Wolfangriff auf Tiroler Bracke „Hanka vom Heegholz“

VON HANKA VOM HEEGHOLZ UND ROLAND UECKERMANN AUS DER UCKERMARK

Hanka, Tage nach dem Angriff auf dem Wege der Genesung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Begonnen hat alles mit einer ersten Sichtbeobachtung am 12. September 2014: Ein stattlicher Wolf früh am Morgen vor dem Pferdestall. Dann bald darauf eine zweite Sichtung unmittelbar vor dem Gehöft auf dem Weg.

Wir, meine Frau und ich, bewohnen ein alleinstehendes Gehöft inmitten eines großen Waldgebietes in der südlichen Uckermark. Bis zum nächsten Dorf sind es 3 km auf unbefestigtem Waldweg. Unsere Kinder sind erwachsen und wohnen nicht mehr zu Hause. Wir leben mit unseren Haustieren als Einsiedler in freier Natur und das mit größtem Genuss. Einen freilebenden Wolf zu sehen, war für uns zuerst interessant und etwas ganz Besonderes. Dass sich hieraus mal eine ernsthaft bedrohliche Situation entwickeln würde, hatten wir niemals in Betracht gezogen.

Dieser Wolf, Tage nach den Vorfall immer wieder unmittelbar am Gehöft

Für mich, als sehr erfahrenem Förster und Jäger, der mit dem Raubtier Wolf vorab so gut wie nichts zu tun hatte, war es ein Tier, welches nach meinem Empfinden sehr scheu ist und in früheren Zeiten auch äußerst schwer zu bejagen war – ja so war es einstmals. Ende Oktober 2014 musste ich eine bis dahin einzigartige Erfahrung machen, deren wahrhafte Bedeutung mir erst Tage und Wochen später so richtig bewusst wurde.

Der Angriff des Wolfes ereignete sich am 31. Oktober 2014 am helllichten Tage, es war ein Feiertag in Brandenburg. Im Haus hörte ich von draußen lautes Hundegeschrei, nur einmal ein langer letzter Ton, lauter als ich es in dieser Form je zuvor wahrgenommen hatte. Instinktiv habe ich das geschlossene Fenster regelrecht aufgerissen. Als ich mich heraus beugte, habe ich den Wolf als graubraunen großen Klumpen gesehen, der etwas nach unten auf den Boden drückte und dabei in hoher Frequenz hin und her schüttelte.

Dieser Wolf, Tage nach den Vorfall immer wieder unmittelbar am Gehöft

Die Geräusche, welche das Raubtier dabei von sich gab, lassen sich nur schwer beschreiben – ein furchteinflößendes relativ lautes gurgelhaftes Röcheln verbunden mit viel Flüssigkeit im Fang. Der Wolf stand in sehr gekrümmter Haltung, die Hinterläufe ganz nahe bei den Vorderläufen. Die Muskelpartien der Keulen traten in Ihren Konturen nach außen. Die volle Kraft dieses wilden Tieres kam zum Einsatz. Eine völlig aufgeladene und angespannte Haltung. Die 21 kg schwere Tiroler Brackenhündin war für ihn ein Leichtgewicht. – so meine Wahrnehmung.

Dann ging alles so schnell, dass ich es selbst nicht mehr genau im Einzelnen rekonstruieren kann. Auf jeden Fall bin ich in Sekundenschnelle aus dem Fenster springend auf das Raubtier zugeflogen – meine nackten Fußeinschläge unter dem Fenster auf dem Rasen waren durch den harten Aufschlag noch viele Tage später so gut zu sehen, dass man sie in Gips hätte gießen können. Der Angriff ereignete sich ca. 7 m vom Fenster entfernt, so dass ich in wenigen raumgreifenden Schritten 3 m vor dem Wolf zum Sprung über den hüfthohen Zaun ansetzte. Laut schreiend raste ich ihm entgegen, mit 1,85 m Größe und 95 kg schwer. Und es war auch genauso wie in vielen Berichten erwähnt; ich hatte nur meine Arme und Hände mit denen ich ihn würgen wollte, um meiner Hündin zu helfen.

Es war einfach keine Zeit mehr, um auch nur irgendein Hilfsmittel zu greifen und es ist auch wahr, dass ich gerade in diesem Moment nichts an Bekleidung an hatte. Ich bin mir sicher, dass dieser Wolf solch eine Sorte Mensch wohl noch nie gesehen hatte. Ihm war schon bewusst, dass ich ihm seine Beute wegnehmen wollte. Er muss in dieser Situation mehr von mir beeindruckt gewesen sein, als ich von ihm, denn er hat losgelassen und ist von dannen gezogen – zwar widerwillig und zögerlich stockend, aber er hat sich getrollt. Diese ganze Aktion hat sich in nur ca. 5 Sekunden zugetragen, und ich bin mir sicher, hätte ich nicht genau so gehandelt, so schnell aus dem Stand und direkt drauf zu, dann wäre meine Hündin heute nicht mehr am Leben und vielleicht hätte ich sie auch niemals wieder gesehen.

