Von Linné und seine Blumenuhr

Jede Blüte zu ihrer Zeit

Von Ernst-Otto Pieper

 

„Können Sie mir mal sagen, wie späte es ist? – „Moment, ich werfe mal einen Blick auf meinen Enzian…“ Wenn Sie diese Antwort für seltsam halten, haben Sie noch nie etwas von einer Blumenuhr gehört.

Carl von Linné (1707 – 1778), dessen 300. Gurtstag am 23. Mai 2007 gefeiert wurde, beobachtete 1745 das erste Mal, dass jede Pflanze die ihr eigene „Uhrzeit“ hat. Morgens um sieben öffnet die Ringelblume ihre leuchtenden Blüten und schließt sie pünktlich wieder um eins. Wie die hübsche Heilpflanze haben alle anderen blühenden Pflanzen bestimmte Zeiten, zu denen ihre Blüten auf- und zugehen. Was liegt also näher, als die Zeit mit Hilfe dieses Wissens zu bestimmen?

Hier einige Beispiele, die sich schier endlos erweitern lassen – probieren Sie.

Öffnungszeiten der Blüten:

05:00 Uhr: Kürbis
05:00 Uhr: Mohn
05:00 Uhr: Wegwarte
06:00 Uhr: Zaunwinde
07:00 Uhr: Seerose
07:00 Uhr: Huftlattich
07:00 Uhr: Frauenmantel
08:00 Uhr: Sumpfdotterblume
09:00 Uhr: Enzian
09:00 Uhr: Margerite
10:00 Uhr: Sauerklee
11:00 Uhr: Kohl-Gänsedistel
12:00 Uhr: Mittagsblume
16:00 Uhr: Wunderblume
20:00 Uhr: Nachtkerze

Schließzeiten der Blüten:

14:00 Uhr: Wegwarte
15:00 Uhr: Kürbis
16:00 Uhr: Huflattich
16:00 Uhr: Sauerklee
17:00 Uhr: Seerose
18:00 Uhr: Mohn
21:00 Uhr: Sumpfdotterblume

 

Daraus entwickelte von Linné eine Blumenuhr – „damit man, wenn man auch bei trübem Wetter auf freiem Felde sich befindet, ebenso genau wissen könne, was die Glocke sei, als wenn man eine Uhr bei sich hätte“.

Der Grund, warum nicht alle Pflanzen „rund um die Uhr“ blühen ist simpel: die Pflanzen müssen Energie sparen und unterschiedliche Blühzeiten bedeuten auch bessere Anpassung an die bestäubenden Insekten.

Noch im gleichen Jahr seiner „Blumenuhr-Beobachtung“ setzte er seinen Plan für die Blumenuhr um und so kam die schwedische Stadt Uppsala in den Genuss der ersten Blumenuhr der Welt.

Leider ist die Praxis nicht ganz so einfach wie die Theorie, denn die Pflanzen halten sich natürlich nicht an die vom Menschen „erfundene“ Sommerzeit und in den einzelnen Regionen haben sich die Pflanzen dem dortigen Hell-Dunkel-Rhythmus und dem Tagesablauf der sie bestäubenden Insekten angepasst. Deshalb „ticken“ die Blumenuhren nicht überall gleich, da muss man dann seine eigenen Erfahrungen sammeln und die passenden Blumen an der für sie richtigen Uhrzeit pflanzen.

Hinzu kommt das Problem, dass je nach Jahreszeit, die Uhr immer wieder neu bepflanzt werden muss, denn es gibt kaum eine Blume, die mehrere Monate hindurch blüht.

Da es sich als sehr schwierig erwies, die Linnésche Blumenuhr in die Tat umzusetzen, wurden mit der Zeit auch solche Beete als Blumenuhr bezeichnet, die einfach in Form einer Uhr angelegt sind.

Linné soll bei der Frage nach der Uhrzeit ein Blick auf seine „Blumenuhr“ genügt haben, um die Zeit bis auf 5 Minuten genau ablesen zu können.