Von ERNST-OTTO PIEPER
Am 30. März 2015 wäre der Waffen- und Geschosskonstrukteur Wilhelm Brenneke 150 Jahre alt geworden
Wilhelm Brenneke, als Sohn eines Kämmereibeamten, wurde am 30. März 1865 in Hannover geboren. Schon von frühester Jugend an war die Verbesserung von Jagdwaffen und ihrer Munition für ihn Passion, die er zielstrebig in Erfindungen und Patente umsetzte. Sie haben bei Jägern in aller Welt entscheidend mit zum Gütesiegel „Made in Germany“ beigetragen. Sein Name und seine Firma sind seit mehr als 100 Jahren ein Begriff.
Schon als Schüler verblüffte Wilhelm Brenneke Freunde und Lehrer mit selbstgebauten Vorder- und Hinterladerteschings und einer eigenhändig gefertigten Doppelbüchse. Im Revier seines Großvaters machte er erste Geschoss-Flugzeitmessungen.
Es lag auf der Hand, dass er als 14jähriger nach der Schulzeit Büchsenmacher werden wollte. Doch der damalige hannoversche Hofbüchsenmacher Scherping wies ihn ab und riet ihm, „etwas Aussichtsreicheres zu lernen“.
So erlernte er das Schlosserhandwerk und schloss seine Lehre als Geldschrankbauer ab. Da er dieses Handwerk als zu einseitig ansah, ließ er sich nebenbei noch zum Dampfkesselheizer ausbilden.
Als 18jähriger ging er nach Hamburg, wo er sich anfangs als Schiffsmaschinenschlosser und danach bei einer Tresorbaufirma verdingte.
Während seines Wehrdienstes bei der Marine war er zunächst Heizer und anschließend Heizer auf einem Torpedoboot.
Nach seinem Wehrdienst zog es ihn nach Leipzig, wo er sich als Reisebuchhändler selbständig machte. Dieses Geschäft war so einträglich, dass er bald 20 Außendienstmitarbeiter beschäftigte und an seinem 27. Geburtstag als „gemachter Mann“ heiraten konnte.
1895 erwarb der nun Dreißigjährige eine in Leipzig ansässige Büchsenmacherei mit Waffengeschäft, die fortan als „Wilhelm Brenneke – Gewehr und Geschossfabrik“ firmierte. Seine Passion, an Jagdwaffen und Munition zu tüfteln, hatte wieder Besitz von ihm ergriffen.
Noch im gleichen Jahr erhielt er für sein Brenneke-Selbstspanner-Sicherheitsgewehr das Reichspatent.
1898 stellte er sein erstes Flintenlaufgeschoss vor und vollendete die Entwicklung eines Blei-Teilmantel-Geschosses sowie des Original-Brenneke-Kalibers 8 x 72 R.
Von 1900 bis 1936 betrieb Brenneke einen schwunghaften Automobilhandel mit den Marken „Dian-Bouton“, „Clement Bayard“, „Renault“, „Horch“, „Dixi“ und „Essex“. Dieses war nicht nur geschäftlich motiviert, sondern entsprang einer weiteren Leidenschaft Wilhelm Brennekes – dem Autofahren. Noch mit dem 60. Lebensjahr nahm der Multiunternehmer im Jahre 1925 an einer 2000-Kilometer-Ralley (Reichsfahrt 1925) teil und belegte den 3. Platz im Gesamtklassement.
In der Geschichte der jungen aufstrebenden Firma war das Jahr 1905 ebenfalls ein Meilenstein: Wilhelm Brenneke bringt die Vorläufer des Torpedo-Ideal-Geschosses (TIG) in den Kalibern 8 und 9,3 Millimeter zur Produktionsreife und meldet Patente für den Brenneke-Verschluss für Kipplaufgewehre mit seitlicher Laufhakenverriegelung sowie den separat über Druckknöpfe am Vorderschaft auslösbaren Brenneke-Ejektor an.
1917 wird die Entwicklung des in Mitteleuropa weit verbreiteten Jagdkalibers 7 x 64 und 7 x 65 R abgeschlossen und die ersten Waffen mit diesen Kalibern kommen auf den Markt.
Ab 1927 wird das Original-Brenneke-Kaliber 9,3 x 64 als Großwildpatrone vorgestellt, der 1930 die Patrone 9,3 x 65 R folgt.
1933 werden die Konstruktionsverbesserungen am Repetier-System Modell 98 abgeschlossen: Verschluss des Daumenloches an der linken Seite der Schlosshülse, Anbringung einer Kammergriffverriegelung, eines Magazindeckel-Verschlusses und eines längeren Patronenausziehers mit Schleppfederbelastung.
1935 geht als Neuentwicklung das Original-Brenneke-Torpedo-Universal-Geschoss (TUG) in verschiedenen Kalibern in die Fertigung.
