Waldrapp kommt wieder

Von Ernst-Otto Pieper


Die ältesten Darstellungen vom Waldrapp stammen aus Ägypten, wo er oft in Hieroglyphentexten in Pyramiden, auf Opferkammern, in Sargschreinen sowie auf Schmuckstücken zu sehen ist. In der Zeit von etwa 3500 v. Chr. bis 400 n. Chr. kam ihm ein bedeutsamer mythisch-ritueller Rang zu. Ruhm, Erhabenheit, Glanz, Größe und Geisteskraft wurden durch ihn symbolisiert. Die Ursache für sein Verschwinden in Ägypten ist unbekannt.

Bis ins 17. Jahrhundert hinein war der Waldrapp im Balkan über Ungarn, Italien, Österreich, Schweiz, Süddeutschland, Nordafrika und dem Nahen Osten verbreitet.

Obwohl schon vom Beginn des 16. Jahrhunderts in Österreich der Abschuss von Klausraben (Waldrappen) unter Strafe gestellt, wurde vermutlich 1600 das letzte graphische Zeugnis des alpinen Vorkommens für Kaiser Rudolf II. (1552 bis 1612), von Georg Hoefnagel (1542 bis 1600) angefertigt (Heute in der österreichischen Nationalbibliothek). Bis 1645 ist der Waldrapp aus ganz Mitteleuropa verschwunden.

1820 wird ein Waldrapp-Vorkommen am Kap der guten Hoffnung entdeckt. Wenig später werden weitere Vorkommen in Äthiopien, Syrien, Algerien und am Roten Meer entdeckt.


Wie sehen die Bestände in neuerer Zeit aus?

1953 wurden in Birecik (Türkei) etwa 1300 Tiere gezählt – 1989 war das dortige Vorkommen erloschen – Ursache unbekannt.

1940 konnten im Souss Massa Nationalpark (Marokko) etwa 1500 Waldrappen gezählt werden. Aufgrund Kultivierung von Nahrungsflächen, Wilderei sowie Störungen durch Einheimische und Touristen ist inzwischen der Bestand auf 400 Vögel mit 100 Brutpaaren gesunken. Es ist die letzte überlebensfähige Waldrappkolonie weltweit.

In Syrien wurde vor kurzem eine Kolonie mit drei Tieren entdeckt die aber wohl nicht überlebensfähig ist.

Heute zählt der Waldrapp zu den am meisten bedrohten Tierarten.

In mehreren zoologischen Gärten leben heute etwa 1700 Waldrappen aus marokkanischer Herkunft. Diese bilden eine gewisse Rückversicherung für Wiederansiedlungsprojekte und eine Sicherung der Art auf möglichst breit gefächerter Basis.


Während Auswilderungsprojekte in der Türkei und Israel scheiterten, gelang es der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal (Österreich) im Jahr 1997 ein Freiflugprojekt erfolgreich durchzuführen. Nach einer neuerlichen Konzepterstellung folgte am 10. Oktober 2001 in Österreich die Gründung des Vereins „Waldrapp Initiative Waidhofen an der Thaya“.

Am 1. September 2002 erfolgte der erste Spatenstich für eine Waldrappvoliere. Es ist eine der größten und interessantesten Volieren Europas. Hier soll nicht nur ein Beitrag zur Erhaltung einer Vogelart geleistet werden, sondern auch generell das Verständnis der Bevölkerung für die Notwendigkeit und Wege zur Erhaltung der Artenvielfalt geweckt werden.
Das Waldrappteam unter Leitung von Johannes Fritz versucht seit 2003 mit Ultralight Flugzeugen im Vorausflug, einer Gruppe handaufgezogener Tiere die Zugroute nach Süden in Erinnerung zu bringen. Die Überwinterung erfolgt seit 2003 in einem Schutzgebiet in der Toskana.

Es ist natürlich nicht überraschend, dass auch in Süddeutschland Gemälde von Waldrappen vorhanden sind und zwar im bayerischen Burghausen. Hier werden seit 2007 jährlich bis zu 15 junge Waldrappen mit Hilfe von „Zieheltern“, den beiden Biologinnen Daniela Trobe und Sina Werner, und erfahrenen Piloten in ihr Überwinterungsgebiet nach Italien geleitet.

2010 wurden 14 Jungvögel innerhalb von 30 Tagen in das Schutzgebiet Laguna di Orbetello in der südlichen Toskana geleitet. Dies war mit nur sieben Flugetappen und bei einer mittleren Flugdistanz von rund 180 km die mit Abstand schnellste Migration im Rahmen des Projektes.

Am 28. Juli 2011 kehrte der erste Waldrapp selbstständig aus der Toskana in sein Brutgebiet in Burghausen zurück. Dieser Vogel, das Weibchen Goja, führte im darauf folgenden Herbst erstmals einen Jungvogel aus dem Brutgebiet in das Wintergebiet. Im Frühjahr 2012 kehrte Goja als erster von zehn Vögeln wieder zurück nach Burghausen und wurde Teil des ersten erfolgreichen Brutpaares. Insgesamt kehrten 2012 elf Waldrappen selbstständig nach Burghausen zurück.

 

Vier Waldrappen in ihrer Kolonie

 

Ziel des Waldrapp-Projektes ist es, die in Mitteleuropa ausgestorbene Vogelart in ihrem ehemaligen Verbreitungsgebiet wieder heimisch zu machen. Die Lebensbedingungen für den Waldrapp sind sowohl in Österreich als auch in Süddeutschland sehr gut. Hochwertige Nahrungsflächen sind in beiden Ländern in zunehmenden Umfang zur Verfügung, so dass die Chancen einer Wiederbesiedelung des Alpenraumes groß sind.

Leider kommt es in Italien immer wieder zu Abschüssen durch Wilderer. Darunter auch der große Hoffnungsträger Goja.

Bis 2019 hofft das Projekt auf 150 Zugvögel – drei Kolonien mit je 50 Zugvögeln. Im Rahmen von sieben menschengeführten Migrationen wurden bisher 81 junge, handaufgezogene Waldrappen von Bayern und Salzburg aus in die Toskana geführt.

Die jährliche Verlustrate bei den freilebenden Vögeln lag bislang im Mittel bei rund 44%. In 87% der Fälle sind die Vögel außerhalb des Brut- oder Wintergebietes verloren gegangen. Ort und Zeitraum der Verluste legen nahe, dass diese Tiere insbesondere durch illegalen Abschuss in Italien umgekommen sind.

Seit 2011 sind sogenannte GPS Tracker im Einsatz. Diese auf dem Rücken der Vögel befestigten Sender bestimmen in frei wählbaren Intervallen die Position und schicken diese via Mobilfunknetz an eine autorisierte Telefonnummer. Diese Technologie ermöglicht die Verfolgung der Wanderbewegungen in Echtzeit. So lassen sich die Flugrouten aber auch die verloren gegangenen Vögel genau orten. Diese Daten werden bei www.movebank.org zur Einsicht gestellt.