Wo ein Wille ist, ist auch eine Fläche!
Von Wildmeister GUENTER CLAUSSEN †
Die Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensgrundlage für die freilebende Tierwelt sind heute wichtiger denn je. In vielen Revieren vernimmt man nicht mehr den Wachtelschlag und nur noch selten das Trillern der
Lerchen. Rebhühner, Fasanen und Hasen spielen als Jagdwild in ganzen Landstrichen kaum noch eine Rolle und dort, wo noch in ausgewogener Zahl Schalenwild vorkommt, werden immer häufiger die, von Hirschen, Rehen und Sauen verursachten, Wildschäden beklagt.
Die kausalen Gründe für das Dilemma liegen klar auf der Hand: die intensiv bewirtschafteten Feldfluren und Wälder haben ihre ursprüngliche ökologische Funktion als Lebensraum für eine artenreiche Fauna vielerorts eingebüßt. Es bringt uns allerdings nicht weiter, uns nur darauf zu beschränken, die Notlage der freilebenden Tierwelt zu beklagen. Wir sollten vielmehr alles daransetzen, der bedrohten Natur zu helfen, sollten den Lebensraum des Wildes im Rahmen realer Möglichkeiten verbessern, sollten den Hebel, den wir Jäger selbst in der Hand haben, endlich einmal in Bewegung setzen.
Wir wissen doch, was der Hase zum Wohlbefinden und seiner Gesundheit braucht, und es ist inzwischen auch allgemein bekannt, warum Rebhühner, Fasan, Lerchen und viele andere Arten immer seltener werden. Schließlich haben doch genügend verantwortungsbewusste Jäger den Beweis erbracht, dass es auch heute noch gelingt, durch gezielte Hege und Biotopgestaltung wieder bejagbare Niederwildbesätze aufzubauen und Wildschäden in vertretbaren Grenzen zu halten. Doch die Vielzahl der Nutzungsmöglichkeiten der, eigentlich in jedem Revier zur Verfügung stehenden, Flächen wird leider nur von wenigen Jägern richtig erkannt und zum Wohle des Wildes genutzt.
800.000 Stilllegungsflächen warten auf wildtiergerechte Begrünung.
Zwar wird ein Drittel der insgesamt 1.200.000 Hektar stillgelegter Ackerflächen mit nachwachsenden Rohstoffen bestellt, die übrigen 2/3 aber stehen zum Wohle von Fauna und Flora zur Verfügung. Allein die Tatsache, dass die meisten der obligatorisch für ein Jahr stillgelegten Flächen jedes Jahr neu stillgelegt werden kann, was in der Praxis auch so gehandhabt wird, gibt uns die Möglichkeit, mit einer Daueräsungsmischung gleich für einen längeren Zeitraum Schutz, Deckung und wildtiergerechte Nahrung zur Verfügung zu stellen. Wir Jäger sollten also mit den Landwirten sprechen und ihnen kostenlos entsprechendes Saatgut für die Begrünung dieser Flächen an die Hand geben. Der Landwirt profitiert von unserem Angebot, denn die Wildackermischung verhindert eine Bodenerosion und die Auswaschung von Nitraten. Zugleich werden unliebsame Wildkräuter unterdrückt, während die eingebrachten Klee- und Leguminosenarten für eine natürliche Verbesserung der Bodenqualität sorgen. Die Einsaat von Mischungen, die bekanntlich nicht ernte- bzw. druschfähig sein dürfen, ist alljährlich bis zum 15. Mai erlaubt.
Zwischenfrüchte als Notzeitbrücke für das Wild
In Regionen mit intensiver, großflächiger Landwirtschaft hat es das Niederwild besonders schwer.
Hier ist das Äsungs- und Deckungsangebot nach der Ernte ausgesprochen dürftig. In diesen Revieren bieten sich den Jägern sehr einfache Möglichkeiten, preiswert und äußerst effektiv Biotopverbesserungen durchzuführen. Die wildfreundliche Lösung bietet der Zwischenfruchtanbau.
Ackerflächen, die nach der Ernte in der Regel einfach nur schwarz gemacht werden und auf denen im folgenden Jahr eine Sommerfrucht wie Rüben, Kartoffeln, Mais oder Sommergetreide angebaut werden soll, liegen vom Zeitpunkt des Aberntens im Juli/August bis zum Frühjahr hinein kahl und nackt in der Landschaft und sind oftmals 6-8 Monate der Erosion preisgegeben. Sie bieten weder Schutz noch Nahrung. Solche Flächen könnten meterhohen Pflanzenwuchs aufweisen und unzähligen Tierarten Äsung und Deckung bieten. Die Landwirte sind gerne bereit, bodenverbessernde Zwischenfrüchte auszusäen, wenn ihnen der Jagdpächter das Saatgut zur Verfügung stellt. Doch sollten Stoppelsaaten nicht einseitig in Form von Senf oder Ölrettich ausgebracht werden. Beide Pflanzen verfrieren beim ersten starken Frost, so dass in der Notzeit keine Deckung zur Verfügung steht. In einer Mischung, die neben Ackersenf und Ölrettich auch zwei Futterrapssorten und eine erucasäurefreie Winterrübse enthält, finden Schalenwild, Hasen und Flugwild neben guter Deckung auch hochwertige Winteräsung.
