Wildackerbestellung noch im Oktober

Roggen als Wintersaat und Daueräsung

Von Wildmeister GUENTER CLAUSSEN †

 

In vielen Bundesländern ist die Fütterung des Schalenwildes stark eingeschränkt, wenn nicht sogar gänzlich verboten. Ohne die von Jägern gezielt angelegten Äsungsflächen würden viele Wildarten in arge Bedrängnis geraten und mit Sicherheit auch verstärkt Wildschäden verursachen. Um allerdings ganzjährig Äsung anbieten zu können, ist entsprechend der Arten und Zahlen des vorkommenden Wildes nicht nur ein zuweilen recht hoher Flächenbedarf notwendig, sondern es muss auch eine gezielte Pflanzenauswahl getroffen werden.

Man kann zwar nach den herkömmlichen Methoden der Wildackerbewirtschaftung dem Wild zu bestimmten Jahreszeiten schwerpunktmäßig reichlich Äsung anbieten, doch kommt es immer wieder zu Engpässen. Hohe Wildbestände, Witterungseinflüsse wie Dürre- oder Nässeperioden und Fehlschläge insbesondere durch Überwucherung der Äsungspflanzen durch andere Kräuter führen immer wieder dazu, dass die Äsungsflächen oft dann, wenn es darauf ankommt, leer sind.

Besonders im Herbst, wenn die typischen Sommeräsungspflanzen wie Buchweizen, Klee und Hafer nichts mehr hergeben, wird das Nahrungsangebot nach den ersten stärkeren Nachtfrösten plötzlich sehr knapp. Das führt dann zu unnötigen Wildschäden und macht das frühzeitige Ausbringen teurer Futtermittel notwendig.

Bereits kurz nach der Aussaat liefert Staudenroggen eine hervorragende Grünäsung, die bis ins kommende Früh-jahr hinein großen Zuspruch findet.

In gut gehegten Revieren wird auch im Oktober noch gesät, und so kommt es Dank eines reichhaltigen Äsungsangebotes während der Zeit der Vegetationsruhe auch ohne Trogfütterung nicht zu den gefürchteten Wald-Wild-Schäden. Man braucht sich nur einmal das Beispiel eines mit reiner Sommeräsung, beispielsweise Hafer, bestellten Wildackers vor Augen zu führen. Flächen mit diesem Getreide, das im Juli heranreift und im August/ September abgeäst bzw. herunter getreten wird und als Folge davon nach den ersten Regenfällen auswächst, bieten in der Folgezeit fast acht Monate lang keine Äsung mehr.

Gerade in der für Ablenkung und Notlinderung wichtigsten Zeit liegen solche Wildäcker ungenutzt da, obwohl sie auch in eisiger Winterkälte grüne Äsung bieten könnten. Die Lösung liefern neben Kohl- und Rübenarten die Wintersaaten unseres heimischen Getreides. Sie sind zugleich auch die einzigen Pflanzen, die im Oktober/November noch erfolgreich angebaut werden können und bereits wenig später Äsung bieten.

Die Wertigkeit als Äsungspflanzen ist bei den einzelnen Getreidearten unterschiedlich, und bevor man sie auf dem Wildacker aussät, sollte man sich zunächst einmal mit der Naturgeschichte und den Ansprüchen dieser Pflanzen vertraut machen. Die ursprünglich bekanntlich in Vorderasien heimischen Arten Roggen, Weizen, Hafer und Gerste kommen allesamt in Winter- und Sommerarten vor.

Dauerstaudenroggen im zwei-ten Jahr: Die grannenlosen, eiweißreichen Ähren sind bei Rot- Dam-, Reh- und Schwarz-wild außerordentlich begehrt. Auch der Hase und das weitere Niederwild profitieren von die-ser mehrjährigen Sorte.

