Vom Geweih zum Kamm

Von ERNST-OTTO PIEPER

 

Foto: E.-O. Pieper

Sie waren schon eine bemerkenswerte Gruppe von Menschen – die Wikinger. Spontan fällt den meisten heute Lebenden nur ein, dass sie brandschatzende, kriegerische Seefahrer waren. Hinter diesen Nordmännern steckt aber weit mehr als Brand und Raub. Es gibt eine Reihe von archäologischen Funden, insbesondere aus Haithabu bei Schleswig, die beweisen, dass diese zwischen 800 und 1050 n. Chr. lebenden, vornehmlich in ihren großen Handelszentren, perfekte Handwerker  und Kaufleute waren. Die Archäologen bringen immer wieder einmalig gut erhaltene Funde in Haithabu ans Tageslicht – das Wikinger Museum in Haithabu bietet einen großen Überblick.

Güterproduktion setzt verfügbare Rohstoffe voraus. Da größere Wildarten im unmittelbaren Umfeld in nicht unerheblicher Menge vorkamen, liegt es auf der Hand, dass neben der Verwertung des Wildbrets auch alles sonst wie Verwertbares handwerklich genutzt wurde – es wurde nichts weggeworfen. Aus Geweih und Knochen fertigte man in Haithabu vor allem Kämme wie auch mancherlei andere Gerätschaften bis hin zu Spielsteinen. Mit Hilfe des überreichen Fundmaterials lässt sich der Herstellungsprozess von Kämmen in allen Einzelheiten nachzeichnen.

Fertigungsweg eines Kammes Grafik: E.-O. Pieper

Zunächst wurde das Geweih mit Hilfe einer kleinen Eisensäge in passende Stücke zerlegt.  Die so gewonnenen Rohstücke wurden dann mit Messer und Säge weiter bearbeitet bis sie schließlich ihre endgültige Form als Kammplättchen bzw. Kammbügel hatten. Waren die Einzelteile komplett, wurden sie zunächst mit einer speziellen Klemme aus Knochen zusammengefügt und anschließend vernietet. Der hintere Rand des Kammes konnte nun abgeschnitten werden. Nun begann sicherlich eine der schwierigsten Arbeiten – das Heraussägen der einzelnen Zinken. Abschließend noch einige Schleifarbeiten und Verzierungen – fertig ist der Kamm. Wer Gelegenheit hat, einmal die sehr schön erhaltenen Exponate im Wikinger-Museum zu betrachten, kommt ob der tadellosen Handwerkskunst, nicht aus dem Staunen raus.

Arbeitsplatz eines Kammmachers Foto: E.-O. Pieper

Es ist nicht auszuschließen, dass Kammmacher sowohl sesshafte wie auch wandernde Handwerker waren – wir wissen es nicht.