krämpfen und Tod auftreten.

Wenn der Hund mit Vergiftung zum Tierarzt gebracht wird, wird er oft Erbrechen auslösen, um zu verhindern, dass noch im Magen vorhandenes Gift in den Darm gelangt und ebenfalls aufgenommen wird. Das tun Hunde oft auch selber. Dazu fressen sie meist Gras. Sie sollten deshalb niemals einen Hund am Grasfressen hindern.

Seien Sie ansonsten aufmerksam, aber nicht ängstlich. Vergiftungen kommen seltener vor als angenommen. Die Unachtsamkeit des Halters ist die größte Gefahr für den Hund, auch auf diesem Gebiet. Und Ihr Nachbar, der ist in den allermeisten Fällen völlig unschuldig. Wenn sie also vorhaben, ein gepflegtes Bierchen in Gesellschaft zu trinken – laden Sie besser ihn ein, als es mit Ihrem Hund zu teilen. Es ist besser für alle.