Für den Zweck, mit einer Aussaat im Herbst sowohl Winteräsung, als auch im zweiten Jahr hochwertiges Körnerfutter zur Verfügung zu stellen, sind Winterroggen und Winterweizen am interessantesten. Zwar könnte man auch die Wintergerste, die als Grünäsungspflanze sehr gern angenommen wird, mit einbeziehen, doch hat diese Getreideart den Nachteil, dass sie häufig ausfriert und die meisten Sorten wegen der starken Grannenbildung im zweiten Jahr vom Wild verschmäht werden. So käme als Wildäsungspflanze eigentlich nur eine grannenlose Wintergerste in Betracht. Auch Hafer hält nicht, was man sich von den, auch als Winterform zur Verfügung stehenden Sorten verspricht. In strengen Wintern gibt es häufig Totalverluste durch Ausfrieren, und als Grünpflanze werden Sommer- und Winterhafer vom Wild meist verschmäht.

So bringt der Roggen als Wildackerpflanze zweifellos die größten Vorteile. Wenn es bei der Herbstsaat lediglich auf die Schaffung von Wintergrünäsung ankommt, so erfüllt in der Regel schon der normale Winterrogen den vollen Zweck. Im zweiten Jahr allerdings ist unser Brotgetreide wegen seiner rauen und borstigen Grannen weniger begehrt. Gieriger beäst das Wild sommers und winters den Dauerstaudenroggen. Diese grannenlose Variante des Waldstaudenroggens hat den weiteren Vorteil, dass im zweiten Jahr auch die Ähren sämtlich von Hoch- und Niederwild genutzt werden.

Alle Winterformen des heimischen Getreides, zu denen auch die verschiedenen Wald- / Dauerstaudenroggenarten zählen, sind abhängig von der so genannten Vernalisation, der spezifischen Wirkung niedriger Temperaturen, die die Entwicklung der Pflanzen beeinflussen. Sie werden bekanntlich im Spätsommer oder Herbst ausgesät, und zwar deshalb, weil sie, wie übrigens auch Winterraps, Beta-Rüben u. ä. zweijährige Pflanzen, zunächst einer bestimmten Kälteeinwirkung bedürfen, um blühen bzw. in Ähren schießen zu können. Das bedeutet, dass beispielsweise Winterroggen, selbst wenn man bereits im Mai aussät, im ersten Kalenderjahr nicht in Saat schießen kann, weil die mindestens dreißigtägige, zur Stimulation erforderliche Reizwirkung in Form einer Bodentemperatur von 0° C bis -3° C während dieser Zeit in unseren Breiten nicht vorkommt. So ist also die Pflanze, egal wann immer zwischen Mai und Oktober gesät wurde, in der ersten Vegetationsperiode nur in der Lage, grüne Blätter zu bilden. Diese Grünmassebildung ist bei Staudenroggen dank der hohen Bestockungsfähigkeit besonders ausgeprägt, was man in der Landwirtschaft zur Erzeugung von Grünfutter im Winterzwischenfruchtanbau ausnutzt.

Schon aus diesem Grunde wird dem Staudenroggen auch als Äsungspflanze der Vorzug gegeben, nicht zuletzt auch deshalb, weil seine Ansprüche an Klima und Boden sehr gering sind und weil dieser Roggen im Sommer kaum von Rost und Mehltau befallen wird. Dieser Roggen verträgt Winterfröste von -30° C, im Vergleich dazu Weizen -20° C und Gerste -15° bis -20° C. So kann unser Wildgetreide auch in Gegenden mit niedrigen Temperaturen bis in Höhen von 2000 Meter über NN noch angebaut werden. Auf den meist wenig leistungsfähigen Wildäckern und vor allem auf nährstoffarmen Sandböden gilt Dauerroggen als sicherste Frucht. Schließlich sollte man nicht verkennen, dass er als Grünäsungspflanze von allen Getreidearten am besten angenommen wird. Schon kurz nach der Aussaat wirken die frühwüchsigen Pflanzen auf Schalenwild, Hasen, Rebhühner und weiteres Niederwild geradezu wie ein Magnet.

Ihren größten Nutzen aber bringt die grüne Wintersaat im Spätwinter und im zeitigen Frühjahr, wenn für viele Pflanzenfresser die ärgste Notzeit vorherrscht. Ab Februar/März, wenn die meisten Pflanzen noch ruhen und in der Natur noch alles braun und grau ist, sprießt der Roggen schon nach den ersten frostfreien Tagen üppig in die Höhe und bietet wertvolle Grünäsung, die sich durch viel Blattmasse und geringe Verholzung auszeichnet.