Hanka beim Tierarzt, eine Stunde nach dem Angriff

Der Wolfbiss an meinem Hund war der erste Haltegriff mit dem er die Beute ruhigstellt und zurechtlegt, um dann innerhalb der nächsten Sekunden nachzufassen und zu töten. Genau zwischen diesen beiden Phasen habe ich den Abbruch erzwingen können. Meine Hündin war so schwer verletzt, dass sie sich nicht mehr selbstständig fortbewegen konnte. Unmittelbar danach wurde die Hündin unter Narkose tierärztlich versorgt. Jede der 12 Bisswunden an Keule und Flanke wurde einzeln sehr sorgsam behandelt. Rein äußerlich ging die Abheilung der Wunden gut voran. Zwischendurch hatte sich im linken Hinterlauf und in der Keule sehr viel Wasser angesammelt, welches aber durch die vorausschauend hierfür offen gelassenen Wunden herausmassiert werden konnte. Zurückgeblieben ist noch ein Muskelabriss in der Keule, der nicht mehr repariert werden konnte. Mit dieser leichten Behinderung wird mein Hund, in Anbetracht der Schwere der gesamten Verletzung, gut leben können. Nach einigen Wochen konnte die Hündin nur noch unter Schmerzen Nahrung zu sich nehmen und ist zusehend abgemagert. Eine hierfür spezielle Untersuchung ergab, dass sich an der Milz eine apfelsinengroße Verdickung gebildet hatte. Sofort nach dem Befund, noch einen Tag vor Weihnachten, wurde der Hund nochmals operiert und die Milz vollkommen entnommen.

Hanka beim Tierarzt, eine Stunde nach dem Angriff

Auch das hat sie gut überstanden und ist nun wirklich nach den vielen Behandlungen und Schmerzen auf einem guten Weg der Besserung. Vielleicht reicht es ja auch mal wieder für einen kleinen Einsatz bei der Jagd, jedenfalls wünsche ich ihr das. Ich habe nie darüber nachgedacht diesen Vorfall zu benutzen, um eine Kampagne gegen die Ausbreitung der Wölfe anzuheizen. Das wäre auch wenig zielführend gewesen. Viel wichtiger war es die Beweise so zu dokumentieren, dass dieser Angriff eines Wolfes auf das „Haustier Hund“ von den entsprechenden Fachleuten anerkannt wird. Und das ist gelungen, erstmalig in Deutschland. Ebenso notwendig war es, die breite Öffentlichkeit über diesen Vorfall zu informieren. Die tierärztlichen Behandlungskosten, resultierend aus dem Wolfangriff sind zum Ausgleich beim Landesumweltamt beantragt. Jagdhunde sind in der aktuellen Richtlinie für Brandenburg nicht erwähnt, aber zum Zeitpunkt des Angriffs war meine Hündin nicht im jagdlichen Einsatz, sondern als Haustier und Zuchttier (Nutztier) auf dem Grundstück.

Alle gezeigten Fotos von diesem Wolf habe ich selber mit Fotofallen (WK) nach dem Vorfall unmittelbar am Gehöft aufgenommen. Es gibt sehr viele qualitativ gute Bilder. Fast unglaublich sind die zwei Seiten dieses Wolfes. Zum einen die friedliche Darstellung auf den Farbfotos, aufgenommen am Gehöft in freier Wildbahn, so nah und zahm wie ein Familienhund, fast kuschelig und vor Zutraulichkeit trotzend, einfach wie zum Anfassen gemacht. Und dann die andere Seite dieses Raubtieres aus eigener Erfahrung und Wahrnehmung, das gleiche Tier beim Töten meines Haus- Hof- und Jagdhundes, vor meinen Augen mit so unbändiger Kraft und Entschlossenheit – ohne Respekt vor menschlicher Behausung. Unvorstellbar und nicht zu glauben, dass es ein und derselbe Wolf ist. Aber genau das sind die zwei Seiten dieses wilden Raubtieres.

(Für weitere Bewertungen und eine gezielte Einflussnahme auf diese Problematik habe ich Interesse an Bemerkungen und Fragen oder Berichten zu vergleichbaren Vorfällen.)