Von Ernst-Otto Pieper
Biosphärenreservate sind Modellregionen, in denen das Zusammenleben von Mensch und Natur beispielhaft entwickelt und erprobt wird. Sie schützen Kulturlandschaften vor zerstörenden Eingriffen und erhalten und entwickeln wertvolle Lebensräume für Mensch und Natur. Sie sorgen für ein ausgewogenes Verhältnis von menschlicher Nutzung und natürlichen Kreisläufen und tragen damit zur regionalen Wertschöpfung bei. Biosphärenreservate ermöglichen exemplarische Erkenntnisse für Forschung und Wissenschaft über die Wechselwirkungen von natürlichen und gesellschaftlichen Prozessen.
Die UNESCO als Weltkulturorganisation weist weltweit Biosphärenreservate im Rahmen des 1970 als zwischenstaatliches und interdisziplinäres Wissenschaftsprogramms „Mensch und Biosphäre“ (Man and Biosphere – MAB) zum Schutz typischer Landschaften aus. Die UNESCO Generalversammlung legte 1995 in Sevilla, Spanien, die Internationalen Leitlinien für das Weltnetz der Biosphärenreservate fest und definierte Biosphärenreservat wie folgt:
„Biosphärenreservate sind Gebiete, bestehend aus terrestrischen und Küsten- sowie Meeresökosystemen oder aus einer Kombination derselben, die international im Rahmen des UNESCO-Programms Der Mensch und die Biosphäre (MAB) nach Maßgabe vorliegender internationaler Leitlinien für das Weltnetz der Biosphärenreservate anerkannt werden.“
Dieses Programm hat zum Ziel, die weltweite Zusammenarbeit der Völker zu stärken und Wege zu suchen, dass die Erde dauerhaft bewohnbar bleibt und auch künftige Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können. Es geht in erster Linie um den Schutz der vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaften, für welche die UNESCO zuständig ist, und nicht um Natur- oder Landschaftsschutz.
Im Oktober 2007 gab es 529 Biosphärenreservate in 106 Ländern.
Ziel
Biosphärenreservate sollen Modellstandorte zur Erforschung und Demonstration von Ansätzen zu Schutz und nachhaltiger Entwicklung auf regionaler Ebene sein und haben die folgenden Funktionen:
- Schutz: Beitrag zur Erhaltung von Landschaften, Ökosystemen, Arten und genetischer Vielfalt
- Entwicklung: Förderung einer wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung, die sozialkulturell und ökologisch nachhaltig ist
- Logistische Unterstützung: Förderung von Demonstrationsprojekten, Umweltbildung und -ausbildung, Forschung und Umweltbeobachtung im Rahmen lokaler, regionaler, nationaler und weltweiter Themen des Schutzes und der nachhaltigen Entwicklung
Zur Umsetzung der verschiedenen Ziele und Funktionen sind Biosphärenreservate räumlich in drei Zonen gegliedert:
- Kernzonen: Zonen, die langfristigem Schutz gewidmet sind und die mit den Schutzzielen des Biosphärenreservats übereinstimmen sowie eine ausreichende Größe zur Erfüllung dieser Ziele aufweisen. Kernzonen sind in der Regel von jeglicher Nutzung ausgeschlossen.
- Pflegezonen: Zonen, die die Kernzonen umschließen oder an sie angrenzen, in denen nur Aktivitäten stattfinden, die mit den Schutzzielen vereinbar sind. Hier darf nur eine schonende, naturnahe Landnutzung stattfinden.
- Entwicklungszonen: Zonen in der Vorgehensweisen zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Ressourcen gefördert und entwickelt werden.
Nationale Umsetzung
Die einzelnen Biosphärenreservate verbleiben unter der Hoheitsgewalt des Staates, zu dem sie gehören. Im Rahmen der Internationalen Leitlinien der UNESCO ergreifen die Staaten Maßnahmen, die sie nach Maßgabe ihres nationalen Rechtes als erforderlich erachten.