Der Saatgutpreis pro Hektar (10.000 m²) beträgt gerade einmal 25 €.
Wo Kreuzblütler unerwünscht sind, kann man auch eine Herbstleguminosenmischung wählen, die mit neun hochwertigen Eiweißpflanzen eine gierig beäste Herbstmast in großer Menge bietet. Der finanzielle Aufwand von 105 € je Hektar lohnt besonders in Schalenwildrevieren, denn er steht in keinem Verhältnis zu den alternativen Kosten für die Winterfütterung.
Ehemalige Äcker und Wiesen
In vielen Revieren gibt es in Feld und Wald verstreut liegende Flächen, wie brachliegende Viehweiden, Äcker, Pflanzgärten usw., die in Folge ihrer geringen Größe für eine landwirtschaftliche Nutzung unrentabel geworden sind. Die letzten dieser, noch nicht mit Fichten zugepflanzten, Relikte einer intakten Kulturlandschaft sollten vor der totalen Verbuschung gerettet werden, um in alter Form als saftige Grünflächen dem Wilde zu dienen. Neu kultiviert und mit einer interessanten Kräutermischung, wie der für diese Zweckebewährten Reh- und Hasengartenmischung, eingesät, werden sie zu Inseln des Lebens, ein Dorado für die gesamte Fauna.
Wege- und Schneisenränder bieten sich an
Egal, ob es im Wald die dunklen Bestände sind, wo im Schatten dicht wachsender Bäume kaum ein Kräutlein wächst oder die von allen Konkurrenzpflanzen bereinigten Monokulturen in den Feldfluren; das Wild findet im Bereich dieser Nutzflächen kaum noch artgerechte Äsung. Auf der Suche nach Alternativen sollten wir einmal die Wege und Schneisen näher betrachten.
Ihre mehr oder weniger breiten Randstreifen, auf denen meist nur noch Allerweltspflanzen wie Quecken, harte Gräser oder Kanadisches Berufskraut gedeihen, bieten sich für das Renaturieren in der Funktion wertvoller Saumbiotope förmlich an. Um solche Streifen ökologisch wieder aufzuwerten, lohnt sich eine Nachsaat mit standortgerechten heimischen Wildkräutern und Blumen.
Es genügt in der Regel schon, die Randstreifen im März/April mit einer kurzzinkigen Egge zu verwunden und das Saatgut einer Klee-, Kräuter- oder Dauergrünlandmischung breitwürfig einzusäen. Nach dem gleichen Verfahren sollten Gewässerrandstreifen, die im Rahmen des Umweltschutzes von der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung ausgenommen sind und nicht mehr gedüngt und abgespritzt werden dürfen, wildtiergerecht gestaltet werden.
Stromtrassen als Oasen für Äsung und Ruhe
Auf der Suche nach Möglichkeiten für eine Verbesserung der Nahrungsgrundlage des Wildes fallen insbesondere die vielen ungenutzt daliegenden Trassen von Licht- und Hochspannungsleitungen ins Auge. Kilometerlange Streifen, fast immer über 20 Meter breit, ziehen sich in manchen Revieren durch die Wälder. Dort dürfen bekanntlich keine hoch wachsenden Bäume gepflanzt werden, und deshalb werden sie für die Holzgewinnung auch nicht beansprucht. Das Wild selbst stört sich an den Stromleitungen überhaupt nicht. Im Gegenteil: Dort, wo die Trassen durch die Haupteinstände des Wildes verlaufen, nutzt das Schalenwild die Möglichkeit, seinem artspezifischen Äsungsrhythmus nachzukommen und sucht die Streifen auch am Tage auf.
Die Energieversorgungsgesellschaften haben absolut nichts dagegen, wenn wir diese Trassen im Rahmen einer landwirtschaftlichen Bearbeitung in Kultur nehmen und mit geeigneten Äsungsmischungen einsäen. Zu Beginn der Biotopverbesserungsmaßnahmen sollte nach Rodung mit nachfolgendem Pflug und einer eventuell notwendigen Kalkung zunächst eine Pioniermischung ausgesät werden. In den Folgejahren werden die Streifen mit Klee- / Grasmischungen oder speziellen Schalenwildmischungen zu Daueräsungsflächen umgewandelt.
