Was ist eigentlich das „Hallersche Organ“?

Von Ernst-Otto Pieper

 

Der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) ist die in Deutschland am weitesten verbreitete und die bekannteste Art der Schildzecken. Als Wirt bevorzugt er nicht nur Tiere von der Zauneidechse bis zu Hund und Reh, sondern auch den Menschen. Ist die Zecke mit Krankheitserregern infiziert, was immer häufiger der Fall ist, kann es für die betroffenen Wirte gefährlich werden, denn der Holzbock ist u.a. Überträger der für den Menschen Lyme-Borreliose und der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).

Die Mini-Blutsauger haben keine Augen. Sie erkennen ihre Beute mit Hilfe von „Super-Fühlern“, genauer gesagt mit dem Hallerschen Organ.

Dieses Organ ist eine Struktur an den Vorderbeinen aller Zeckenarten (Ixodidae) in allen Entwicklungsstadien, die spezifische Chemorezeptoren trägt. Mit ihm nimmt die Zecke Stoffe wahr, die Menschen und Tiere absondern, wie beispielsweise Ammoniak und Buttersäure im Schweiß sowie Kohlendioxid, das beim Ausatmen entsteht. Auch ausgestrahlte Körperwärme wird wahrgenommen. Dabei ist es nicht die Menge eines bestimmten Stoffes, die ein Tier oder den Menschen für eine Zecke besonders interessant macht, sondern die Mischung aus diesen Stoffen. Das könnte auch der Grund sein, warum manche Menschen öfter von Zecken gestochen werden, andere dagegen weniger häufig.

Das Organ befindet sich an der Oberseite des letzten Beinsegmentes, des ersten Beinpaares. Es besteht aus einer mehr oder weniger stark eingetieften Grube sowie einer hohlen Kapsel, die nur mit einer Pore nach außen geöffnet ist. Als Sinnesorgan wirken 15 bis 20 Haare (je nach Art), die sich sowohl in der Grube als auch in der Kapsel befinden. Unter dem Elektronenmikroskop erkennt man, dass die Sinneshaare in der Kapsel mit zahlreichen porenförmigen Öffnungen versehen sind, wodurch ihre Funktion als chemisches Sinnesorgan erkennbar wird.

Eine Reihe weiterer chemorezeptorischer Sinneshaare auf den seitlich der Mundwerkzeuge gelegenen Tastern und den beiden vorderen Beinpaaren dienen ebenfalls der Erkennung potentieller Wirte.

 

Neben den oben genannten chemischen Verbindungen werden Schwefelwasserstoff (entsteht bei Verdauungsvorgängen im Darm) sowie eine Vielzahl organischer Komponenten, die im Atem oder Schweiß ihrer Wirtsarten vorkommen. Es wird angenommen, dass Zecken mögliche Wirte bereits über Entfernungen von 10 bis 15 Meter wahrnehmen können.