Was ist eigentlich „Allelopathie“?

Von Ernst-Otto Pieper

 

Als Teilgebiet der chemischen Ökologie befasst sich die Allelopathie mit den positiven oder negativen Wechselwirkungen, die durch Abgabe von selbst produzierten oder beim Zerfall freigesetzter chemischer Verbindungen (Botenstoffen) zwischen Pflanzen derselben oder verschiedener Arten, Pflanzen und Mikroorganismen oder Pflanzen und Pilzen induziert werden sowie der Synthese, Verteilung, den Eigenschaften von Stoffen und der Wirkung dieser im Empfängerorganismus.

Neben der Konkurrenz um Wasser, Licht und Nährstoffe ist die Allelopathie die wichtigste Form von Interferenz bei Pflanzen. Innerartliche Allelopathie dient unter anderem zur Induktion und Synchronisation von Entwicklungsvorgängen innerhalb einer Population, zwischenartliche Allelopathie dagegen meist zur Unterdrückung von Konkurrenten. Allelopathie spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Stabilisierung von Ökosystemen.

Bekannte Botenstoffe sind z.B. ätherische Öle, Akaloide, Glykoside, Cumarinderivate und Phenolderivate.

Pflanzen können aggressiv sein oder sich verteidigen. Häufig verschaffen sich Pflanzen durch Ausscheidungen giftiger Substanzen in die Umgebung Konkurrenzvorteile. Ein Beispiel hierfür ist die von der Echten Walnuss abgegebene Substanz Juglon. Juglon gelangt durch Auswaschungen von den Blättern des Baumes in den Boden. Dort wird die Substanz von Bodenmikroben umgewandelt, in eine aktive Form überführt und wirkt dann bereits in sehr geringen Konzentrationen hemmend auf die Keimung anderer Pflanzen. Ein anderes Beispiel sind die Ausscheidungen von Ethylen. Dieses Reifegas wird vor allem von Äpfeln, Aprikosen, Avocados, Birnen, Papayas, Pfirsichen, Nektarinen und vielen anderen Früchten ausgeschieden. Es lässt Blumen in der Vase schnell welken, Kartoffeln keimen und schrumpfen, die Blätter von Dill, Kohl, Petersilie und Salat werden gelb, Möhren werden bitter, Rosenkohl verliert sein Aroma und Zwiebeln ihre Schärfe. Ethylen wird großtechnisch angewandt, um die Bananen in Kühlhäusern oder auf Schiffen zur Reifung zu bringen. Ethylen kann auch das Wachstum anderer benachbarter Pflanzen einschränken oder die Keimung von Saat verhindern.

Einige weitere Beispiele:

Werden Tabakpflanzen von Raupen befallen, die die Blätter anfressen, erkennen diese das an dem Geschmack des Speichels, den die Tabakschwärmer beim Fressen absondern. In kurzer Zeit bilden sie den Botenstoff Jasmonsäure, der die Produktion des Nervengiftes Nikotin innerhalb von Stunden in den Wurzeln antreibt. Bei einem nachfolgenden Befall wird der tödliche Stoff noch schneller gebildet. Nikotin macht die Läuse bewegungsunfähig.

Baumwollpflanzen bilden nach dem Befall von Eulenraupen Terpene, sobald sie deren Speichel „schmecken“. Diese ätherischen Öle locken parasitäre Brackwespen an, die ihre Eier in den Raupen ablegen. Die daraus schlüpfenden Larven fressen die Raupen von innen her auf. Wird Mais von Schmetterlingslarven befallen, sondert er flüchtige Terpenoide ab und lockt damit Schlupfwespen an.

Apfelbäume produzieren den chemischen Botenstoff  Phlorizin und geben ihn über ihre Wurzeln an den Boden ab. Phlorizin ist zunächst unwirksam, wird aber dann im Erdreich umgeformt zu höchst wirksamen Stoffen: Phenolischen Säuren, Phloretin und Phloroglucin. Diese Wirkstoffe verhindern, dass seine Samen in seinem Umkreis auskeimen. Wegen dieser fortdauernden Wirkung wird empfohlen, nach dem Absterben eines Apfelbaumes nicht wieder Apfelbäume an dieselbe Stelle zu pflanzen.

Basilikum wehrt Krankheiten anderer Pflanzen und Pilze (Mehltau) durch Wurzelausscheidungen ab und tötet Bakterien.

Beinwell fördert das Wachstum anderer Pflanzen durch Wurzelausscheidungen.

Dill wehrt durch seine Geruchsausscheidungen Krankheiten bei Gurken, Kohl, Möhren, Rote Bete, Salat und Zwiebeln ab. Er fördert die Keimung.

Gurken hemmen das Wachstum von bestimmten Nahrungskonkurrenten durch ein eigenes Gift.

Ringelblumen töten durch ihre Wurzelausscheidungen Nematoden, wehren Drahtwürmer ab und schwarze Bohnenlaus.

Robinien bekämpfen durch ihre Wurzelausscheidungen andere Pflanzen.

Sellerie verhindert die Kopfbildung von Salat.

Studentenblumen (Tagetes) bekämpfen durch ihre Wurzelausscheidungen Ackerwinden, Quecken, Schachtelhalm und Nematoden. Sie wirken wachstumsfördernd auf Rosen und gesundend auf Apfelbäume.

In Deutschland sind auch Ahorn-Arten, Pappeln und die (eingeführten) Platanen für Allelopathie-Erscheinungen bekannt.

In der Natur gibt es noch eine riesige Menge weiterer Beispiele.

Die Kenntnis allelopathischer Wechselwirkungen ist Voraussetzung für eine praktische Nutzung dieser Effekte in Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft (Züchtung von Pflanzen mit hohem allelopathischem Potential gegenüber Konkurrenzpflanzen, Verwendung allelopathischer Substanzen zur biologischen Kontrolle von Konkurrenzpflanzen, Reduzierung von allelopathisch bedingten Ertragsverlusten).