Lichte Baumbestände und Pappelanlagen als Äsungsflächen
Für alle Wild- und Äsungspflanzen sind ausreichendes Licht Grundvoraussetzung für erfolgreiches Gedeihen. Es wäre also müßig, in dunklen Fichten- oder Rotbuchenbeständen nach Möglichkeiten für Biotopverbesserungsmaßnahmen zu suchen. Ganz anders verhält es sich bei lichten Altholzbeständen, insbesondere der Eichen, Kiefern und Pappeln, unter denen man häufig eine geschlossene Pflanzendecke der niederen Bodenflora vorfindet. Üppiger Graswuchs, dichte Brennnesselkulturen oder hohe Adlerfarnbestände weisen auf optimale Lichtverhältnisse und gut geeignete Böden auch für andere Pflanzengesellschaften hin. Auf jeden Fall lassen sich solche
Bestände durchaus auch mit anderen Gewächsen unterbauen. So könnte man z. B. kleine beeren- und samentragende Sträucher wie Weißdorn, Holunder, Liguster, Hartriegel, Schneeball, Faulbaum, Pfaffenhütchen, Spiräen, und ähnliche schattenverträgliche Arten dort einbringen und die Feldholzinsel zum wertvollen Lebensraum umgestalten.
Stattdessen lassen sich natürlich auch Äsungspflanzen erfolgreich aussäen. Schließlich ist es ohne weiteres möglich, den Boden zwischen den tief wurzelnden Eichen, Pappeln und Kiefern maschinell, z. B. mit einer Fräse zu bearbeiten, ohne dass die Baumwurzeln dabei beschädigt werden. Für die Begrünung solcher Flächen sollte man Wildackermischungen mit hohen Anteilen an schattenverträglichen und winterharten Pflanzen wählen. Bei unseren Testversuchen mit dem mehrjährigen Herbst- und Winteräsungsgemisch konnten wir immer wieder beobachten, dass sterile und vorher kaum beachtete Standorte dank interessanter Äsung und Deckung plötzlich zum Sammelpunkt aller vorkommenden Wildarten wurden.
Streuobstwiesen attraktiver machen
Obstbäume haben einen hohen ökologischen Wert und bereichern jedes Revier. Das trifft insbesondere für Streuobstflächen zu, die allerdings häufig unter mangelnder Pflege leiden. Dies gilt nicht nur für den notwendigen Baumschnitt, sondern insbesondere für die Bodenpflege. Einst dienten diese Flächen nebenbei der Heugewinnung und wurden jährlich ein- bis zweimal gemäht.
Somit fanden die lichtbedürftigen Heilkräuter, wie z. B. Löwenzahn, Schafgarbe, Wegerich u. ä. gute Wachstumsbedingungen, die die Bodenvegetation interessant für die Hasen und Rebhühner machten. Bei mangelnder Pflege, und das ist heute in der Regel der Fall, werden alle Wildkräuter und -blumen vom dichten Grasfilz überwuchert, so dass die Flächen verarmen. Wir sollten in Absprache mit dem Grundeigentümer einmal den Versuch unternehmen, die Streuobstflächen wieder für Rehe, Hasen und Rebhühner attraktiv zu machen. Das gelingt durch eine flache Bodenbearbeitung mit Pflug oder Fräse (maximal 15 cm tief), die auch für die Bäume von großem Vorteil ist. Durch die Lockerung wird der verdichtete Boden wieder belüftet und kann, vor allem an Hanglagen, das Regenwasser besser aufnehmen. Schließlich halten auch die Obstbauern und Winzer ihre Plantagen nicht ohne Grund in Kultur und säen zusätzlich Leguminosen aus, um mit Humus und Luftstickstoff die Qualität und den Ertrag ihrer Früchte zu verbessern. Diese Kenntnisse sollten wir uns zunutze machen und bewährte Leguminosen- oder Wildkräutermischungen zum Wohle der heimischen Tierwelt in die Reihen zwischen den Bäumen und Reben aussäen. Der Aufwand lohnt, denn in den landwirtschaftlichen Kulturen findet das Niederwild kaum wildtiergerechte Nahrungspflanzen in der Menge des, von Natur aus notwendigen Bedarfes.
Hege, die sich lohnt
Es gibt wohl kaum ein Revier, wo sich nicht mindestens eine der hier aufgezeigten Möglichkeiten zur positiven Reviergestaltung finden lässt. Im Gegenteil: Vielerorts ist das Potential an Flächen für Biotopverbesserungsmaßnahmen noch vielschichtiger. Man denke nur an unrentable Felder, die der Grundeigentümer nur gar zu gerne an den Jagdpächter verpachten würde, an Ackerkeile, die in der modernen Landwirtschaft als hinderliches Anhängsel gelten, an die Saumzonen der Hecken und Buschgruppen, wo zusätzliche Äsung das Lebensbedürfnis der Bewohner befriedigen würde, an Halden, wo üppiger Klee und Buchweizen gedeihen könnten, an Blößen und Lichtungen im Walde, wo nur Drahtschmiele oder hartes Rietgras wächst, wo die abwechslungsreiche Äsung einer Pioniermischung aber dazu beitragen würde, das Wild an die Einstände zu binden und leidige Verbissschäden an den Forstpflanzen einzudämmen.
Auch wenn es zum Teil nur kleine Flächen sind, die für unsere Zwecke zur Verfügung stehen; wir sollten sie nutzen, um übers Revier verteilt ein Mosaik von Hegeinseln zu schaffen. Das ist die Hege, die wir heute so dringend brauchen und die sich lohnt – zum Wohle des Wildes und des Waidwerkes.