Vogelberingung – was tun bei Fund eines beringten Vogels?

Von Ernst-Otto Pieper

Foto: E.-O. Pieper

Am 8. September 2015 wurde mir der Ring von einem verendeten Kormoran übergeben (er lag im Garten des Finders auf dem Rasen), mit der Bitte, herauszufinden, wann und wo der Vogel beringt wurde.

Der aus rostfreiem Stahl gefertigte Ring hatte eine deutlich lesbare Beschriftung: ZOOL. MUSEUM 2100 DENMARK www.ring.ac 2N-5354.

An wen hat man sich in einem solchen Fall zu wenden? Dafür gibt es eine zentrale Adresse: EURING, die europäische Koordinationsstelle für die wissenschaftliche Vogelberingung, und ihre Website www.ring.ac.

Die Art der Beringung verrät uns schon mal, ob es sich um einen Wildvogel oder um einen Vogel aus menschlicher Haltung handelt. Für die Beringung wildlebender Vögel – zum Beispiel für die Untersuchung von Zugwegen – werden Ringe, meistens Aluminiumringe, in verschiedenen Bauformen und Farben verwendet. Immer ist dort ein eindeutiges Erkennungsmerkmal, nämlich neben einer Nummer ist auch der Name und der Ort der Ausgabestelle eingeprägt, etwa „Vogelwarte Radolfzell Germania“ oder wie in unserem Fall Zool. Museum 2100 Denmark “. Die Daten solcher Ringe können unter www.ring.ac in einem Online-Formular direkt eingegeben werden – sie werden automatisch an die Ausgabestelle weitergeleitet.

Das gleiche gilt für eine weitere Gruppe von Ringen: Farbige Ringe aus Metall oder Kunststoff, oft mit großen Buchstaben oder Ziffern, ermöglichen Wissenschaftlern, Vögel schon im Feld mit Fernglas oder Spektiv individuell zu erkennen. Solche Ringe sind immer an einer Stelle offen (an dieser Stelle zusammengepresst) und unterscheiden sich damit von den Ringen, mit denen Vögel aus Menschenhand – entkommene Käfigvögel oder Brieftauben – gekennzeichnet werden: Letztere sind immer rundum geschlossen und tragen neben einer Nummer oft noch ein Kürzel für die zentrale Meldestelle für diese Ringe, z.B. „DV“ für den Verband Deutscher Brieftaubenliebhaber. Bei einem Ringfund derart beringter Tiere aus Menschenhand kann der Fund zwar nicht bei EURING gemeldet werden, unter www.ring.ac sind aber zumindest die Kontaktadressen genannt, die hinter diesen Kürzeln stecken und die dann eine entsprechende Mitteilung entgegennehmen.

Das Ausfüllen des Formulars beansprucht nur wenige Minuten und ist völlig problemlos. Die Rückmeldung erfolgt meist nach wenigen Minuten.

In meinem Fall war der Vogel am 16.06.2015 in Tyreholm auf der dänischen Insel Møn beringt worden. Er hat also nach seiner Beringung nur noch 2 Monate und 19 Tage gelebt und sich in dieser Zeit 224 km vom Beringungsort entfernt.

 

Warum werden Vögel beringt?

Die Vogelberingung wurde in größerem Umfang für wissenschaftliche Zwecke erstmals im Jahre 1899 durch den Dänen H. D. Mortensen angewandt. Er versah Stare mit Metallfußringen, die neben einer Nummer auch eine Rücksendeadresse aufwiesen. Nach diesen Anfängen entwickelte sich die Vogelberingung zu einer weltweit angewandten Standardmethode zur Erforschung des Vogellebens. Als wissenschaftliche Markierungsmethode ist sie nach wie vor für die Vogelzugforschung, für die Erforschung populationsbiologischer Zusammenhänge, für ökologische Untersuchungen oder für Verhaltensstudien und damit für den Arten- und Naturschutz ein unverzichtbares Hilfsmittel. Nur mit Hilfe der individuellen Kennzeichnung ist es möglich, u.a. so wichtige Parameter wie Rückkehrraten, Überlebensraten und Ansiedlungsverhältnisse zu erfassen. Die Vogelberingung erfolgt weitgehend auf ehrenamtlicher Tätigkeit. Mit Hilfe von mehr als 10.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern, den Beringern, werden in ganz Europa vogelkundliche Langzeit-Untersuchungen durchgeführt. Nationale Beringungszentralen organisieren die Beringung, koordinieren die einzelnen Forschungsprojekte und sorgen dafür, dass die Beringung höchsten Maßstäben von Technik und Naturschutz genügt. Die Unversehrtheit des Individuums steht dabei stets im Vordergrund.

EURING, die europäische Dachorganisation der nationalen Beringungszentralen, sorgt für europaweit standardisierte Datensammlung und Computererfassung und koordiniert kontinentweite Forschungsprojekte.

In Europa werden alljährlich etwa 3,8 Millionen Vögel beringt und etwa 90.000 wiedergefunden.

Detailkenntnisse über die Anforderungen, die die Zugvögel auf dem Zug und im afrikanischen Winterquartier an ihren Lebensraum stellen, sind unbedingte Voraussetzung für wirksame Schutzmaßnahmen.

Jeder gemeldete Wiederfund eines beringten Vogels trägt dazu bei, die Ursachen der Zu- und Abnahme von Vogelarten zu verstehen. Durch Wiederfunde können wichtige Rastplätze und Winterquartiere identifiziert und somit Grundlagen für ein integriertes System von Schutzgebieten für unsere Zugvögel geschaffen werden.