Ab 1938 entwickelt Brenneke das rasante Jagdkaliber 7 x 66 Super Express vom Hofe und arbeitet an den sogenannten Maximumpatronen 8 x 66 und 9,3 x 66, die durch den Krieg nicht mehr zur Serienreife gebracht werden konnten.
1945 musste die Firma den Verlust von mehr als 100 Gewehren und über 100 000 Jagdpatronen hinnehmen und stand vor dem Nichts. Trotzdem wurde mit Hilfe eines russischen Generals, der als Jäger begeisterter Anhänger des Brenneke-Flintenlaufgeschosses war, ein neuer Anfang gesucht. Brenneke scheiterte an den Restriktionen der Besatzungsmacht und den Verstaatlichungstendenzen der neuen Regierung.
1950 stellt Brenneke einen mit Zügen und Feldern versehenen Choke für Flintenläufe zur Verbesserung der Trefferpräzision beim Verschießen von Flintenlaufgeschossen vor. Diese 1951 patentierte Entwicklung wurde von ihrer Idee her bestimmend für die heute in den USA gefertigten „Screw-in“-Chokes bzw. die ganzgezogenen Flintenläufe.
Im Juli 1951 verließ die Firma Leipzig und setzte sich nach Westberlin ab, um dort eine neue Flintenlaufgeschoss-Produktion aufzuziehen. Später zog die Firma „Wilhelm Brenneke KG“, heute „Brenneke GmbH“ nach Langenhagen bei Hannover um.
Wilhelm Brenneke erlebte hiervon nur die Anfänge: Am 4. November 1951 verstarb der geniale Konstrukteur, Jäger und Naturfreund nach einem erfüllten und bewegten Leben im 87. Lebensjahr.
Nicht nur kreative Unruhe und unternehmerische Weitsicht waren motivierende Elemente für Wilhelm Brenneke.
Der passionierte Jäger und Tierschützer ging bei der Entwicklung seiner Geschosse stets vom sicheren und schnellen Erlegen des Wildes aus.
Der bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts heftig diskutierte Tierschutzgedanke mit der Maßgabe, dem Wild bei der Jagd unnötige Leiden zu ersparen, fand in Wilhelm Brenneke den waffentechnischen Repräsentanten.
Der Bedeutung eines Flintenlaufgeschosses wird man sich erst bewusst, wenn man bedenkt, dass um 1900 die meisten Jäger in Europa lediglich Flinten als Jagdwaffe besaßen und mit diesen nicht nur Rehe, sondern, mit grobem Schrot (Posten) auch starkes Schalenwild schossen. Mit dem Brenneke-Flintenlaufgeschoss wurde die Flinte zur „Doppelbüchse“. Brenneke wurde zum Synonym für Flintenlaufgeschosse.
Das erste Brenneke-Flintenlaufgeschoss bestand aus einem vorne abgeflachten Bleizylinder, an dem seitlich sechs Rippen in Längsrichtung befanden. An seinem Ende war ein aufgeschraubter, zwischen zwei Pappscheiben gelagerter Filzpfropfen. Die dem Pfeilprinzip folgende Konstruktion, Grundlage aller bis heute nachfolgenden Brenneke-Flintenlaufgeschosse, zeichnet sich durch hohe Flugstabilität und dadurch bedingte hohe Treffergenauigkeit auf Entfernungen bis 50 Meter aus. Hinzu kommen eine exzellente, durch Schock bedingte tödliche Wirkung im Wildkörper mit geringer Wildbretzerstörung und Schonung der Flintenläufe – auch jener mit Chokebohrung. Die „Brenneke“ kommt auf der ganzen Welt zum Einsatz.
Besondere Bedeutung bekam sie in den USA, wo in elf Bundesstaaten die Jagd auf Schalenwild nur mit der Flinte erlaubt ist. Dabei wird eine Trefferpräzision auf 100 Meter und mehr gefordert, die durch Flinten mit gezogenem Lauf und dem hiefür speziell entwickelten Brenneke-FLG „Gold“ gewährleistet ist.
In Europa, speziell in Deutschland waren es Patronenbezeichnungen wie „Haslocher Jagdkönig“, „Rote Auerhahnpatrone“, „Schwarze Waidmannsheil“ und „Brenneke“, die zum Inbegriff für mit Flinte und Drilling auf Schalenwild erfolgreich weidwerkende Jäger wurden.
Nach der heutigen Produktionsstätte ist auch die „Langenhagener Norm“ benannt, deren Einhaltung sich immer mehr Hersteller von Flinten und mit Flintenläufen kombinierten Jagdwaffen beim Garnieren der Läufe verpflichtet fühlen (die Streukreise bei fünf Schuss auf 50 Meter liegen bei vier bis fünf Zentimeter).
Das aktuelle Produktionsprogramm umfasst fünf verschiedene Kaliber (12, 16, 20, 28 und .410) und zehn Geschosstypen für den jagdlichen Einsatz sowie seit Ende 1997 eine Sportschützenpatrone mit verringerter Ladung im Kaliber 12/67,5.