Von Ernst-Otto Pieper
Im ausgehenden Mittelalter sahen sich immer mehr Menschen Hexereien ausgesetzt, besonders nach tragischen Ereignissen und Missständen. Auch war man davon überzeugt, dass Tiere, genau wie die Menschen, sehr darunter leiden und sich ihrer zu erwehren suchen. Hierzu sollten sie Zauberkräuter benutzen, auch gegen Krankheiten und Wunden.
Diese „Zauberkräuter“ tragen zum Teil noch heute danach ihren Namen.
Zahlreiche Hinweise finden wir im „Kreütterbuch“ von 1546 des deutschen Theologen, Arztes und Botanikers Hieronymus Bock (*1498, + 1554). Auch einer der bedeutendsten Gelehrten der Schweiz, der Arzt, Naturforscher, Altphilologe und Enzyklopädist Conrad Gesner (*1516, + 1565) gibt in seinem „Vollkommenes Vogel-Buch“ von 1669 viele Hinweise. Aber auch zahlreiche andere Autoren haben sich mit diesem Thema befasst.
Schwalben, die nach der Geburt noch nicht sehen können, macht die Mutter durch ein Kraut sehend. Die jungen Schwalben werden von ihren Eltern aus dem Nest gelockt, um sich das Kraut zu suchen. Aelianus Tacticus (um 220 n.Chr.), von Gesner 1557 zitiert, meint: dieses Kraut hätten die Menschen „ob sy gleich ein groß verlangen danach gehabt, noch nie erkennt.“ Andere Autoren aber wollen wissen, dass es das Schöllkraut oder Schwalbenkraut sei. „Damit haben die Schwalben also dem Menschen gezeigt“, betont Gesner, „Was dem Gsicht vast heilsam und gut seye.“ Der im 2. Jahrhundert n.Chr. lebende griechische Grammatiker Oppianos kann sogar Näheres über den Hergang der Sehendwerdung sagen: Die Schwalbe beißt das Kraut mit dem Schnabel ab und tropft den Saft den Jungen in die Augen. Bei Johannes Praetorius (*1630, +1680), „Storchs und Schwalben Winterquartier“ (1676), spricht die Schwalbenmutter: „Wenn etwa ein Wund und Schaden am Gesichte/ Ein Schwälblein bekömmt, so bin ich da und schlichte/ Den Handel mit dem Kraut, so von uns genannt,/ Das hilfft zur Stund und thut der Blindheit Widerstand.“ Und weiter schreibt er: „Mit was kann doch die Schwalb den Jungen ihre Augen,/ Wenn sie verblendet seyn, und nicht zu sehen taugen,/ In dreyer Tagesfrist, und eine kurtze Zeit,/ Ergantzen wiederüm und geben Licht und Freud? Es ist ein edles Kraut, das Chelidoni heisset, Sonst schwalbenwurtz genannt; von eben diesem beisset/ Die Mutter etwas ab, und trücket es darauf Den Jungen in das Aug, dass sich der Staar verlauf.“
Hieronymus Bock in seinem „Kreütterbuch“ (1546) und Conrad Gesner in seinem „Allgemeines Thier-Buch Bd. 2 (Vogel-Buch)“ (1669) berichten folgendes:
Die kranke Ringeltaube legt ein Lorbeerblatt in ihr Nest und wird dadurch wieder gesund.
Verträgt der Wiedehopf die von ihm gefressenen Weinbeeren nicht, nimmt er Mauerraute in den Schnabel und geht damit hin und her. Die Mauerraute kuriert ihn.
Wiedehopfe sollen im Alter erblinden. Hier sind es die Jungen, die ihren Eltern mit einem Kraut die Augen salben, das sie wieder sehend macht.
Habichte suchen das Habichtskraut und reiben es in die Augen, „die tünckle (Dunkelheit) daraus zu vertreyben.“
Storch und Fledermaus sollen sich nach alter Darstellung feind sein. Um die Storcheier unfruchtbar zu machen, versucht die Fledermaus diese zu berühren. Der Storch weiß sich des Zaubers zu erwehren, indem er Ahornlaub in sein Nest legt. Für den gleichen Zweck benutzen Raben „Schaafwull“, die Turteltaube „schwertelwuzen“, und der Wiedehopf „Mauerrauten“; letzterer soll aber auch Gras verwenden.
Als einmal ein Wiedehopf sein Nest in ein Mauerloch gebaut hatte, kam ein garstiger Mann und stricht den Eingang mit Lehm zu. Der Wiedehopf flog daraufhin fort und kam mit einem Kraut wieder. Das hielt er vor den Eingang, worauf dieser sich öffnete. Der Mann verschloss das Nest ein zweites Mal, und wieder öffnete es der Wiedehopf. Da sammelte der Mann das Kraut, das der Vogel am Nest fallen ließ, „und wendete es an, um Türen zu öffnen, hinter denen Schätze lagen, die ihm nicht gehörten, und die er nun stahl.“
Gesner meint dazu: „Welcher dies Kraut erkennet, der wirt leychtlich alle verschloßnen thüren und andere schlösser damit können aufschließen.“
Kräuter wurden von Vögeln auch zu anderen Zwecken genutzt: Krähen trieben mit Braunellen, Schwalben mit Efeublättern die Schaben aus dem Nest.
Damit Wolf und Fuchs ihren Jungen nicht schaden können, schützt die Weihe ihr Nest mit „krauselbeerstauden“.
Der Name des Krautes, mit dem man Sperlinge und Stare aus den Hirsefeldern vertreiben kann, blieb leider unbekannt. Gräbt man es an den vier Ecken des Gartens ein, kann kein Vogel in das Feld fliegen, „welches nun ein wunder zu sagen ist“.
Quellen:
Bock, Hieronymus
Kreütterbuch, 1546
Gesner, Conrad
Allgemeines Thier-Buch Bd. 2 (Vollkommenes Vogel-Buch), 1669
Lenz, Harald Othmar
Zoologie der alten Griechen und Römer, 1856
Praetorius, Johannes
Storchs und Schwalben Winterquartier, 1676