Was ist eigentlich das „Schnabelspitzenorgan“?

Von Ernst-Otto Pieper

 

Vogelschnäbel sind von sehr unterschiedlicher Gestalt. Sie dienen der artspezifischen Aufnahme der Nahrung, werden beim Nestbau, bei der Gefiederpflege und als Waffe eingesetzt.

Bei den meisten Vogelarten sind in der Schnabelspitze vermehrt Ansammlungen sensibler Endkörperchen eingelagert. Diese Endkörperchen sind zu Tastpapillen mit je bis zu 40 Rezeptoren zusammengefasst. So können Entenvögel in Höhe des Nagels bis zu 25 dieser Papillen pro mm² innerhalb der Hornsubstanz haben.

Schnabelspitze, Schnabelkanten-Lamellen aber auch die Wachshaut werden damit zu einem besonders empfindlichen Sinnesorgan – das Schnabelspitzenorgan oder auch Bill-Tip-Organ.

Dieses sehr komplexe Organ des Tastsinns ist von großer Bedeutung bei der Selektion und Prüfung der aufgenommenen Nahrung und für die Gefiederpflege. Bei Tauben und Sperlingen fehlt es  und bei Hühnervögeln ist lediglich der Unterschnabel mit Tastpapillen ausgestattet. Besonders empfindlich und gut entwickelt ist dieses Organ bei Papageienvögeln. Eine Gans hat im Schnabel mehr Gefühl, als ein Mensch in seinen Fingerkuppen.

Das Einkürzen (kupieren) der Oberschnäbel vor allem bei Mastputen, aber auch bei anderen Hühnervögeln, zur Vermeidung von Federpicken und Kannibalismus, ist ein sehr schmerzhafter Eingriff  in lebendes Gewebe. Nach dem Eingriff sitzen die Tiere vermehrt und nehmen weniger Futter auf – ein Zeichen, dass sie Schmerzen empfinden! In Österreich sind derartige Eingriffe verboten.