Deutschland
Bundesnaturschutzgesetz § 25:
Biosphärenreservate sind rechtsverbindlich festgesetzte einheitlich zu schützende und zu entwickelnde Gebiete, die
- großräumig und für bestimmte Landschaftstypen charakteristisch sind,
- in wesentlichen Teilen ihres Gebiets die Voraussetzungen eines Naturschutzgebiets, im Übrigen überwiegend eines Landschaftsschutzgebiets erfüllen,
- vornehmlich der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch hergebrachte vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und der darin historisch gewachsenen Arten- und Biotopvielfalt, einschließlich Wild- und früherer Kulturformen wirtschaftlich genutzter oder nutzbarer Tier- und Pflanzenarten, dienen und
- beispielhaft der Entwicklung und Erprobung von die Naturgüter besonders schonenden Wirtschaftsweisen dienen.“
Diese nationale rechtliche Regelung eröffnet den Ländern die Möglichkeit, Biosphärenreservate auszuweisen, die zunächst noch nicht mit den internationalen Vorgaben der UNESCO übereinstimmen. Viele Bundesländer haben bereits vor der rahmenrechtlichen Regelung die Biosphärenreservate, z.T. mit Erwähnung der UNESCO-Anerkennung, in ihre Landesnaturschutzgesetze aufgenommen. Gemäß den Leitlinien des internationalen Programms „Der Mensch und die Biosphäre“ (MAB) werden seit 1976 Biosphärenreservate von der UNESCO anerkannt. Das internationale Prädikat „Biosphärenreservat“ wird auf der Grundlage des „Statutory Framework of the World Network of Biosphere Reserves“ (UNESCO 1995, 1996) verliehen. Ziel der UNESCO-Biosphärenreservate ist es, eine ausgewogene Beziehung zwischen Mensch und Biosphäre zu fördern sowie beispielhaft darzustellen (DEUTSCHES MAB-NATIONALKOMITEE 2004) (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ 2006)“.
Biosphärenreservate haben zum Ziel, historisch geprägte Kulturlandschaften zu erhalten, zu entwickeln oder wiederherzustellen. Dadurch tragen sie dazu bei, natürliche Ressourcen zu erhalten, Umweltbelastungen vorzubeugen, umweltgerechtes Verhalten bewusst zu machen und dem Schwund der Biodiversität entgegen zu wirken. Biosphärenreservate sollen im Wesentlichen die Voraussetzungen für ein Naturschutzgebiet mitbringen und im Übrigen überwiegend einem Landschaftsschutzgebiet entsprechen.
Grundsätzlich sind hier alle Handlungen, Eingriffe und Vorhaben verboten, die dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Wie auch außerhalb von Schutzgebieten gilt für die meisten baulichen oder sonstige Vorhaben die Eingriffs-Ausgleichs-Regelung des Bundesnaturschutzgesetzes.
Die Entwicklungsziele der Biosphärenreservate sind bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen und müssen in Bebauungsplänen dargestellt und beachtet werden, soweit sie in dem Maßstab eine Rolle spielen. Man spricht hier von einer nachrichtlichen Übernahme.
Biosphärenreservate in Deutschland
In Deutschland sind 13 nach deutschem Recht als Biosphärenreservat verankerte Gebiete von der UNESCO anerkannt.
- 1979: Biosphärenreservat Vessertal-Thüringer Wald (17.081 ha) (1991 erweitert)
- 1979: Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe (278.660 ha), (1997 erweitert) mit den vier Teil-Biosphärenreservaten:
- Biosphärenreservat Mittelelbe (Sachsen-Anhalt) (126.000 ha)
- Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg (53.300 ha)
- Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Mecklenburg-Vorpommern (42.600 ha)
- Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue (56.760 ha)
- 1990: Biosphärenreservat Berchtesgaden (46.710 ha)
- 1990: Biosphärenreservat Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und Halligen (443.085 ha)
- 1990: Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin (129.161 ha)
- 1991: Biosphärenreservat Rhön (184.939 ha)
- 1991: Biosphärenreservat Spreewald, (Brandenburg) (47.492 ha)
- 1991: Biosphärenreservat Südost-Rügen (23.500 ha)
- 1992: Biosphärenreservat Hamburgisches Wattenmeer (11.700 ha)
- 1992: Biosphärenreservat Niedersächsisches Wattenmeer (280.000 ha)
- 1996: Biosphärenreservat Oberlausitz Heide- und Teichlandschaft (30.102 ha)
- 1998: Biosphärenreservat Pfälzerwald-Vosges du Nord, grenzüberschreitend (deutscher Anteil: 177.842 ha)
- 2000: Biosphärenreservat Schaalsee (30.257 ha)
Drei weitere Regionen streben die Anerkennung als UNESCO-Biosphärenreservat an:
- 2007 (nach Landesrecht): Biosphärenreservat Bliesgau (36.152 ha)
- 2008 (nach Landesrecht): Biosphärenreservat Schwäbische Alb (85.269 ha)
- Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz (30.036 ha)
Das Schutzgebiet Bayerischer Wald besitzt seit 2006 nicht mehr den Status eines Biosphärenreservats, da auch aufgrund erheblicher Widerstände der Bevölkerung keine Ausweisung einer Entwicklungszone für den Bayerischen Wald möglich war:
- 1981-2006: Biosphärenreservat Bayerischer Wald (13.300 ha)