Aber trotz des vor allem auf Waldschneisen außerordentlich starken Verbisses lassen sich die Pflanzen nicht unterkriegen und schießen selbst in Hochwildrevieren im Laufe des Monats Mai in Ähren. Zwar lohnt es dort, wo beispielsweise in reinen Niederwildrevieren ohnehin schon viel Getreide in der Landwirtschaft angebaut wird, nicht unbedingt, die Kornreife abzuwarten; innerhalb der Wälder aber und vor allem dort, wo Hochwild vorkommt, sollte man den Roggen unbedingt bis zur Reife stehen lassen. Die Körner mit elf Prozent Eiweiß werden nicht nur von Reh-, Rot- und Damwild gern angenommen, sondern schmecken auch den Hasen gut und dort, wo Schwarzwild vorkommt, werden die Ähren bis Ende September fast restlos von den Sauen abgestreift.

Wenn aufgrund ungünstiger Bodenverhältnisse ein An-bau der Luzerne als wert-volle Untersaat nicht mög-lich ist…

Insbesondere in Hochwildrevieren konnte man feststellen, dass durch den verstärkten Anbau von Dauerstaudenroggen und Waldstaudenroggen, insbesondere auf langen Bummelschneisen innerhalb des Waldteiles, die Wildschäden durch Rot-, Dam- und Schwarzwild in den Getreideschlägen der Landwirte gleich Null sind.

…kann man durchaus auch mit der anspruchs-loseren Phacelia (oder mehrjährigen Rotkleesor-ten) selbst auf Sandbö-den für einen stets ge-deckten Tisch sorgen.

Man sollte diese Roggenflächen allerdings nicht als Reinsaaten anbieten, sondern dieses Getreide gleich als Deckfrucht für Serradella und Rotklee nutzen, indem Ende April das Saatgut dieser Leguminosen mittels einer Drillmaschine – oder breitwürfig von Hand – in den dann etwa 20 cm hohen Roggen eingesät wird. Wenn später das Korn reift und vergilbt, ergrünt zunehmend die Untersaat und sorgt bis in den Spätherbst hinein für eiweißreiche Äsung. Sind die Ähren abgeäst, sollte man die Flächen, die viel Stroh aufweisen, abmähen und abräumen, damit sich im Herbst der so begehrte Stoppelklee voll entwickeln kann. Leichtes Getreide lässt man einfach stehen. Klee und Serradella wachsen schnell durch.

Wegen der geringen pH-Werte auf leichten Sandböden, wird man der anspruchslosen Serradella als Untersaat den Vorzug geben. Dort allerdings, wo die Bodengüte es erlaubt, wird man die mehrjährigen Arten von Rotklee oder Luzerne wählen. So erspart man sich in den Folgejahren wesentliche Kosten für Bodenbearbeitung und Neueinsaat.

Für die Einsaat des Dauerstaudenroggens selbst gilt die Pflugfurche als beste Grundlage der Saatbettvorbereitung. Die Bearbeitungstiefe kann mit 15 Zentimetern relativ flach gewählt werden. Nach einer mit dem Packer oder durch Abeggen erfolgten Verdichtung des frisch gepflügten Bodens wird das Saatgut entweder breitwürfig von Hand und nachfolgender Saategge oder mittels Drillmaschine zwei bis drei Zentimeter tief eingesät. Unbedingt notwendig ist eine Grunddüngung mit etwa 5 dt/ha Thomaskali im Laufe des Herbstes oder Winters. Auf armen Sandböden und bei starkem Wilddruck kann im Herbst auch eine N-Düngung mit 1,5 bis 2 dt/ha Kalkammonsalpeter notwendig werden, um genügend Grünmasse zur Verfügung zu stellen. Meist aber genügt es, den Stickstoff in dieser Menge im März/April des Folgejahres auszubringen. Die Saatmenge beträgt maximal 80 bis 100 kg je Hektar.